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Wie Infektionen Autoimmunerkrankungen auslösen  
  Schon bisher wusste man, dass im Anschluss an Infektionen Autoimmunerkrankungen - u.a. des Herzens - gehäuft auftreten können. Österreichische Forscher sind nun den molekularen Ursachen dieses Zusammenhangs auf die Spur gekommen. Sie zeigten, dass es nicht einen einzigen Auslöser von Autoimmun-Reaktionen gibt.  
Wie Josef Penninger und sein Team am Institut für Molekulare Biotechnologie der Akademie der Wissenschaften (IMBA) am Mausmodell herausgefunden haben, entsteht die häufigste Herzmuskelerkrankung vor allem dann, wenn das Immunsystem bestimmte körpereigene Proteine irrtümlich als fremdartig einstuft.
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Der Artikel "Dendritic cell-induced autoimmune heart failure requires cooperation between adaptive and innate immunity" von Urs Eriksson, Josef Penninger und Mitarbeitern ist als "Advanced Online Publication" bei "Nature Medicine" (doi:10.1038/nm960) erschienen.
->   "Nature Medicine"
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Herz-Kreislauferkrankungen - wichtigste Todesursache
Herz-Kreislauferkrankungen werden Schätzungen der WHO zufolge in den nächsten Jahrzehnten weltweit die häufigste Todesursache darstellen.

Die häufigste Ursache von Herzversagen bei jungen Patienten ist die so genannte "Dilative Cardiomyopathie" (DCM). Neben genetischen und Umweltfaktoren sind Infektionen, die Autoimmunreaktionen auslösen, für die Entstehung der DCM verantwortlich.
Bekannt: Herzmuskelentzündungen nach Infektionen
Bei manchen Patienten wurde eine akute Herzmuskelentzündung im Anschluss an eine Infektion durch Viren, Bakterien oder Protozoen festgestellt.

Doch obwohl Millionen von Menschen betroffen sind, konnte bisher keine überzeugende Verbindung zwischen Entzündungen des Herzens sowie Infektionen und Autoimmunerkrankungen gefunden werden.
Immunsystem greift körpereigene Proteine an
"Am Beginn unserer Untersuchungen stand die Suche nach einem neuen Auslöser und einem neuen Modell für Autoimmunerkrankungen des Herzens", so Josef Penninger in einer Aussendung.

Die Hauptregulatoren des Immunsystems sind die dendritischen Zellen. Sobald sie einen Krankheitserreger ausfindig machen, setzen sie den entscheidenden Impuls, damit spezielle T-Zellen die Eindringlinge bekämpfen.

Dendritische Zellen produzieren aber auch eigene Proteine, die im Fall einer Erkrankung fälschlicherweise als fremd erkannt werden und Autoimmunreaktionen hervorrufen können.
->   Mehr zu dendritischen Zellen (gesundheit.de)
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Zwei Ursachen: Gene und Rezeptoraktivierung
"Unsere Resultate zeigen", so Penninger, "dass zumindest zwei wesentliche Faktoren bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen zusammenspielen müssen: die genetische Voraussetzung, und - viel wichtiger - die Aktivierung spezieller Rezeptoren ("toll-like receptors"; TLR), die bei verschiedenen infektiösen Auslösern auftreten kann."
->   Mehr zu TLR bei invivogen.com
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Ein Bündel von Auslösern
Nun wisse man, warum Infektionen im Krankheitsgeschehen entscheidend sind und warum bisher niemand den "Autoimmundefekt" gefunden hat. Und zwar deswegen, weil erstens viele verschiedene Defekte und zweitens ganz unterschiedliche Bakterien- oder Virusinfektionen dafür verantwortlich sind.
Erklärung für Rückfälle gefunden
Die Forscher haben auch eine mögliche Erklärung dafür gefunden, wie es im Zuge des Krankheitsgeschehens immer wieder zu Rückfällen kommen kann.

Verantwortlich dafür seien die so genannten Toll-like-Rezeptoren, die nach unterschiedlichen Infektionen im Körper vorhanden sind. Im Verlauf der Heilung bewirke eine Stimulation dieser Rezeptoren einen neuerlichen Krankheitsschub.
Krankheitsschübe bei Diabetes und MS
Eine häufige Beobachtung bei Autoimmunerkrankungen wie Typ 1 Diabetes oder Multiple Sklerose ist, dass Patienten nach harmlosen Infektionskrankheiten einen Schub ihrer Autoimmunerkrankungen erleiden.

Die Erklärung der Wissenschaftler: Eine Aktivierung dieser Toll-like-Rezeptoren führe zur Wiederaktivierung von Autoimmun-T-Zellen und daher könne eine Infektion eine Verschlechterung der Erkrankung bewirken.

Das scheine auch der Grund dafür, dass man bis jetzt keinen einzelnen Auslöser für Autoimmunerkrankungen festmachen konnte: Deshalb, wei sie offensichtlich angeborene und - für die tatsächliche Auslösung entscheidende - erworbene Komponenten wie Infektionen benötigen.
Neue Therapiemöglichkeiten
Die neuen Erkenntnisse könnten laut Aussendung die Basis für neue Therapien bei Autoimmunerkrankungen darstellen, die gezielt bei den dendritischen Zellen ansetzen.

Die Daten könnten aber auch, so der Erstautor der Studie Urs Eriksson (derzeit an der ETH Zürich und Universität Basel), für die Entwicklung von Impfungen zur Prävention von Tumorerkrankungen von Bedeutung sein.

Die Studie wurde u.a. mit Unterstützung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und des Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank durchgeführt.
->   Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA)
->   Österreichische Akademie der Wissenschaften
->   ETH Zürich
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Tropischer Parasit gegen Autoimmun-Erkrankungen (17.3.03)
->   Blutwäsche gegen Autoimmun-Herzkrankheit (29.11.02)
->   Autoimmunerkrankung: Entgleisung des Immunsystems (26.4.02)
->   Mehr im science.ORF.at-Archiv
->   www.innovatives-oesterreich.at

 
 
 
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01.01.2010