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Die Vorzüge des Biolandbaus sind belegt  
  Britische Wissenschaftler übten vor kurzem harsche Kritik am Öko-Landbau, den sie sogar für den Ausbruch der Maul- und Klauenseuche verantwortlich machten. In einem Kommentar für 'science.orf.at' antwortet Thomas Lindenthal vom Institut für Ökologischen Landbau der Wiener Universität für Bodenkultur.  
Harsche Kritik in ''Nature''
Der Britische Wissenschaftler Anthony Tewavas ließ in einem Kommentar in "Nature" vom 22.3. 01 unter dem Titel "Urban myths of organic farming" kein gutes Haar am biologischen Landbau.

Der Biologe stützte seine Kritik unter anderem auf fehlende wissenschaftliche Beweise für die Überlegenheit gegenüber konventionellen landwirtschaftlichen Methoden.
Generell sei der Öko-Landbau für die Anforderungen unserer Zeit ungeeignet: die Kosten seien zu hoch, die Produktivität zu gering. Statt wissenschaftlicher Nachweise würde lediglich Ideologie geliefert.
->   Eine Zusammenfassung von Tewavas Kommentar auf science.orf.at
->   Der komplette Artikel in Nature (kostenpflichtig)
Kommentar von Thomas Lindenthal, Biologe am Institut für Ökologischen Landbau der Universität für Bodenkultur:
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Vorteile des Biolandbaus sind sehr wohl belegt
Der Artikel klammert den größten Teil der agrarökologischen Forschung zum Biologischen Landbau aus, nämlich die über 15 jährige Forschung zum Biologischen Landbau in Deutschland und der Schweiz. In vielen Untersuchungen werden dabei die ökologische Vorzüglichkeit des Biolandbaus belegt, was auch dazu führte, dass die Wissenschafts-Enquete Kommission des deutschen Bundestages zum Schutz der Erdatmopsphäre bereits 1994 die rasche Umstellung auf biologischen Landbau empfohlen hat.

Viele dieser (nicht in den Main Stream passenden) Untersuchungen sind nicht in begutachteten Journals erschienen, auf die sich Trewavas in seinem klassischen Verständnis von Wissenschaftlichkeit bezieht.
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Wie wertfrei ist die Wissenschaft ?
Anthony Trewavas selbst bewegt sich bei seinen Ausführungen ebenso auf dünnem wissenschaftlichen Eis (ein interessantes Paradox), was zudem auch die genaue Betrachtung seiner Referenzen zeigt, die in keinster Weise seine breiten Interpretationen rechtfertigen und nicht zum ersten Mal aufzeigen, dass das Niveau der Beiträge auch in so angesehenen Zeitschriften sehr stark schwankt und besonders dann gering ist, wenn die Chancen der Gentechnologie und die "Ideologie" des Biolandbaus thematisiert werden - wertfreie Wissenschaft ?

Wissenschaft spielt sich nicht nur im "Science" und "Nature" ab, gerade und im besonderen nicht die (junge und nach wie vor wenig etablierte) Forschung zum Biologischen Landbau. Daher ist es von besonderer Bedeutung, wenn Medien sich dankenswerter Weise für Biolandbau und seiner Forschung interessieren, auch einschlägige, weniger populäre Literatur heranziehen, die bei uns und an anderen Instituten, die zum Biolandbau forschen, beziehbar ist.
Kritik an einer einseitigen Vereinnahmung von Wissenschaft
Wissenschaft ist nicht nur jene, die dem mechanistischen Weltbild entspricht. Holistische, systemorientierte Forschungsansätze sind gerade in solchen Vorzeige-Zeitschriften der Wissenschaft wenig vertreten, weil diese immer noch mit dem Makel der "Unwissenschaftlichkeit" zu kämpfen haben - wobei diese Bewertung von jenen stammt, die mit den Grundsätzen des mechanistischen Paradigmas bewerten - eine Begleiterscheinung fast jedes Paradigmenwechsels in der Wissenschaft.
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Das mechanistische Verständnis von Wissenschaft gefährdet die Umwelt
Die ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen des mechanistischen Verständnisses von Natur und Technik sind unübersehbar und gefährden die Menschheit als Ganzes in ihrem Fortbestand - nicht nur gegenwärtig die Lebensmittelqualität.

Ansätze, die einen grundlegenden Richtungswechsel (wie der Biolandbau) und nicht eine Therapie an der Oberfläche verfolgen, müssen daher eine wahrlich fundiertere Wahrnehmung (wie jene von Anthony Trewavas) erfahren!

Kritische Beiträge zur "Ideologie-freien" integrierten Produktion sind sehr rar, weil sich die einschlägigen wissenschaftlichen Gesellschaften alle damit identifizieren, und die einzelnen Wissenschaftler Einsatzbereiche ihrer Technologien bzw. ihre Identifikation brauchen .

So genannte "Nestbeschmutzer" finden vielfach in begutachteten Zeitschriften keinen Einlass. Forscher zum Biolandbau sehen es außerdem nicht als ihre Aufgabe an, sich mit der konventionellen Landwirtschaft und seiner "Ideologie" auseinanderzusetzen. Die raren finanziellen Mittel werden vielmehr zur Weiterentwicklung des biologischen Landbaus investiert.

Anthony Trewavas und die Gutachter der Zeitschrift "Nature" sind offensichtlich der Ansicht, dass es einen "agricultural pragmatism" ohne Ideologie gibt, eine wahrlich sehr monodisziplinäre und erschreckend unvollständige Sichtweise, die die Ideologie der
"pragmatischen" Strömungen der Landwirtschaft und jene, die davon profitieren, völlig außer Acht lässt.

Thomas Lindenthal, Institut für Ökologischen Landbau der
Universität für Bodenkultur, Wien.
->   Institut für Ökologischen Landbau
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01.01.2010