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Mehr essen, weniger Kilos?  
  Wissenschaftler haben Mäusen ein bestimmtes Gen entfernt, sodass diese nach Herzens Lust essen können und doch weniger Gewicht auf die Waage bringen und weniger fett sind. Der Startschuss für eine Antifett-Pille?  
Das Ende der Couch Potatoes?

Die Leber einer normalen Maus (links) nach 24 Stunden Hungern weist Fettgewebe auf, während die Leber einer Maus ohne das Schlüsselenzym (rechts) gesund und beinahe fettfrei ist. (Science)
Genetisch veränderte Mäuse, die ein bestimmtes Enzym nicht mehr produzierten, wogen bis zu 15 Prozent weniger als normale Mäuse. Außerdem war ihr Körperfett um die Hälfte reduziert. Das sind die Forschungsergebnisse eines Teams um Salih Wakil, Biochemiker am Baylor College of Medicine in Houston, nachzulesen in der neuesten Ausgabe von "Science".

Das besondere daran: Die Mäuse waren weniger Fett, obwohl sie nach Herzens Lust gefuttert hatten - bis zu 40 Prozent mehr als normal. "Das könnte das Ende der Couch Potatoes bedeuten", meint Wakil. "Sie können sich weiterhin auf dem Sofa räkeln und Kartoffelchips essen und brauchen sich keine Sorgen um einen Fettbauch zu machen."
Zu gut, um wahr zu sein?
Das klingt zu gut, um wahr zu sein. Die Wissenschaftler meinen, Vorsicht sei angebracht, denn das Experiment ist bisher erst einmal durchgeführt worden und das auch nur bei Mäusen.

"Es besteht allerdings ein großes Interesse daran, etwas zu finden, mit dem man der Fettsucht schnell Abhilfe verschaffen kann", meint Neil Ruderman vom Bostoner Beth Israel Deaconess Medical Center, der die Studie prüfte. "Doch ob diese Forschungsergebnisse zu einem wirkungsvollen und sicheren Arzneimittel führen werden, kann man jetzt noch nicht wissen."
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Der Mechanismus
Die Mäuse konnten mehr essen und wogen trotzdem weniger, weil ihnen ein Gen fehlte, das das Enzym Malonyl-CoA produziert. Dieses Enzym wiederum wird von einem oder zwei anderen Enzymen produziert, entweder ACC1 oder ACC2. Das Forscherteam fand heraus, dass das Enzym, welches von ACC1 produziert wird, für die Entstehung der Fettsäuren entscheidend ist. Diese Fettsäuren sind während der Entwicklungsphase lebensnotwendig, denn Mäuse, denen das ACC1 fehlte, starben innerhalb von wenigen Wochen, so Wakil.

Das Enzym, das aus ACC2 stammt, scheint jedoch weniger entscheidend zu sein. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass das von ACC2 produzierte Enzym dafür verantwortlich ist, dass überschüssiges Fett zu den Mitochondrien wandert. Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zelle, wo Fett zu Kohlendioxid, Wasser und Energie verbrannt wird.

Fehlt das Enzym, fließt mehr Fett zu den Mitochondrien und wird zu Energie verbrannt. Obwohl keine gesonderten Messungen vorgenommen wurden, die darauf schließen ließen, dass die Mäuse einen erhöhten Energieschub hatten, waren die ACC2-freien Mäuse gesund und reproduktionsfähig.
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Anti-Fett-Pille schon in fünf Jahren?
Wakils Team untersucht jetzt Verbindungen, die in Pillenform die Absonderung von ACC2 verhindern könnten. Wenn die Forschungsarbeiten nach Plan verlaufen, könnte eine solche Pille schon in fünf Jahren verfügbar sein.
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Fettdepots für Notzeiten
Der menschliche Körper sorgt mit seinen Fettdepots für Zeiten der Not vor. Das ist der Grund, warum er ein Enzym aktiviert, das die Fettverbrennung verhindert und die Speicherung von Fett im Körper unterstützt. Heutzutage allerdings ist Fettsucht (nicht nur in Österreich) zur Volkskrankheit geworden. Eine Wiener Studie ergab, dass etwa 12 Prozent der Kinder und Jugendlichen zu dick sind. Einige der fettsüchtigen Kids bringen dabei mehr als 100 Kilogramm auf die Waage.
->   Immer mehr Kinder mit Fettsucht
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Besseres Verständnis der Fettverbrennung
Da Fettsucht zu schwerwiegenden Krankheiten führen kann, etwa zu Diabetes und Herzerkrankungen, ist schon sehr viel zu Medikamenten, die das Problem lösen könnten, geforscht worden. Unter anderem wurde bei Mäusen das Gen gefunden, welches für die Fettspeicherung verantwortlich ist, sowie das Protein, das einer Zelle das Signal gibt, sich zu einer Muskel- oder einer Fettzelle auszudifferenzieren.

Durch ein besseres Verständnis dessen, wie Fett eingelagert und wieder verbrannt wird, hofft die Wissenschaft, neue Medikamente zu entwickeln, die diese Probleme zielgerichtet angehen Ein Verständnis davon, was im Körper die Fettverbrennung regelt, ist sicherlich ein entscheidender Schritt zur Entwicklung wirksamer Arzneimittel, meint Ruderman.
->   Effizenter Stoffwechsel ohne Fett-Gen
Doch sind nicht alle Wissenschaftler der Meinung, dass Medikamente die Lösung des Problems sind. Laurel Mellin, Meidziner an der University of San Francisco, meint, es sei klüger, die psychologischen Bedingungen im Umgang mit Ernährungsstörungen zu untersuchen.

"Wenn man mittels Pharmaka den Energiehaushalt manipuliert, funktioniert das immer nur, solange das Medikament verabreicht wird", sagt er. "Und selbst wenn es wirksam sein sollte, heißt das noch lange nicht, dass es auch gesund ist."

(red)

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->   "Zehn Kilo in zehn Tagen"
->   Mehr Fett statt weniger!
Der Artikel erschien in "Science" vom 30. März 2001, Bd.
291, S. 2613, unter dem Titel "Continuous Fatty Acid Oxidation and Reduced Fat Storage in Mice Lacking Acetyl-CoA Carboxylase 2"
->   Zum Artikel (kostenpflichtig)
->   Science Magazine
 
 
 
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01.01.2010