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Auch in Krebsgeweben tickt die Uhr noch richtig  
  Mit Krebsgeschwüren assoziert man gemeinhin unkontrollierte Wucherungen, die Chaos in die wohlgeordnete Welt des Organismus bringen und - im schlimmsten Fall - zu dessen Tod führen. Diese Ansicht ist zwar nicht falsch, aber sie kennt auch Ausnahmen. Zum Beispiel in Bezug auf die innere Uhr: US-amerikanische Forscher haben herausgefunden, dass selbst in Krebsgeweben die physiologische Ordnung nicht völlig aus den Fugen gerät. Denn ihr Wachstum folgt definierten zeitlichen Mustern.  
Wie Shaojin You und seine Mitarbeiter von der University of South Carolina berichten, gehorcht die Aktivierung gewisser Takt-Gene (so genannter "clock genes") auch in Krebszellen einem tagszeitlichen Rhythmus. Daraus erhofft man neue Ansatzstellen für die Krebstherapie zu gewinnen.
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Der Vortrag "Tumor cell circadian clock genes are rhythmically expressed in coordination with rhythmic circadian growth and thereby may represent new therapeutic targets" von S. You, Y. Xiong, M. Kobayashi, P und Mitarbeitern wurde auf der Konferenz "Molecular Targets and Cancer Therapeutics" der American Association of Cancer Research in Boston vorgestellt.
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Medikamente: Wirkung ist zeitabhängig
Grundsätzlich ist es kein Geheimnis, dass gewisse Medikamente zu bestimmten Tageszeiten nicht nur besonders verträglich sind, sondern auch besser wirken.

Solche therapeutischen Ansätze hat man sich auch schon bei verschiedenen Krebsarten zu Nutze gemacht, der Erfolg spricht jedenfalls für sich:

Wie Shaojin You am gegenwärtig stattfindenden Kongress der American Association of Cancer Research berichtet, habe eine solche zeitlich abgestimmte Behandlung etwa bei Gebärmutterkrebs zu einer Vervierfachung der Fünf Jahres-Überlebensrate geführt. Bei Leukämie im Kindesalter liege das Plus immerhin noch bei 40 Prozent.
Mäuse: Tumore wachsen besonders in Aktivitäts-Phasen
Ein guter Grund, den Zusammenhang von innerer Uhr und Krebswachstum einmal auch auf molekularem Niveau zu untersuchen.

Zu diesem Zweck setzten die US-amerikanischen Forscher Mäuse einem Hell/Dunkel-Zyklus mit je zwölfstündigen Perioden aus und injizierten den Nagern 10.000 Brustkrebszellen unter die Haut.

Zunächst zeigte sich, dass das Wachstum des sich daraus entwickelnden Tumors keineswegs zeitlich konstant war. In den Aktivitätsphasen bei Dunkelheit erreichte die Zellteilungsrate fast den doppelten Wert wie in Schlafphasen.
Aktivität der Takt-Gene untersucht
Zudem wurde die zeitliche Aktivität von drei "clock genes" (Bmal-1, per 1, per2) im Tumorgewebe untersucht und mit jener in der Leber verglichen.

Das Ergebnis: Die letzten beiden ließen keine hervorstechende zeitliche Variation erkennen. Bei Bmal-1 war das allerdings nicht der Fall: Hier folgte die Genaktivierung einer klaren circadianen Rhythmik, und zwar sowohl in der Leber, als auch im Krebsgewebe.
->   Mehr zu Clock Genes bei der Max Planck Gesellschaft
Selbst in Tumoren ticken die Uhren noch richtig
Shaojin You und seine Mitarbeiter ziehen daraus den Schluss, dass die innere Uhr der gesunden Organe nicht durch die Anwesenheit von Tumoren aus dem Ruder läuft, und dass auch letztere - zumindest teilweise - eine gewisse zeitliche Organisation beibehalten.

Sicher ist jedenfalls, dass mit diesem Befund das "clock gene" Bmal-1 als mögliches Ziel von Tumorbehandlungen ins Zentrum des Interesses gerückt ist.
Was passiert, wenn die Körperuhr defekt ist?
Gewissermaßen den umgekehrten Weg auf diesem Forschungsgebiet beschritt ein Team um Loning Fu vom Baylor College of Medicine in Houston.

Sie gingen der Frage nach, inwieweit sich die spezifische Ausschaltung von Genen, die mit der Abstimmung zeitlicher Rhythmen betraut sind, auf die Gesundheit auswirkt. Eine erste Antwort darauf lieferte die Gruppe um Fu bereits letztes Jahr im Fachblatt "Cell" ab.
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Die Studie "The Circadian Gene Period2 Plays an Important Role in Tumor Suppression and DNA Damage Response In Vivo" von von Loning Fu et al. erschien in "Cell" (Band 111, S. 41-50, Ausgabe vom 4.10.02)
->   Zum Original-Abstract
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Krebswahrscheinlichkeit steigt
Damals berichteten die amerikanischen Forscher von Mäusen, denen man das Period2-Gen ausgeschaltet hatte, das im Normalzustand an der Kontrolle des 24 Stunden-Rhythmus beteiligt ist.

Wie Bestrahlungsversuche ergaben, entwickelten die dergestalt manipulierten Nager viel eher Tumoren, als dies bei Kontrollgruppen der Fall war.

Der Grund hierfür: Infolge des fehlenden genetischen Taktgebers waren auch zahlreiche andere Tumorsuppressor- und Zellzyklus-Gene völlig dereguliert.
Takt-Gene regeln indirekt DNA-Reparatur
Wie Loning Fu auf dem Kongress in Boston berichtete, kann man daraus den Schluss ziehen, dass die abgestimmte Aktivität der "clock genes" die Reparatur von DNA-Schäden - zumindest mittelbar - regelt und in weiterer Folge der Krebsentstehung entgegenwirkt.

Dies passt auch gut zu einer Veröffentlichung vom Oktober diesen Jahres, bei der ein ähnlicher Zusammenhang untersucht wurde - allerdings nicht auf genetischer, sondern hormoneller Ebene.
->   US-Forscher: Schlaf hilft gegen Krebs
Zukunftsträchtige Chronotherapie
Jedenfalls sei nach Fus Meinung für zukünftige Krebsbehandlungen der Faktor Zeit stärker in den Blickwinkel zu rücken: Ein vielversprechender Ansatz, der auch unter dem Stichwort Chronotherapie bekannt ist.

Robert Czepel, science.ORF.at
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Der Vortrag "Control of DNA damage response by the molecular clock " von Loning Fu, Helene Pelicano, Jingsong Liu und Mitarbeitern wurde ebenfalls auf der Konferenz "Molecular Targets and Cancer Therapeutics" der American Association of Cancer Research in Boston vorgestellt.
->   Zum Abstract Viewer der Konferenz
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01.01.2010