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Auf den Spuren der Geheimnisse der Immunabwehr  
  Den teils höchst raffinierten Mechanismen, wie Menschen und andere Säugetiere permanente Angriffe von krankmachenden Bakterien parieren, sind Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Organische Chemie der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien auf der Spur.  
Gemeinsam mit deutschen und kanadischen Kollegen konnte BOKU-Forscher Paul Kosma mittels Röntgenstrukturanalyse das genaue Aussehen von zwei Antikörpern entschlüsseln, die für die Abwehr so genannter Chlamydien verantwortlich sind.

Die Arbeit wurde in der britischen Wissenschaftszeitschrift "Nature-Structural Biology" veröffentlicht.
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Der Artikel "Germline antibody recognition of distinct carbohydrate epitopes" erschien am 16. November 2003 als Online-Publikation des Fachjournals (doi: 101038/Nsb1014).
->   Abstract des Artikels
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Erreger vieler Krankheiten
Chlamydien sind bakterielle Parasiten, die innerhalb von Zellen des jeweiligen Wirtes leben. Sie können eine Vielzahl von akuten und chronischen Erkrankungen auslösen. So sind etwa 500 Millionen Menschen vor allem in Entwicklungsländern von Infektionen mit Chlamydia trachomatis betroffen.

Der Erreger greift das Auge an und kann zur Erblindung führen. Auch in den Industriestaaten ist Chlamydia trachomatis kein Unbekannter, er wird häufig bei Genitalinfektionen diagnostiziert.

Eine weitere Chlamydienart - Chlamydia pneumoniae - steht im Verdacht, an der Entstehung von Arteriosklerose und Herzerkrankungen beteiligt zu sein.
Oberflächenstruktur entscheidet über erfolgreiche Abwehr
Entscheidend für die Abwehr des Erregers durch einen Wirtsorganismus ist die Oberfläche des Bakteriums. So genannte Antikörper, die vom Immunsystem produziert werden, docken an bestimmten Stellen des Erregers - Antigen genannt - an und machen ihn letztendlich unschädlich.

Im Falle von Chlamydien ist ein Hauptantigen ein Kohlenhydrat, das von den Antikörpern gebunden wird.
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Bild: BOKU
Oberfläche der Chlamydien
Oberflächenstrukturen spielen bei allen Arten von Chlamydien eine wichtige Rolle in unterschiedlichen Phasen des komplexen Entwicklungszyklus. Ein Hauptantigen an der Zelloberfläche ist ein allen Chlamydien gemeinsames Glykolipid, das sowohl für Chlamydienspezifität als auch für immunologische Kreuzreaktionen mit anderen bakteriellen Erregern verantwortlich ist.

Links: Elektronenmikroskopische Aufnahme von Chlamydia trachomatis in einer Fibroblastenzelle (OM = Äußere Membran)
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Die Erzeugung spezifischer Antikörper
Um den genauen Mechanismus dieses Schlüssel-Schloss-Systems auf die Spur zu kommen, wurden mit Unterstützung des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung vorerst alle Varianten von Kohlenhydraten der Zellwand von Chlamydien chemisch synthetisiert und zur Erzeugung und Charakterisierung spezifischer Antikörper eingesetzt.

In internationalen Kooperationen wurden am deutschen Forschungszentrum Borstel größere Mengen von zwei Antikörpern (Proteinen) hergestellt, gereinigt und von einer kanadischen Arbeitsgruppe der Universität Ottawa - teilweise unter Space-Shuttle-Bedingungen - gemeinsam mit den Kohlenhydratliganden zur Kristallisation gebracht.
Wie Chlamydien Strukturen erkennen
Bild: BOKU
Die beiden Antikörper S 25-2 und S 45-18
Die Röntgenstrukturen der Antikörper-Kohlenhydratkomplexe zeigen erstmalig, wie Antikörper Chlamydien-spezifische Strukturen erkennen, aber auch verwandte und allgemein in allen Gram-negativen Bakterien vorkommende Zellwand-Kohlenhydratdeterminanten binden können.

Die beiden erzeugten Antikörper sind einander sehr ähnlich. Einer der Antikörper hat eine sehr breite Wirkung und bindet eine große Palette verschiedener Krankheitserreger aus dem Reich der Bakterien.
Angeborener Abwehrmechanismus gegen Bakterien

Eine kleine Änderung - der Austausch einer einzigen Aminosäure - macht aus dem Breitband-Antikörper einen höchst spezifischen gegen Chlamydien.

"Wir fanden unter anderem heraus, dass diese Antikörper genetisch vorprogrammiert sind, wir besitzen damit sozusagen einen angeborenen Abwehrmechanismus gegen Bakterien", so Kosma. Das bedeutet für den Organismus, dass ein eindringender Krankheitserreger rasch und wirkungsvoll bekämpft werden kann.

Die Ergebnisse der Arbeiten werden darüber hinaus in Zukunft eine verbesserte serologische Chlamydiendiagnostik und neue Perspektiven in der Therapie eröffnen.
->   Universität für Bodenkultur Wien
->   Mehr über Bakterien in science.ORF.at
->   www.innovatives-oesterreich.at
 
 
 
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01.01.2010