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Lehrer-Kritik am Schulprojekt "Letter to the Stars"  
  "A Letter To The Stars" hieß 2003 ein Schulprojekt zur Aufarbeitung der österreichischen Zeitgeschichte: Während die Verantwortlichen schon an einer neuen Veranstaltung arbeiten, äußern Lehrer nun Kritik.  
Nachfolge-Projekt mit Überlebenden
Statt um die von den Nationalsozialisten Getöteten soll es nun um die Überlebenden und deren Nachfahren gehen und Schauplatz das ehemalige Konzentrationslager Mauthausen werden, so die Journalisten Josef Neumayr und Andreas Kuba im Gespräch mit der APA.

Mitte Dezember präsentiert das Duo sein Buch über das erste Schulprojekt - rund um das in der Lehrerschaft allerdings nicht nur Euphorie herrscht, sondern auch Kritik geäußert wird.

Hauptstoßrichtung: es sei nicht Leistbares angekündigt worden, es gehe nur um das medienwirksame Inszenieren von Events, das Projekt lasse an Nachhaltigkeit vermissen, es fehle an Vor- und Nachbereitung.
Die Ziele des Projekts
Am Anfang stand die Zahl 80.000: im Jänner dieses Jahres kündigten die Veranstalter in einer Aussendung an, am 5. Mai würden im Rahmen einer Gedenkveranstaltung am Heldenplatz von Schülern für die 80.000 österreichischen Opfer des NS-Regimes - darunter 65.000 Juden - 80.000 Ballons in die Luft geschickt.

An jeden Ballon werde ein persönlicher Brief an eines der Opfer gehängt, dessen Geschichte im Rahmen des Schulprojekt "A Letter to the Stars" recherchiert und in der Folge auch auf der Projekt-Homepage veröffentlicht werden sollten.
->   Projekt: Schüler forschen über Holocaust-Opfer (20.1.03)
Die Bilanz der Aktion
Rund 40.000 Ballons seien es dann geworden, zieht Neumayr Bilanz. Das weitere Zahlenwerk: 15.000 Schüler habe man erreicht, 550 Schulklassen hätten sich aktiv beteiligt und von den 65.000 jüdischen Opfern - deren Namen hat das Dokumentationsarchiv in jahrelanger Arbeit zusammengetragen und auf einer CD-Rom veröffentlicht - seien auf der Homepage 4.000 Namen für eine Bearbeitung "reserviert" worden.

1.970 Schüler-Briefe seien im Netz zu finden, weitere rund 500 lägen in Papierform vor. Dazu hält Neumayr fest: "Wir haben das Projekt nie als Wettbewerb verstanden, die Qualität stand schon im Vordergrund."
->   15.000 Schüler bei "A Letter to The Stars" (30.4.03)
Zu wenig Zeit für Recherche, mangelnde Nachhaltigkeit
Genau hier setzen allerdings Kritiker an. So sagte etwa Martin Krist, der an der AHS Gymnasiumstraße in Wien Deutsch und Geschichte unterrichtet, gegenüber der APA:

"Man kann solche Lebensgeschichten nicht innerhalb weniger Wochen recherchieren. Von vielen Opfern ist in den Archiven außerdem wenig oder nichts zu finden, das wurde vielfach sowohl von Schüler- als auch von Lehrerseite als extrem frustrierend empfunden."

"Letter to the Stars" fehle die Nachhaltigkeit, betonte Krist, er vermisse ein ausgearbeitetes pädagogisches Konzept. Nebenaspekt: viele Lehrer meinten, wenn sie sich an dem Projekt beteiligen, "haben sie dieses Thema abgehakt, und das auch noch auf eine gute Weise, weil es war ja etwas darüber in den Medien".
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Weiteres Projekt
Krist selbst hat in den neunziger Jahren mit seinen Schülern die Lebensgeschichte der jüdischen Jugendlichen, die einst in der Gymnasiumstraße lernten, erarbeitet - in einem insgesamt dreijährigen Projekt, das schließlich in dem Buch "Vertreibungsschicksale" mündete. Zu lesen ist über dieses Projekt auch auf einer Homepage.
->   www.erinnern.at
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"Von oben verordnet"
Andrea Fraberger, sie unterrichtet ebenfalls Deutsch und Geschichte an der Hauptschule St. Andrä/Wördern in Niederösterreich, kritisierte im APA-Gespräch: "Letter to the Stars" sei "von oben verordnet" worden, Projekte müssten sich aber "von unten entwickeln". Bevor noch die Lehrer involviert worden seien, habe es schon mediale Berichterstattung gegeben.

Verwundert sei sie auch über einen Brief des Bundespräsidenten gewesen, der eines Tages auf ihrem Tisch lag und in dem dieser das Projekt befürwortet habe. Gestört hat Fraberger auch der "Eventcharakter" der Veranstaltung am Heldenplatz.
"Chaos" und "hilflose Kinder"
Harte Worte für das Schulprojekt "Letter to the Stars" findet auch Waltraud Häupl, pensionierte Kunstlehrerin und Schwester eines in der NS-Zeit am Spiegelgrund zu Tode gekommenen Mädchens. Mit ihr haben viele Schüler im Zug des Projekts in ihrer Eigenschaft als Zeitzeugin entweder telefonisch oder sogar persönlich Kontakt aufgenommen.

"Das war ein Chaos, die Kinder waren zum Teil hilflos, es war furchtbar für mich mitanzusehen, wie da 13-, 14-Jährige mit diesen furchtbaren Themen konfrontiert wurden, ohne vorher kindgemäß aufgeklärt zu werden."
Zu teuer?
Häupl findet auch, dass gerade die Aktion am Heldenplatz teuer war, sich aber jede Menge Sponsoren gefunden hätten.

Die Gedenkstätte am Spiegelgrund dagegen sei in einem desolaten Zustand, Schülergruppen würden zwar hingeführt, aber es fehlten sogar so einfache Dinge wie ein Overhead-Projektor oder ein Videogerät.

Josef Neumayr versteht die Kritik nicht und betont, er habe ein durch die Bank positives Feedback von Lehrern bekommen.
Kein "Shoa-Business"
Angesprochen auf die Höhe der Sponsorengelder - auf der Liste finden sich u.a. BA-CA,, Wiener Städtische, Siemens, Mobilkom, die Stadt Wien, OMV, Nationalbank, Magna oder der Verbund - sagt Neumayr, diese Zahl wolle man nicht veröffentlichen. Zur kolportierten Summe von 550.000 Euro sagt Neumayr, der Betrag liege "deutlich darunter".

Und: weniger als ein Viertel der Gelder sei von der öffentlichen Hand gekommen. Finanziert habe man mit den Mitteln u.a. die Veranstaltung am Heldenplatz, aber auch zeitweise bis zu sieben Historiker. Persönliche Bereicherung weist Neumayr ebenso zurück wie "Shoa-Business", ein Vorwurf, mit dem er persönlich bereits konfrontiert gewesen sei.
->   Letter to the Stars
 
 
 
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01.01.2010