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Superfaser Spinnenfaden  
  Die Gewebe der Zukunft könnten nach dem Vorbild der Spinnenfäden hergestellt werden: aus biologisch abbaubaren Fasern, stärker als Stahl und hoch elastisch. Wissenschaftler sind dabei, das Geheimnis der Spinnenfäden zu enträtseln.  
Synthetische Fasern vergrößern Müllberge
Fallschirmseile, feuer- oder kugelsicheres Gewebe, Flugzeugkomponenten und vieles mehr - all das wird heute aus synthetischen Fasern wie Kevlar und Spectra hergestellt. Diese Fasern werden unter extremen, oft umweltverschmutzenden Bedingungen in der Petrochemie produziert. Wenn sie ausgedient haben, tragen sie zur Vergrößerung der Müllberge bei.

Dabei gibt es Fasern, die bei Raumtemperatur und unter normalem Druck hergestellt werden, wieder verwertbar sind und außerdem, obwohl dünner als ein menschliches Haar, stärker als Stahl und elastischer als jede synthetische Faser: die Spinnenfäden.
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Spinnenfäden
Spinnenfäden bestehen aus langen Proteinmolekülen (Seidenproteinen), die, kristallförmig angeordnet, in ein unstrukturiertes, amorphes Trägermaterial eingebettet sind. Die Abschnitte mit hauptsächlich unstrukturiertem Trägermaterial dehnen sich leicht und geben den Fäden ihre Elastizität - die kristallinen Regionen verleihen ihnen die Stärke.
->   Mehr über die Spinnkunst der Spinnen
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Auch bei synthetischen Fasern wie Kevlar sind kristalline Regionen in eine unstrukturierte Trägersubstanz eingebettet. Zu deren Herstellung bedarf es aber hoher Temperaturen, hohen Drucks und stark saurer organischer Lösungsmittel.
Spinnenfäden zuerst zähflüssig
Den Spinnen fällt das Spinnen ihrer Fäden so vergleichsweise leicht, weil sie mit dem optimalen Ausgangsmaterial beginnen: einer Flüssigkeit, in der die Seidenproteine gelöst sind, wie Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe von "Nature" beschreiben (Nature, Vol. 410, 541-548).

Wie jede "normale" Flüssigkeit kann auch dieses Ausgangsmaterial frei durch die Spinndrüsen fließen und braucht nicht - wie bei der Herstellung synthetischer Fasern - durch dünne Öffnungen gepresst zu werden. Die in der Flüssigkeit gelösten Seidenproteine geben der Faser dabei nach und nach ihre Form.
->   Originalartikel "Liquid crystalline spinning of spider silk" von Fritz Vollrath und Phil Knight in "Nature" (kostenpflichtig)
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Faserentstehung in der Spinndrüse
Die Seidenproteine können sich in der Flüssigkeit relativ frei bewegen. Gleichzeitig hängen sie sich aber auch aneinander und richten sich entlang der Achse des entstehenden Fadens aus. Die Kanäle der Spinndrüsen werden zur Öffnung auf den Spinnwarzen hin immer enger, der Faden wird so immer feiner. Durch das Aneinanderhängen und Ausrichten der Seidenproteine gewinnt er zusätzlich an Stärke.
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Etwa 50 Prozent der Ausgangslösung der Spinnfäden bestehen aus Seidenproteinen - erstaunlich viel im Vergleich zu synthetischen Fasern. Eine derart hoch konzentrierte Lösung wäre viel zu viskos für industriell gesponnene Fasern.

Die Wissenschaftler vermuten, dass die Spinnen dieses Problem der Zähflüssigkeit umgehen, indem die Seidenproteine lange Zeit "eingerollt" bleiben, damit die Lösung dünnflüssiger ist. Erst ganz am Ende des Spinnprozesses könnten sie sich der Hypothese zufolge entfalten und aneinander hängen.
Industrielle Spinnfäden
Noch ist es nicht gelungen, industriell Spinnfäden zu erzeugen, die ihren natürlichen Verwandten in allen Eigenschaften das Wasser reichen könnten. Aber die Forschung und Entwicklung läuft, mit verschiedenen Ansätzen, auf Hochtouren.
Gene für Seidenproteine
Die Gene, die die Information zur Produktion der Seidenproteine speichern, sind inzwischen bekannt. Diese Gene lassen sich nun in andere Organismen übertragen, die dann in großen Mengen Seidenproteine produzieren können - zum Beispiel in Pflanzen, wie deutsche Wissenschaftler vor kurzem zeigen konnten.
->   Mehr dazu in science.orf.at.: Fallschirme aus Spinnenfäden?
Die Firma DuPont hält ein Patent auf eine Technik, aus gentechnisch veränderten Seidenproteinen industrielle Fasern zu spinnen. Noch ist der Prozess allerdings nicht ausgereift genug für eine kommerzielle Nutzung.
Spinne und Seidenraupe
Wissenschaftler der Cornell-Universität in New York haben ein System entwickelt, aus einer Kombination von Seidenproteinen der Spinne und der Seidenraupe meterlange Fasern zu spinnen.
Spinnfäden aus Ziegenmilch
Die Firma Nexia Biotechnologies Inc. in Kanada versucht, sich anatomische Ähnlichkeiten der Spinndrüsen und der Milchdrüsen von Säugetieren zu Nutze zu machen. Sie haben Ziegen gentechnisch so verändert, dass sie in ihrer Milch auch Seidenproteine produzieren.

Noch gilt es allerdings herauszufinden, ob diese Proteine auch tatsächlich in ihrem natürlichen Zustand sind und wie sie sich aus der Milch herausfiltern ließen.

Birgit Dalheimer, Ö1-Wissenschaft
->   Nexia Biotechnologies
->   Cornell University
->   DuPont
 
 
 
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01.01.2010