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WU Best Paper Award 2003: Regionale Arbeitslosigkeit  
  Drei Publikationen wurden Ende November mit dem "Best Paper Award" der WU-Wien ausgezeichnet. Ein Preisträgerteam ist dabei der Frage nachgegangen, welche Faktoren regionale Arbeitslosigkeit beeinflussen. In einem Gastbeitrag für science.ORF.at fassen die Ökonomen Harald Badinger und Thomas Url ihre Resultate zusammen. Sie sehen u.a. signifikante Beziehungen zwischen der regionalen Arbeitslosenrate und den Löhnen, den Transaktionskosten, den offenen Stellen sowie dem Anteil von Arbeitnehmern in der Sachgüterproduktion.  
Bestimmungsgründe regionaler Arbeitslosigkeit
Gastbeitrag von Harald Badinger und Thomas Url

Zwei Merkmale des europäischen Arbeitsmarktes stechen ins Auge: Erstens, ist die Arbeitslosenrate in Europa im internationalen Vergleich vergleichsweise hoch. Zweitens, gibt es neben den dramatischen Unterschieden zwischen europäischen Ländern auch innerhalb einzelner Staaten große regionale Schwankungen.

Solche regionale Differenzen sind eigentlich erstaunlich. Die im Vergleich zu den USA relativ höhere Arbeitslosigkeit in Europa wird vor allem durch strukturelle Unterschiede erklärt. Innerhalb ein und desselben Landes sind die meisten der vorgebrachten strukturellen Unterschiede jedoch nicht vorhanden, dennoch schwankt die Arbeitslosigkeit zwischen einzelnen Regionen oft stark.

In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit möglichen Erklärungsgründen für regionale Unterschiede zwischen Arbeitslosenraten.
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Dieser Beitrag beruht auf dem Artikel "Determinants of regional unemployment: Some Evidence from Austria" von Harald Badinger und Thomas Url, der im "Journal of the Regional Studies Association" (Bd. 36, S. 977-988, 2002) publiziert und mit dem von der Stadt Wien gestifteten WU-Best Paper Award 2003 ausgezeichnet wurde.
->   Journal of the Regional Studies Association
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Theoretische Erklärungsversuche ...
Es gibt keine einheitliche, allgemein akzeptierte Theorie zur Erklärung regionaler Arbeitslosigkeit; vielmehr existieren in der Volkswirtschafttheorie eine Reihe verschiedener, teils widersprüchlicher Modelle. Trotzdem lassen sich aus diesen Modellen eine Reihe von Variablen ableiten, die von zentraler Bedeutung sein dürften:

- Lohnunterschiede zwischen den Regionen,
- Transaktionskosten wie etwa die Kosten einer Übersiedlung oder des Pendelns,
- die Wirtschaftsstruktur einer Region,
- so genannte regionale "Annehmlichkeiten" wie etwa die Integration in soziale Netze, saubere Luft oder intakte Umwelt
- sowie die regionale wirtschaftliche Dynamik.
... und ihr Test mit regionalen Daten
Wir untersuchen am Beispiel Österreichs die Rolle der oben erwähnten theoretischen Einflussfaktoren. Die verwendete Querschnittsstichprobe bezieht sich auf Daten aus 72 politischen Bezirken Ostösterreichs aus dem Jahr 1991.

Im Jahr 1991 betrug die österreichische Arbeitslosenrate insgesamt 5,8 Prozent, die regionalen Werte variierten allerdings zwischen 2,1 Prozent und 16,8 Prozent.

Sowohl das Niveau, als auch die regionalen Unterschiede können als repräsentativ für die erste Hälfte der 90er Jahre betrachtet werden. Von insgesamt etwa 40 getesteten Variablen kristallisieren sich einige wenige Einflussfaktoren als statistisch signifikant heraus.
Lohnunterschiede beeinflussen Arbeitslosenrate
Die Lohnunterschiede zwischen Regionen üben einen Einfluss auf die Arbeitslosenrate aus. Dieser Zusammenhang lässt sich mit Modellen der Suchtheorie erklären: Je höher das Lohnniveau in einer Region ist, desto höher sind dort die Opportunitätskosten der Arbeitslosigkeit, d. h. der Verdienstentgang durch Arbeitslosigkeit.

Dadurch ist auch der Anreiz zum Wiedereintritt in den Arbeitsprozess umso größer. Umgekehrtes gilt bei einem geringen Verdienstentgang durch Arbeitslosigkeit. Wie theoretisch erwartet, führte die Bewilligung des Sonderarbeitslosengeldes Ende der 80er Jahre für einige Bezirke über negative Anreizeffekte zu einer Erhöhung der Arbeitslosigkeit.
Ebenso Wohnungsmarkt und Industriebranchen
Bezirke mit einem hohen Anteil an Sozialwohnungen weisen ebenfalls höhere Arbeitslosenraten auf; ähnlich wie ein hoher Anteil an Eigenheimen reduzieren geförderte Wohnungen die Mobilität der Arbeitskräfte und tragen dadurch zu Disparitäten in den regionalen Arbeitslosenraten bei.

Bezirke mit hohem Anteil der verarbeitenden Industrie an der Bruttowertschöpfung weisen ebenfalls höhere Arbeitslosenraten auf; die Abnahme der Bedeutung dieses Sektors, gemeinsam mit einer zu langsamen Anpassung des Humankapitals, führen offenbar zu einer Abweichung des Qualifikationsprofils der Arbeitskräfte vom Anforderungsprofil neu entstehender Jobs.
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Faktor Wirtschaftswachstum
Die Dynamik des regionalen Arbeitsmarktes, gemessen anhand des mittelfristigen Wachstums der Beschäftigung, zeigt wie erwartet einen negativen Einfluss auf die Arbeitslosenrate. Je höher das Wirtschaftswachstum in einer Region ist, desto niedriger ist deren Arbeitslosenrate.

Der Einfluss ist aber relativ klein, was auf eine starke Elastizität des Arbeitskräfteangebots schließen lässt: neue Stellen werden nur zu einem geringen Teil durch Arbeitslose aus der entsprechenden Region besetzt, sondern durch Migration bzw. Pendeln aus anderen Regionen und höhere Erwerbsbeteiligung bisher nicht beschäftigter Personen.
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Die Rolle räumlicher Effekte ...
Mit Hilfe des räumlichen Filters isolieren wir die Rolle rein räumlicher Einflussfaktoren auf die Arbeitslosenrate. Diese Methode lässt sich vage mit der Saisonbereinigung unterjähriger Zeitreihen vergleichen. Die Bedeutung rein räumlicher Effekte geht auf unbeobachtbare Faktoren wie regionale spill-overs, regionenspezifische Annehmlichkeiten und unbeobachtbare Transaktionskosten zurück.
... in der Erklärung regionaler Arbeitslosenraten

Die räumliche Komponente erklärt ein Fünftel der Variation der Arbeitslosenrate zwischen politischen Bezirken Ostösterreichs. Weiters ergibt sich aus der Anwendung dieser Methode auch ein indirekter Hinweis auf die Distanz über die regionale Arbeitmärkte miteinander verknüpft sind.

Im Falle Österreichs sind Arbeitsmärkte auf Entfernungen von ca. 180 km miteinander verbunden. Arbeitsplätze, die mehr als 180 km entfernt sind, dürften zu hohe Transaktionskosten verursachen, sodass der Anreiz zum Pendeln sehr klein ist. Dieses Resultat stimmt auch mit Pendlerstudien überein.
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Weiteres Preisträgerteam
Ein weiteres Preisträgerteam des "Best Paper Award 2003" der WU Wien ging der Frage nach, welche Regelmäßigkeiten in den scheinbar zufälligen Schwankungen von Wechselkursen zu entdecken sind.
->   Wechselkurse unter der Lupe (25.11.03)
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->   WU Wien
->   www.innovatives-oesterreich.at
 
 
 
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01.01.2010