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Früher Vogel verpasst den Wurm  
  Wenn die Natur nicht mitspielt, kann der Preis fürs Brüten hoch sein. Denn Vögel, die auf Grund des Klimawandels zu früh nisten, finden möglicherweise nicht genügend Nahrung, um sich und ihre Brut später durch den Winter zu bringen.  
Klimaerwärmung bringt Vögel zum frühen Brüten
Junge aufzuziehen benötigt Zeit und frisst Energie. Außerdem besteht immer das Risiko, dass ein Geschöpf nicht genügend Futter für sich selbst und seine Jungen findet. Eine Langzeitstudie, die in der jüngsten Ausgabe von "Science" erschienen ist, bringt neue Einsichten über die möglichen kurzfristigen Folgen des globalen Klimawandels.

Die Erderwärmung, so meinen die Autoren, erwische einige Vögel in einem Wettlauf gegen die Zeit, da diese brüteten, bevor die Natur für ausreichend Nahrung gesorgt habe.
Blaumeisen in Montpellier und auf Korsika
In jedem Frühjahr seit den 70er Jahren untersucht Jacques Blondel vom Zentrum für Funktionelle und Evolutive Ökologie in Montpellier, Frankreich, das Brutverhalten der Blaumeisen in den Wäldern nahe seinem Institut sowie auf der Insel Korsika, die sich etwa 125 Kilometer weiter südlich befindet.

Typischerweise brüten die Blaumeisen an den zwei Orten in unterschiedlichen Lebensräumen. Auf Korsika bevorzugen die Vögel die südländischen immergrünen Eichen, während um Montpellier herum vor allem Laubbäume zur Verfügung stehen.

 


Einige Vögel verhalten sich atypisch
Allerdings verhielten sich einige der "kontinentalen" Vögel atypisch: Sie nisteten in den immergrünen Eichenwäldern in der Umgebung Montpelliers - genau wie jene auf Korsika.

Vor vier Jahren nahmen sich Blondel und der Ökologe Donald Thomas von der University of Sherbrooke, Quebec, vor, diese Außenseiter etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
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Den Energiehaushalt bestimmen
Um den Energiehaushalt der Vögel zu bestimmen, injizierten die Wissenschaftler den Vögeln winzige Mengen Wasserstoff- und Sauerstoffisotope. Dann wurden in einem Abstand von 24 Stunden Blutproben entnommen. Aus dem Verhältnis der Isotopenproben konnten die Forscher die Menge an produziertem Kohlendioxid berechnen - und daraus den Energieaufwand ableiten.
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Doppelt so hoher Energieverbrauch
Die Außenseiter-Vögel um Montpellier verbrauchten etwa doppelt so viel Energie zur Aufzucht ihrer Jungen wie ihre korsischen Kollegen. Typischerweise hüpfen brütende Vögel mit einem Energieaufwand herum, der drei bis vier Mal so hoch ist wie im Ruhezustand. Doch diese Blaumeisen bewegten sich sieben Mal so schnell, was sie nicht lange durchhalten können.
Schlechtes Timing
Der Grund dafür sei das schlechte Timing der Vögel, meint Thomas. Die korsischen Blaumeisen brüten im Juni, wenn die neuen Blätter herauskommen und es blätterfressende Raupen im Überfluss gibt.
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Auf dem Festland brüten die meisten Vögel drei Wochen früher, gleichzeitig mit dem Grünen der Laubbäume - und der dortigen Raupenschwemme. Damit ist das atypische Vogelvolk bei Montpellier im Nachteil: Die Bäume knospen noch nicht, und die Raupen sind im Mai noch nicht geschlüpft.
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Verhungern im Winter

Die Vögel, die nicht mit ihrer Nahrungsquelle synchronisiert sind, müssen schließlich viel härter arbeiten. Dadurch verbrennen sie ihre Fettreserven und sind daraufhin im Winter weit anfälliger dafür, zu verhungern, meint Thomas.

Diese neuen Arbeiten "bestätigen, wovon viele Menschen annahmen, es nie zeigen zu können: dass ein zu frühes Brüten auf Kosten der Tauglichkeit geht", sagt Marcel Visser vom Niederländischen Ökologie-Institut in Heteren. Die Arbeit weist darauf hin, dass mit den klimatischen Veränderungen und der damit einhergehenden zeitlichen Verschiebung der Jahreszeiten "immer mehr Vogelvölker sich schlechter an ihre Brutzeit anpassen", meint Blondel.

(red)
Der Artikel erschien unter dem Titel "Energetic and Fitness Costs of Mismatching Resource Supply and Demand in Seasonally Breeding Birds" in "Science" 291: 2.532, 2001 (kostenpflichtig).
->   Zum Originalartikel
->   Science
->   Centre d'écologie fonctionnelle et évolutive, CNRS, Montpellier
 
 
 
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01.01.2010