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Eine Kulturgeschichte der Kulturwissenschaft  
  "Kulturwissenschaften" ersetzen zunehmend die Disziplinen der Human- und Geisteswissenschaften. Der Kulturwissenschaftler Friedrich Kittler legt mit seinem neuen Buch eine
"Kulturgeschichte der Kulturwissenschaft" vor.

 

Friedrich Kittler
"Kulturwissenschaften heißt, gerade das Fremde zu mögen", betont er immer wieder. Doch für die Kulturwissenschaften ist nicht nur kennzeichnend, dass sie das Fremde zu ihrem Gegenstand machen. Es sollte ihnen vielmehr auch darum gehen, einen Blick für die Relativität der eigenen Kultur zu entwickeln. Es geht nicht nur um Wissen, sondern um das Wissen um das Wissen.

Vicos Volte

Giambattista Vico
Beim "Gründungsdokument aller Kulturwissenschaft", Giambattista Vicos "Scienza nova" von 1725, setzen denn auch Kittlers historische Betrachtungen an. Denn mit Vico bekommt die Frage nach dem "Wissen des Wissens" erstmals eine Antwort.

Da Philosophien in ihrem Erkenntnisinteresse notwendigerweise die Kultur übersehen, deren Teil sie selber sind, widmen sie sich lieber dem vermeintlich Unwandelbarem: der Naturerkenntnis.

Vico setzt dem ein Ende und damit zu einem ersten Gegenangriff einer Kulturgeschichte gegen neuzeitliche Naturwissenschaften an. Was Gott geschaffen habe - die Natur, könne nur Gott selbst erkennen.
Auf der anderen Seite vermag nach Vico die menschliche Erkenntnis nur zu erkennen, was von Menschenhand geschaffen und von Menschengeist gedacht ist. Diese Dinge aber sind irdisch, vergänglich und veränderbar, und somit kontingent.

Daraus folgt: alles was für uns selbstverständlich ist - unsere "Sprachen und Sitten" etwa - sind nicht notwendig so, sondern Teil einer historisch-kontingenten Kultur. Dass Probleme in einer anderen, fremden Kultur, anders gelöst werden könnte, gerät somit in den Blick.
->   Vicos Vision
Kulturgeschichte als Bildungsgeschichte
Doch erst Herders These vom exklusiv menschlichen Sprachursprung kann zur Begründung einer Anthropologie dienen. Die zweite Phase der Entwicklung der "Kulturwissenschaften" beginnt Kittler demnach mit Herder, mit dem Kulturgeschichte als Bildungsgeschichte lesbar wird.

Vollendung findet diese Epoche schließlich mit Hegels allgemeiner Ontologie: In der Phänomenologie des Geistes wird der Gegensatz zwischen Kultur und Natur überwunden.

->   Johann Gottfried Herder
->   Georg Wilhelm Friedrich Hegel
->   Phänomenologie des Geistes
Nietzsche und der Kulturrelativismus

Friedrich Nietzsche
Nietzsche markiert eine Wende der Kulturwissenschaft im Zeichen des Kulturrelativismus: Mit ihm setzt die dritte Epoche ein. Authentische Schöpfungen haben ausgedient, denn alles befindet sich in einem ständigen Prozess des "Umschaffens".

->   Friedrich Nietzsche
->   Friedrich Nietzsche - Spuren
Kulturgeschichte als Technikgeschichte
Doch auch der Umgang mit Dingen spielt für die Kulturgeschichte eine Rolle. An Freuds kulturtheoretischem Ansatz, der Nietzsche mehr verdankt als eingestanden wird, kann Kittler zeigen, dass Kulturgeschichte immer auch Technikgeschichte - der Apparate, Waffen und Medien - ist.
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Friedrich Kittler: Eine Kulturgeschichte der Kulturwissenschaft, Wilhelm Fink Verlag, München 2000, 260 Seiten, DM 38,-
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->   Friedrich Kittler
 
 
 
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