Host-Info
Sonja Puntscher-Riekmann
Forschungsstelle für Institutionellen Wandel und Europäische Integration, Österreichische Akademie der Wissenschaften
 
ORF ON Science :  Sonja Puntscher-Riekmann :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
EU-Erweiterung: Östliche und westliche Perspektiven  
  Die aktuelle schwedische EU-Ratspräsidentschaft hat die Osterweiterung zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit erkoren. Die Kommission bewertet den Anpassungsprozess der Kandidaten in Hinblick auf die Transformation ihrer Wirtschaftssysteme, den Aufbau EU-kompatibler Institutionen und die Übernahme des EG/EU-Rechtsbestandes.  
Begeisterung hält sich in Grenzen
Doch trotz der beachtlichen Fortschritte mancher Beitrittsaspiranten wie Polen, Ungarn und Slowenien
hält sich die Begeisterung der Bevölkerung der EU-Mitgliedstaaten in Grenzen. Dies gilt vor allem für Österreich und Deutschland, die bis jetzt größten Profiteure des Falls der Mauer.
EU- Kommissar Verheugen: "Stabilisierung des Kontinents"
Im Rahmen einer Veranstaltungsreihe des an der Berliner
Humboldt-Universität angesiedelten Walter Hallstein-Institutes skizzierte der EU-Kommissar Günther Verheugen am 29. Jänner in großer Nüchternheit Chancen und Risken der EU-Osterweiterung und betonte dabei die Notwendigkeit dieses Unternehmens zur Stabilisierung des Kontinents.
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Erweiterung: Funktion als Katalysator
Die meisten Kritiker der Osterweiterung verstünden nicht, dass gerade die EU eine wichtige Funktion als Katalysator für die Transformation in den Beitrittskandidaten ausübe. Dabei scheute sich der Kommissar nicht, deren Schwächen im Bereich der Administration und der Rechtspflege hervorzuheben.
Doch würden sich gerade diese Probleme nur durch eine Mitgliedschaft lösen lassen. Das gerade in Deutschland und Österreich befürchtete Problem der Freizügigkeit von Arbeitnehmern definiert der Kommissar als ein regionales
und sektorales, das außerdem von begrenzter Dauer sei.
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Institutionenreform ist gefragt
Zugleich unterstrich Verheugen die Dringlichkeit einer Institutionenreform innerhalb der Union, für die der Vertrag von Nizza nur das notwendige Minimum geleistet habe.

Unausweichlich sei, so der Kommissar, die nächsten Jahre der europäischen Verfassungsfrage zu widmen. Aber auch in diesem Zusammenhang sei eine Einbindung der mittel- und osteuropäischen Staaten sinnvoll, würden doch die "Neuen" oft weit integrationsfreundlicher als die "alten" Mitglieder der Union sein.
Eine Tagung in Forli
Dies war denn auch der Tenor einer Tagung der Central European Initiative (CEI) zum Thema "The Post-Communist Transition Ten Years Later", die unter der aktuellen Präsidentschaft Italiens am 2. und 3. Februar in Forli stattfand.
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Central European Initiative
Diese von der österreichischen Bundesregierung nach der Öffnung des eisernen Vorhanges mit geschaffene Initiative zur Heranführung der Visegrad-Staaten an die Union umfaßt heute 17 Staaten. Sie soll einer ausgedehnten Region als Plattform dienen, die nicht nur die aussichtreichsten EU-Beitrittskandidaten, sondern auch Staaten umfasst, die der Union nicht in absehbarer Zeit oder vielleicht nie angehören werden.
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Gräben sind unübersehbar
Doch war in den Wortmeldungen aller Teilnehmer die West-Orientierung unüberhörbar, für die ja auch zum Teil tiefgreifende
Transformationsprozesse in Gang gesetzt wurden.

Aber genauso unübersehbar waren die Gräben zwischen östlichen und westlichen Sichtweisen auf die Errungenschaften der Transformation. So bezweifelte der britische Osteuropa-Experte George Schöpflin, dass dieser Begriff für alle das gleiche bedeute. Sowohl in Hinblick auf den Begriff der Demokratie wie auf jenen der Marktwirtschaft sah er gravierende Differenzen. Ich widersprach dieser Position in meinem Beitrag aus zweierlei Gründen:
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Erstens ist eine vollkommene Konvergenz der wirtschaftlichen Leistungen nicht die bedingungslose Voraussetzung für eine Integration in die Union, denn die Mitgliedstaaten und ihre Regionen weisen selbst bis auf den heutigen Tag erhebliche Unterschiede auf.

Und zweitens ist die demokratische Reife eines Staates das Produkt eines Lernprozesses, der auch in den westeuropäischen Staaten mit autoritärer Vergangenheit mehr als ein Jahrzehnt in Anspruch genommen hat. Die Erfolgsgeschichte dieser Staaten hängt aber auch von ihrer Integration in den europäischen Verbund ab.
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Ausloten von Kooperationen
Das Ziel dieser Veranstaltung war letztlich aber das Ausloten einer
Kooperation von EU-Staaten mit ihren ost- und mitteleuropäischen
Nachbarländern im Rahmen der CEI.

In diesem Sinne strich der italienische Staatssekretär im Außenamt, Umberto Ranieri, die Rolle der CEI im Monitoring-Prozess hervor, während die Vertreter der ost- und mitteleuropäischen Staaten diesem Paternalismus skeptisch gegenüber standen und vor allem für Kooperationen in multilateralen Netzwerken plädierten.
Privilegierte Verhältnisse?
Ob solche regionale Kooperationen zwischen EU-Staaten und Beitrittskandidaten von Erfolg gekrönt sein werden, hängt vom Ziel ab, das sich alle setzen.

Dabei war bemerkenswert, dass manche Vertreter der Anwärterstaaten darauf bedacht waren, sich in einem privilegierten Verhältnis zur EU darzustellen und nicht in einem Atemzug mit den Kollegen von weniger erfolgreichen Staaten genannt zu werden.
 
 
 
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