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Renee Schroeder
Institut für Mikrobiologie und Genetik, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Renée Schroeder :  Leben 
 
Chromosom 5: Genetischer Riese wurde sequenziert
Autoren: Christoph Bayer, Heide-Marie Binder und Marta Ceko
 
  Drei Jahre nach Vollendung des Humanen Genom Projekts wurde das Chromosom 5 fertig sequenziert. Das Chromosom ist ein genetischer Riese, der viele Schlüsselgene für Krankheiten enthält und reich an Information über die menschliche Evolution ist.  
Voraussetzung: Vollendung des Humanen Genom Projekts
Das Humane Genom Projekt (HGP) begann als internationales Forschungsprojekt im Oktober 1990 und setzte sich die vollständige Sequenzierung des menschlichen Erbgutes zum Ziel.

Im Jahr 2001, nach dem Wettlauf von Craig Venters "Celera Corporation" und dem "International Human Genome Sequencing Consortium" (IHGSC), wurde schließlich ein grober Entwurf des menschlichen Genoms veröffentlicht.

Diese Sequenzen haben die molekularbiologische Forschung revolutioniert: Datenbanken mit diesen neuen menschlichen Genomsequenzen wurden teilweise öffentlich zugänglich gemacht.
->   Swiss-Prot Protein Knowledgebase
Überraschung: Mensch hat weniger Gene als angenommen
Zu Beginn des Humanen Genom Projekts hatten die Genetiker die Zahl der Gene auf 100.000 geschätzt. Als vor vier Jahren der erste Entwurf vorgestellt wurde, sollten es noch 30.000-35.000 sein.

Aktuelle Schätzungen sagen eine Zahl von etwa 20.000 Genen voraus. Gefunden wurden bisher ungefähr 19.600 Protein-kodierende Abschnitte sowie um die 2.000 DNA-Segmente, bei denen sich die Forscher noch nicht sicher sind, ob dort Informationen für Proteine kodiert sind - oder ob es sich um eine sinnlose Anhäufung von Information handelt.
->   Chromosomen des Menschen und assoziierte Krankheiten
Wie kam es zur Überschätzung?
Der Anfang eines Gens wird durch ein bestimmtes Basentriplet ("Codon") gekennzeichnet ("Startcodon"), das Ende des Gens genauso ("Stopcodon"). Wenn zwischen Start- und Stopcodon mehr als 50 Codons für Aminosäuren liegen, wird es vorläufig als Gen angesehen.

Dies stellte sich nach gentechnischen Untersuchungen in vielen Fällen als fasch heraus.

Der Entwurf von 2001 enthielt außerdem weitere Fehler und Ungenauigkeiten, die es zu beheben galt.
Hälfte der menschlichen Erbinformation sequenziert
Seither wurden die Chromosomen einzeln, Schritt für Schritt mit den im Zuge des Projekts neu entwickelten Methoden genauer untersucht. Jetzt hat man mit Chromosom 5 die Hälfte der menschlichen Erbinformation sequenziert und annotiert.

Der menschliche haploide Chromosomensatz enthält 22 Chromosomen plus eines der beiden Geschlechtschromosomen X und Y.
->   Mehr zur Haploidie bei Wikipedia
Chromosom 5 unter der Lupe
Das Chromosom 5 ist ein genetischer Riese, der viele Schlüsselgene für Krankheiten enthält und reich an Information über die menschliche Evolution ist.

Die 177,7 Millionen Basenpaaren des Chromosoms 5 enthalten 923 Gene. Davon sind 66 Gene am Verlauf von verschiedenen Krankheiten wie zum Beispiel Darmerkrankungen, Epilepsie, Soto- Syndrom, Leukämie, Muskeldystrophie, Minderwuchs und Asthma beteiligt.

Auf Chromosom 5 befindet sich auch ein Gencluster für Interleukine, wichtige Signalmoleküle des Immunsystems, die auch in der Entwicklung und bei Asthma eine bedeutende Rolle spielen.
->   Mehr zu Chromosom 5 (HUGO)
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Muskeldystrophie
Auf Chromosom 5 befindet sich eine oft duplizierte Region, die die Gene SMN 1 und SMN 2 ("survival of motorneurons") kodiert. Diese sind essentiel für das Aufrechterhalten der muskulären Funktionen. Mutationen in diesen Genen führen zu der spinalen muskulären Dystrophie, Symptome sind schwere Lähmungen.
->   Spinale Muskeldystrophie
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Soto Syndrom: Übermäßiges Schädelwachstum
Eine weitere Krankheit ist das "Soto-Syndrom", das hauptsächlich durch Haploinsuffizienz (Punktmutationen oder Deletion eines Exons) des NSD1 Gens entsteht. NSD1 agiert als Co-Repressor für Gene, die Wachstum im Gehirn stimulieren.

Somit äußert sich diese neurologische Erkrankung in einem übergroßen Schädel mit fortgeschrittenem Knochenalter, die auch zu Geistesstörung führen kann.

Die Entdeckung der genetischen Grundlage erleichtert die Diagnose des "Soto-Syndroms" und hilft, den Mechanismus der Krankheit genauer zu verstehen.
->   Erbkrankheiten auf Chromosom 5 (doc-File bei "Nature")
Chromosom 5 brachte Hinweise auf Evolution des Menschen
Die Sequenzierung von Chromosom 5 brachte Hinweise auf die Evolution des Menschen nach Aufteilung des Stammbaums in die Linien der Menschen und der Schimpansen.

Beide Arten haben zu 99 Prozent gleiche Gene. Allerdings wurde auf dem humanen Chromosom 5 eine Inversion (Verdrehung eines Abschnitts) entdeckt. Diese Mutation verhindert die Chromosomenpaarung nach der Befruchtung, weshalb sie als Ausgangspunkt für die Trennung beider Arten betrachtet werden könnte.
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Ähnlichkeiten zum Hühnerchromosom
Ungefähr ein Drittel des Chromosoms 5 weist Ähnlichkeiten zu dem Hühnerchromosom Z auf, das bei den Hühnern dieselbe Funktion erfüllt wie die Geschlechtschromosome X und Y bei den Menschen.

Diese Tatsache bestätigt die Annahme, dass sich erst ab der Trennung der evolutionären Wege der Vögel und Säugern die Geschlechtschromosomen entwickelt haben.
->   Original-Artikel über das Chromosom 5 in "Nature"
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Chromosom 16 kürzlich sequenziert
Kürzlich ist ein nächster Schritt gelungen: Das U.S Department of Energy Joint Genome Institute (JGI) hat in der Nature Ausgabe vom 23. Dezember 2004 die vollständige Sequenzierung und Analyse des Chromosom 16 präsentiert.

[13.1.05]
->   Original-Artikel über das Chromosom 16 in "Nature"
->   Sämtliche Beiträge von Renee Schröder und Studierenden in science.ORF.at
 
 
 
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