Host-Info
Renee Schroeder
Institut für Mikrobiologie und Genetik, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Renée Schroeder :  Leben 
 
Die Glasdecke für Frauen in den Biowissenschaften  
  Am 22. und 23. Juni 2001 fand am Europäischen Molekularbiologie Labor ein Kongress zum Thema "Die Glasdecke für Frauen in den Biowissenschaften" statt. Dabei wurde eine von der Europäischen Kommission in Auftrag gegeben Studie vorgestellt, die eine Übersicht über den Erfolg und die Chancen von Frauen in den Naturwissenschaften in Europa gibt.  
Deutschsprachige Länder sind sehr frauenfeindlich
Die Ergebnisse sind gespalten. In einigen Ländern wurden Mitte der 90er Jahre Programme etabliert, die den Bedürfnissen der Frauen entgegen kommen. In diesen Ländern ist eine sehr positive Entwicklung festzustellen. Federführend sind hier die skandinavischen Länder.

Auch die universitäre Landschaften Portugals und der Türkei erwiesen sich als sehr frauenfreundlich. In den großen europäischen Staaten Frankreich, Großbritannien und Italien ist der Anteil der Frauen an den Spitzenpositionen niedrig, doch gehören Frauen in diesen Ländern seit jeher zum festen Bestandteil der wissenschaftlichen Elite.

Deutschsprechende Länder schneiden am schlechtesten ab. Hier ist der Prozentsatz der Frauen in der obersten Etage am niedrigsten. Frauen in höheren Positionen sind in der Schweiz, Deutschland und Österreich fast abwesend und nach wie vor Ausnahmeerscheinungen.
Die EMBO als europäische Akademie der Biowissenschaften
Ende der 70er Jahre wurde die Europäische Molekular Biologie Organisation ins Leben gerufen um Europa ein Forum für die besten BiowissenschaftlerInnen zu bieten. Ähnlich wie bei den Akademien der Wissenschaften werden jährlich eine kleine Zahl von Mitgliedern gewählt.

Das Auswahlverfahren ist sehr durchsichtig. Kandidaten werden von einem EMBO Mitglied vorgeschlagen und die Nominierung muss von 6 EMBO Mitgliedern unterstützt werden, von denen drei aus dem Heimatland des Kandidaten und drei aus anderen EMBO Mitgliedstaaten sein müssen. Alle Mitglieder erhalten die Wahlvorschläge und können die gewünschten Kandidaten ankreuzen. Diejenigen welche die meisten Stimmen erhalten sind die neuen Mitglieder.
Österreicherinnen sind bei EMBO führend
Die EMBO hat etwas über 1000 Mitglieder. Der Anteil an Frauen beträgt 12%. Der Anteil der in Österreich tätigen EMBO Mitglieder (das Land in dem die Mitglieder arbeiten ist relevant, nicht deren Staatsbürgerschaft) ist 2%, was genau dem Anteil Österreichs an der EMBO entspricht.

Der Anteil der Frauen die in Österreich arbeiten und EMBO Mitglieder sind ist 30%. Das finde ich besonders erfreulich und lässt Hoffnung aufkommen, dass sich unsere wissenschaftliche Landschaft in baldiger Zukunft ändern wird.
Die österreichische Akademie der Wissenschaften ist weltweit Schusslicht!
In der weltweiten Statistik über die Mitgliedschaft von Frauen in den Akademien stellt Österreich einen traurigen Rekord auf. In der Schule für Mathematik und Naturwissenschaften hat die Österreichische Akademie der Wissenschaft keine Frau als ordentliches Mitglied. (Die Anzahl der Frauen ist NULL!).
Es gibt einige ganz wenige korrespondierende Mitglieder die Frauen sind, doch nehmen korrespondierende Mitglieder nicht Teil an der aktiven Gestaltung und haben keine Entscheidungsmacht.

Es stellt sich sofort die Frage was denn der Unterschied zwischen EMBO und der österreichischen Akademie der Wissenschaften ist. Ein Unterschied ist sicherlich, dass die Schule für Mathematik und Naturwissenschaft einen größeren Kreis an Fächern beherbergt und dass weniger Platz für die modernen Biowissenschaften vorhanden ist
Die Akademie rekrutiert ihre Mitglieder aus dem Kreis der ordentlichen Professoren
Ich habe mehrere ordentliche Mitglieder der Akademie zu diesem Thema befragt. Keiner will zugeben, dass Frauen in der Akademie unerwünscht sind oder gar diskriminiert werden. Es hänge rein vom Aufnahmeverfahren ab. Und hier ist auch wirklich das Problem. Da die Kandidaten fast ausschließlich aus dem Kreis der ordentlichen Universitätsprofessoren stammen, und in diese Kreise Frauen nach wie vor der Zutritt verwehrt bleibt, wird sich in Zukunft für die Akademie auch wenig ändern.

Das Aufnahmeverfahren ist nicht so durchsichtig wie bei der EMBO und die Aufnahmekriterien hängen nicht ausschließlich von der wissenschaftlichen Leistung ab. Um in die Akademie aufgenommen zu werden, muss eine längere Phase des Lobbyings stattfinden und was schlussendlich entscheidet ist doch Männerfreundschaft.
Der Widerstand der Professoren Frauen zu berufen ist nach wie vor enorm
Ich habe in den letzten 10 Jahren in denen ich auf der Universität Wien tätig war, sowohl als Kommissionsmitglied als auch als Bewerberin auf eine Professur traurige Erfahrungen gemacht. Es ist nach wie vor leichter einen mittelmäßigen Mann als eine exzellente Frau zu berufen. Die Methoden des Widerstands kennen keine Grenzen.

Die Frauen verzichten auf die Berufung wenn der Widerstand gegen sie groß genug ist. Männerfreundschaften sind nach wie vor das führende Auswahlkriterium. Die Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften der Universität Wien hat über 110 Professoren, darunter ist nur eine Frau. Die hohe Anzahl an EMBO Mitgliedern zeigt aber eindeutig, dass es nicht an Frauen mangelt, die für eine Professur bestens geeignet wären. Auffällig ist, dass mehrere männliche Professoren an der Wahl zum EMBO Mitglied gescheitert sind.
Die jetzige Regierung macht es den Frauen noch schwerer
Das Kindergeld welches von der freiheitlich/christdemokratischen Regierung eingeführt wird, zeigt sehr deutlich welche Rolle den Frauen zugeteilt wird: die nicht-arbeitende Mutter oder die Mutter die nicht mehr als 200.000 Schilling im Jahr verdienen darf. Das macht etwa 11.500 im Monat netto. Welcher Mann geht für so wenig Geld arbeiten? In welchen Berufen wünscht sich die Regierung die Frauen? Einer Dissertantin die monatlich 13.000 netto verdient bleibt das Kindergeld verwehrt!!! Soviel zum Wunsch der Regierung, daß Frauen Akademikerinnen und Mütter werden.

Das neue Dienstrecht ist für Mütter ungeeignet, denn in der zweiten Säule sind nur sechs Jahre vorgesehen um im Ausland Erfahrung zu sammeln (2-3 Jahre Post-doc), eine eigene selbständige Forschungsgruppe aufzubauen und sich zum Professor zu profilieren. In diesem extrem engen Altersfenster für die zweite Säule wird sich eine Mutterschaft nicht ausgehen!! Frauen die sich zur Mutterschaft entscheiden, haben pro Kind mindesten 5 Jahre lang weniger Zeit für die Wissenschaft. Ich selbst habe nach der Geburt meiner zwei Kinder ein fünfjähriges Publikationsloch, welches fast meine Karriere beendet hätte.
Was sollten wir Frauen fordern, damit wir uns in der akademischen Welt wohler fühlen
Der britische Wellcome trust hat einen Forderungskatalog aufgestellt, der den Bedürfnissen der Frauen sehr entgegen kommen.

1. Als wichtigste Maßnahme sollen Altersgrenzen für Bewerbungen abgeschafft werden, da diese besonders Mütter benachteiligen.

2. Es sollte verhindert werden dass mittelmäßige Männer befördert werden, denn diese sind das eigentliche Problem. Durch Freundschaft erworbene Stellen verpflichten zur Dankbarkeit und zur Gegenleistung. Die wissenschaftliche Leistung muss das einzig entscheidende Kriterium sein.

3. Kindergärten am Arbeitsplatz sind der entscheidende Ansporn zur Mutterschaft, nicht das Kindergeld (das ergab eine schwedische Studie).

Wenn allein diese drei simplen Forderungen eingehalten würden, hätten wir bald ein mit erfolgreichen Frauen bevölkertes wissenschaftliches Umfeld.
->   Die ETAN Studie der Europäischen Kommission:
->   EMBO
->   Österreichische Akademie der Wissenschaften
 
 
 
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