Host-Info
Renee Schroeder
Institut für Mikrobiologie und Genetik, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Renée Schroeder :  Wissen und Bildung 
 
Gedanken zur universitären Dienstrechtsreform  
  Die Regierung will dieses Jahr das alte gescheiterte deutsche Dienstrecht in Österreich einführen. Warum kopieren wir nicht das erfolgreiche amerikanische Model?  
Die traurige Lage an den deutschen Universitäten
In Deutschland gibt es schon seit Anfang der 80er Jahre den Wegwerfassistenten. Ein junger Assistent darf 5 Jahre an der Uni bleiben, dann muss er die Universität verlassen, um an einer anderen Professor zu werden (Ortswechsel ist zwingend, mit oder ohne Familie!).

Da es jedoch viel weniger Professorenstellen als Assistenten gibt, bleibt der Großteil auf der Strecke. Professorenstellen werden viel eher an Max Planck-Angestellte oder an Forscher, die an reinen Forschungsinstituten arbeiten vergeben.

Die Folge sind Privatdozenten, die ohne Gehalt arbeiten (die Frau ist Lehrerin, der Forscher Idealist), "braindrain" in die USA, Abschied von der Wissenschaft und sogar Selbstmord. "Die deutschen Unis gehen den Bach runter": Zitat eines deutschen Profs. Daher mein Rat an die Zuständigen: unbedingt Deutschlandtournee machen!
Zwei Typen von Uniprofessoren
Es gibt nach meiner Erfahrung zwei Typen von Professoren an den Unis.

1. Erfolgreiche und gute Wissenschaftler die sich, ganz nach dem amerikanischen Model, mit dynamischen, unabhängigen Gruppenleitern umgeben und dann ein motiviertes dynamisches Institut leiten.

2. Erfolglose und schlechte Wissenschaftler, die aus eigener Kraft keine Forschungsmittel rekrutieren können und daher Dienstposten der Universität statt mit erfolgreichen selbständigen Assistenten mit Dissertanten und Postdocs besetzen und diese zwingen, für sie zu arbeiten.

Das Ergebnis ist ein lahmes und leeres Institut, das weder in der Lehre noch in der Forschung Erfolge verbuchen kann. Dann gibt es natürlich die Hybridform: Der erfolgreiche Ordinarius, der das ganze Institut für sich arbeiten lässt.
Die Folgen des neuen Dienstrechts
Die Lehrqualität wird abnehmen, da nur wissenschaftliche Publikationen bewertet werden.

Fehlbesetzungen von Professuren werden fatal sein! Da die neuen Professoren viel jünger sein werden und da es keine erfahrenen Dozenten mehr geben wird, wird nach einer Fehlbesetzung ein Institut ca. 30 Jahre lahmgelegt.

Für Frauen wird Mutterschaft und akademische Karriere nicht mehr möglich sein. Da die Profilierungsphase sehr kurz und genau in die Zeit der Kindererziehung fällt, wird keine Mutter auf der Uni überleben. Es schaffen jetzt schon nur 2-5 Prozent den Durchbruch durch die Glasdecke.

Was sich jetzt schon an den "Top"forschungszentren heraus kristallisiert, ist, dass Wissenschaftlerinnen als Technikerinnen für ihre Männer arbeiten. Durch den Ortswechsel sind sie froh, überhaupt eine Arbeit zu finden. Geht die Beziehung zu Ende ist der Job auch gleich weg (super!).
Die Pragmatisierung an den Unis ist nicht notwendig
Die Pragmatisierung von Beamten ist nur dort SEHR WICHTIG, wo Beamte unbeeinflusst handeln müssen, ohne die Drohung einer Entlassung, falls sie nach dem Gesetz (aber nicht nach der Vorstellung des Vorgesetzten) handeln. Ein Universitätsprofessor oder Assistent hat keine Entscheidungen zu treffen, die so wichtig sind, dass eine Pragmatisierung erforderlich wäre.

Ausserdem muss es in Zukunft notwendig sein, Uniangestellte, die nichts tun, zu entlassen. Fast jedes Institut hat so ein "Fossil"....
Für DissertantInnen sind keine Uni-Planstellen notwendig
Doktorarbeiten sollen mittels Stipendien und mittels geförderter Projekte bezahlt werden, wie es der FWF bereits tut. Das garantiert auch Qualität und verhindert, dass ein Typ 2-Professor eine Planstelle halbiert, mit DissertantInnen besetzt und an Projekten arbeiten lässt, die eine Begutachtung nicht überstanden haben. Hierfür brauchen die Universitäten aber ein besseres Stipendiensystem.
Das amerikanische Model
In den USA werden "tenure track"-Positionen an junge WissenschaftlerInnen erst dann vergeben, wenn sie erfogreich promoviert und vier bis fünf Jahre erfolgreich "gepostdoct" haben. Wenn sie dann in der Selbständigkeit erfolgreich waren, bekommen sie "tenure", das heisst einen offenen Vertrag.

Die hierachische Struktur, die in Europa überall zu finden ist, gibt es in den US kaum. Da die Wissenschaft auch ein Geschäft mit der Eitelkeit ist, ist es nicht motivierend, wenn der Chef die Lorbeeren einkassiert.
 
 
 
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