Host-Info
Renee Schroeder
Institut für Mikrobiologie und Genetik, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Renée Schroeder :  Medizin und Gesundheit 
 
Kongress in Wien: Neues aus der Welt der RNA  
  Vom 1. bis 6. Juli 2003 wird der 8. Kongress der RNA Gesellschaft nun zum ersten Mal in Wien stattfinden. Rund 900 Wissenschafter aus der ganzen Welt treffen sich, um die neuesten Erkenntnisse auf dem Gebiet der RNA auszutauschen. Die letzten Jahre haben wahrlich eine Fülle von Überraschungen gebracht, die ganz neue Sichtweisen über die Biologie entwickeln. Die heißesten Neuigkeiten, welche auf dem Kongress zu erwarten sind, möchte ich hier kurz erwähnen.  
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Die RNA Gesellschaft
Vor 10 Jahren wurde die RNA Gesellschaft gegründet, um den Wissensaustausch zwischen den Wissenschaftern auf allen Gebieten der RNA-Forschung zu fördern. Die Gesellschaft gibt ein eigenes wissenschaftliches Journal heraus und organisiert jährlich einen Kongress. Die in Wien ansässigen RNA-Forscherinnen Andrea Barta und ich sind die lokalen Organisatorinnen der diesjährigen Veranstaltung, welche im Reed Messe Kongress Zentrum im Wiener Prater stattfinden wird.
->   Der RNA-Kongress 2003
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RNA, die andere Nukleinsäure
Mittlerweile weiß jeder, was DNA bedeutet, nämlich Desoxyribonukleinsäure. Wenige wissen jedoch, dass es noch eine andere Nukleinsäure gibt, die RNA, einfach Ribonukleinsäure. Während die DNA für die Speicherung der genetischen Daten aller Lebewesen verantwortlich ist, hat die RNA eine Vielfalt von verschiedenen Aufgaben.

Wenn die Information, die auf der DNA gespeichert ist, gebraucht wird, also in den Arbeitsspeicher übertragen wird, muss diese in RNA umgeschrieben werden. Die RNA enthält die Information für eingeschaltete Gene, ist also die aktive Form des Gens, während die DNA die passive Form darstellt.

Die RNA hat aber noch sehr viele andere Funktionen und immer neuere Überraschungen sorgen für einen richtigen "Boom" in der RNA Forschung. So waren für das "Science Magazine" die neuentdeckten microRNAs der wissenschaftliche Durchbruch der Jahres 2002 (Science, 20. Dezember 2002).
Neue RNA Moleküle im genomischen Müll?
Als vor zwei Jahren die erste unvollständige Version der humanen Genomsequenz veröffentlicht wurde, war eines der Hauptüberraschungen die geringe Anzahl von Genen, die gefunden werden konnte. Nur etwa 1,5 Prozent des Genoms schien für sinnvolle Genprodukte zu kodieren. Soll der Mensch wirklich nicht viel mehr Gene haben als die Fruchtfliege oder ein kleiner Wurm?

Die RNA Forschung hat dazu zwei neue Gesichtspunkte entwickelt: Erstens, eine unerwartet hohe Anzahl von Genen kodieren nicht für Proteine (Eiweiße), sondern für funktionelle RNA Moleküle, auch "nicht-kodierende" RNAs genannt. Diese Gene konnten mit den Bioinformatikprogrammen, die im Jahre 2000 zur Verfügung standen, nicht gefunden werden. Deren Zahl wird auf mehrere Tausend geschätzt.

Zweitens, wenn ein Gen eingeschaltet und in RNA umgeschrieben wird, kann diese RNA eine Vielzahl von Veränderungen erfahren, die dazu führt, dass aus einem Gen verschiedene Genprodukte hergestellt werden können. Aus unseren 30-40.000 Genen können wir wahrscheinlich mehr als 100.000 Genprodukte herstellen.
"Nicht-kodierende" RNAs
Im Jahr 2002 wurden über 1.000 Gene in Bakterien, in der Fruchtfliege, in Pflanzen und im Menschen gefunden, die für kleine circa 70 Basen lange RNA Moleküle, micro RNAs genannt, kodieren. Diese winzigen RNAs werden dann noch weiter verkleinert, sodass sie nur mehr 21-23 Basen "kurz" sind und sie haben eine enorme Wirkung: Sie können Gene, die ihre komplementäre Sequenz haben, ausschalten.

Zwei Halbtage auf der RNA Konferenz sind diesen kleinen RNAs gewidmet: David Bartel, vom MIT in Cambridge USA, wird eine Reihe von Vorträgen leiten, die den Mechanismus der Stilllegung, auch "RNA Silencing" genannt, untersuchen. Dieser Mechanismus betrifft so unterschiedliche Prozesse wie die Stilllegung des zweiten X-Chromosoms bei Frauen, die embryonale Entwicklung beim Wurm, die Kontrolle der Gendosis bei Pflanzen, Zellwachstum und Verhinderung des Zelltods in der Fruchtfliege, um nur einige zu nennen.
"RNAi", eine zukünftige Therapie?
RNAi, steht für "durch RNA-bedingte Interferenz" und ist die Kurzbezeichnung für die Stilllegung von Genen durch kleine RNAs. Dieser Mechanismus hat enorme Erwartungen erweckt: die Hoffnung, dass mit dieser Technik Heilungsmethoden für Krankheiten entwickelt werden können, die dadurch entstehen, dass Gene zu stark exprimiert werden.

Die Entdeckung dieses Mechanismus hat auch zur Gründung neuer Biotechfirmen geführt, die nun kleine siRNAs (small interferring RNAs) designen, um effiziente und gezielte "Genterapie" ohne DNA zu entwickeln. Diese Technik könnte es möglich machen, Gene in ihrem Verhalten zu steuern ohne das genetische Material zu verändern.
Neue RNA-bindende Antibiotika
Ein weiterer Höhepunkt des RNA Kongresses wird die Vergabe des "Life Achievement Awards" der RNA Gesellschaft an Harry Noller sein. Freitag Abend findet ein Festvortrag statt, in dem Harry Noller von der Universität Californien in Santa Cruz, uns über das Ribosom erzählen wird.

Das Ribosom ist eine Protein-produzierende Maschine, deren RNA Komponenten die Arbeit ausführen. Viele Antibiotika greifen die RNA des Ribosoms an und verhindern dadurch das Wachstum bakterieller Zellen. Die Aufklärung der Ribosomenstruktur hat auch dazu geführt, dass nun besser verstanden wird, wie Antibiotika das Ribosom still legen.

Auch verstehen wir jetzt, wie die Resistenzmechanismen gegen diese Antibiotika funktionieren und es gibt dann wieder Hoffnung auf die Produktion einer weiteren Generation von synthetischen Antibiotika, die hoffentlich den Resistenzmechanismen entkommen werden.
->   RNA Gesellschaft
->   Journal "RNA"
 
 
 
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