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Heinz Slupetzky
Fachbereich für Geographie und Geologie der Universität Salzburg
 
ORF ON Science :  Heinz Slupetzky :  Umwelt und Klima 
 
Gletschertagebuch 2004  
  Im Vorjahr habe ich ein "Gletschertagebuch" geführt und über den Sommer berichtet, wie es den Gletschern ergangen ist. Hauptsächliches "Studienobjekt" war das Stubacher Sonnblickkees (Gemeinde Uttendorf, Hohe Tauern). Schon im Juni 2003 zeichnete sich ab, dass der Sommer Rekordverluste von Eis bringen könnte. Dies stellte sich als richtig heraus. Wie wird es den Alpengletschern heuer ergehen?  
Der Winter endete nur scheinbar besser
Bei einem langjährig bestehenden Messpunkt beim Stubacher Sonnblickkees lagen am 1. April 2004 vier Meter Schnee und am 1. Mai 4,1 Meter, d.h. es gab in diesem Monat keinen Nettoschneezuwachs wie sonst.

Auch der heuer vom Wettercharakter gänzlich unterschiedliche Mai mit Schneefällen im Gebirge brachte im Vergleich zum heißen Vorjahresmonat überraschenderweise für die Gletscher keinen Vorteil: Am 1. Juni zu Beginn des meteorologischen Sommers, lagen an der Messstelle 3,2 m Schnee, d.h. nur um 30 Centimeter mehr als letztes Jahr nach dem sehr warmen Mai.

Die Wetterlagen im Frühjahr, die häufig feuchtkühle atlantische Luft an die Alpen heranführten, ergaben zumindest in den Zentralalpen keinen entsprechenden Zuwachs für die Schneedecke.

Man muss sich vorstellen, dass es in manchen Jahren Anfang Juni 5 bis 6,5 m Gesamtschneehöhe gab! (Wie etwa1965, '67, '75, '78, '79, '80: Alle diese Jahre endeten mit einem positiven Haushaltsjahr, d.h. mit einem Nettomassenzuwachs am Ende des Sommers.)
Die Pasterze "schwitzt" als erste
 
Bild: Heinz Slupetzky

Pasterze und Großglockner am 5. Juni 2004

Der größte Gletscher Österreichs, die Pasterze in Kärnten im Nationalpark Hohe Tauern, begann wieder früh auszuapern, d.h. an der Gletscherzunge war Anfang Juni an einigen Stellen der Winterschnee schon abgeschmolzen und das blanke Eis kam zum Vorschein.

Die erste "richtige", aber kurze Hitzewelle in der 2. Juniwoche beschleunigte die Abschmelzung, erstmals wirkte sich das Azorenhoch stärker aus. Im Gegensatz zum Vorjahr scheint sich - zunächst - nicht ein stabiles Hoch über Mitteleuropa aufzubauen, sondern es erfolgen immer wieder Unterbrechungen durch kältere Luftmassen.

Und die bringen Neuschnee auf den Gletschern, der wegen des hohen Rückstrahlungsvermögens die Abschmelzung von Altschnee und Eis der Gletscher nachhaltig unterbricht.
Wie kann es weitergehen?
Vorsichtige Vermutungen, der Winter 2003/04 und das Frühjahr 2004 könnten feuchter und eher kühl werden, haben sich bewahrheitet. Der Grund könnte der sein, dass sich im Vorjahr der Nord-Atlantik im Sommer nicht erwärmt hat, sondern - im Vergleich zur Periode 1961-90 - bis über einen Grad zu kühl blieb.
->   Rekordsommer könnten in Europa zur Regel werden (12.1.04)
"Chance" auf milden Sommer
Der Winter 2003/04 brachte jahreszeitlich bedingt eine weitere Abkühlung des Meeres. Wenn die "Chance" auf einen wettermäßig unbeständigeren und nicht mehr so heißen Sommer wie in den vergangenen Jahren und besonders im Vorjahr besteht, so könnte dies heuer der Fall sein. Der kühle Atlantik wäre dafür die gegebene Voraussetzung.
Eis-Bilanz? Alles ist möglich
Das würde den Gletschern "gut tun". Aber die Bilanz wird Ende des Sommers gezogen: Wie viel ist vom Winterschnee in den Nährgebieten zurückgeblieben und wie viel Eis ist im Vergleich dazu abgeschmolzen? Fast jedes Ergebnis ist möglich.

Das lässt sich an der Messreihe vom Stubacher Sonnblickkees seit 1959 zeigen. Es gab ein Jahr, da lagen an dem erwähnten Schneemesspegel am 1. Juni auch nur 3, 20 Meter Schnee, und das Gletscherhaushaltsjahr endete mit einem Massenzuwachs, weil der Sommer kühl war.

Und es kamen Jahre vor, da war die Gesamtschneehöhe am 1. Juni 4 bis 5 Meter, aber die Bilanzen waren doch negativ; es kann gar nicht soviel Schnee am Ende des Winters auf den Gletschern liegen, dass in einem heißen Sommer nicht alles wieder wegschmilzt.

Die nächte Tagebuchseite folgt im August - dann kann man schon besser abschätzen, wie es den Gletschern heuer ergehen wird.
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