Host-Info
Heinz Slupetzky
Fachbereich für Geographie und Geologie der Universität Salzburg
 
ORF ON Science :  Heinz Slupetzky :  Umwelt und Klima 
 
Gletschertagebuch 2005: Schlechte Sommer-Aussichten  
  Der heurige Winter hinterließ den Eindruck, schneereich und kalt gewesen zu sein. Was die Gletscher betrifft, so muss man jedoch relativieren, denn die größten Schneemenge wurden im Nordalpenbereich und im Westen verzeichnet, die Zentralalpen dagegen bekamen weniger ab.  
Defizit an "Winter"-Schnee im Norden aufgeholt
Am Stubacher Sonnblickkees (bei der Rudolfshütte in den Hohen Tauern) lagen am 1. April in 2530 m Seehöhe an einem langjährigen Messpunkt nur 3,30 m Schnee, das ist weit unter dem Durchschnitt (1999: sogar 6,30 m!).

Die doch unbeständige Witterung im Mai und Juni mit heuer wieder akzentuierten Kaltlufteinbrüchen (Eismänner, Schafskälte) brachten Neuschnee im Gebirge bis tief herab, dieser verzögerte die Abschmelzung der Winterschneedecke, sodass das Defizit an "Winter"- Schnee in den Hohen Tauern einigermaßen aufgeholt wurde.
Wärmere Witterungsphasen schädlich
Trotzdem reichten wärmere Witterungsphasen im Mai aus, dass am 1. Juni 2005 am Stubacher Sonnblickkees nur 2,90 m lagen, gleich viel wie 2003, dem Jahr mit einem Rekordverlust der Gletscher bis zum Ende des Sommers. Gegenüber dem langjährigen Mittel 1973 bis 2004 von 3,70 m ist das um 0,8 m weniger.

Der Vernagtferner in den Ötztaler Alpen hatte Anfang Juni um 40 Prozent weniger Schnee (Kommission für Glaziologie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften). Nicht nur, dass die Schneefälle (z. B. im März) von den Nördlichen Kalkalpen abgehalten wurden und nur in abgeschwächter Form zu den Zentralalpen gelangten, auch vom Süden fehlte der Niederschlag ("Mittelmeertief", "Genuatief")
Die Pasterze im Mai und Juni 2005
 


Die Pasterze begann Ende Mai auszuapern, dass heißt die Winterschneedecke schmolz ab und Eis kam zum Vorschein. Das ist etwas früher als im Vorjahr.
->   Gletschertagebuch 2004
Pasterze und Großglockner am 29.5.2005
Die "etwas vorgezogene" Schafskälte bremste zunächst noch die Abschmelzung an der Gletscherzunge der Pasterze, ab 19. 6. begann jedoch eine Schönwetterperiode. Die Ausaperung schritt voran, mehr und mehr wurde Eis freigelegt.
Pasterze und Großglockner am 19.6.2005
 


Das Stubacher Sonnblickkees im Juni 2005
Das höher gelegene Sonnblickkees "profitierte" mehr als die Pasterze von den Neuschneefällen, daher war der Gletscher wenig ausgeapert, trotzdem zeigten sich die ersten aperen Eisbuckel an der Gletscheroberfläche.
Das Stubacher Sonnblickkees am 21. 6. 2005
 


Frühsommerliche Hitzewelle erst am Anfang ?
Die sehr warme Wetterperiode, die am Beginn des astronomischen Sommers einsetzte, lässt die Gletscher "gehörig schwitzen". In Teilen Südeuropas herrscht eine Hitzewelle, das Azorenhoch wirkt bis Mitteleuropa und subtropische Verhältnisse stellen sich ein.

Die Altschneedecke des Winters wird rasch abgebaut, je mehr Eis dann der Sonne und der Schmelzung ausgesetzt ist, umso stärker geht es an die "Substanz" des Gletschers.
Dabei ist dies möglicherweise erst der Anfang. Das Hoch über Mitteleuropa könnte sich wie im Sommer 2003 immer wieder regenerieren.
Lostag am 5. Juli
Der Siebenschläfer-Lostag wird spannend. Nachdem dieser eigentlich auf den 5. Juli fällt (und nicht aufgrund der Kalenderreform der 27. Juni ist), wird es sich zeigen: Herrscht am 5.7. Schönwetter, kann das sieben Wochen anhalten. Diese Regel hat eine 80 prozentige Eintrittswahrscheinlichkeit (wie ich vor kurzem in Ö1 hörte!).

Schon jetzt liegen die Tiefdruckbahnen nördlich über Skandinavien, nach Mitteleuropa reichen nur schwache Ausläufer der Fronten oder Randtiefs, die zu Gewittern führen, aber nicht zu einer nachhaltigen Wetterumstellung.
Schlechte Vorzeichen
Nimmt man die von der NASA vor Monaten erstellte Prognose, der Sommer könnte heißer werden wie 2003, als weiteres Indiz, stehen die Vor-/An-Zeichen für die Gletscher schlecht.

In jedem Fall hat der Sommer ja erst begonnen, die Monate Juli und August können erhebliche Abschmelzbeträge an den Gletschern bringen, und wenn im September bis in den Oktober hinein noch keine Kaltlufteinbrüche kommen, ist die kumulative Wirkung der Eisabschmelzung perfekt.

Die bisherige und derzeitige Situation weist mehr auf neuerliche Massenverluste (und Längenverluste) hin als auf eine Trendwende und Erholung der Gletscher.

[27.6.05]
->   Alle Beiträge von Heinz Slupetzky
 
 
 
ORF ON Science :  Heinz Slupetzky :  Umwelt und Klima 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick