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Heinz Slupetzky
Fachbereich für Geographie und Geologie der Universität Salzburg
 
ORF ON Science :  Heinz Slupetzky :  Umwelt und Klima 
 
Gletschertagebuch 2007: Negativrekord an Schneehöhe  
  In den vergangenen Jahren haben Österreichs Gletscher stets an Masse verloren. Der Trend scheint sich auch heuer fortzusetzen: Anfang Mai lag auf den Salzburger Gletschern so wenig im Winter gefallener Schnee wie schon lange nicht. Je weniger "Altschnee" liegt, desto früher schmilzt das Eis der Gletscher.  
Viel zu wenig Niederschlag
Bild: G. Frühwirt
Der vergangene Winter war eigentlich schon der erste Frühling und der gegenwärtige ist der zweite.

Milde und überdurchschnittliche Temperaturen, wie sie seit Monaten auftreten, haben im Winter an und für sich keine Auswirkungen auf den Gletscher: Im Hochgebirge liegen die Temperaturen fast immer unter dem Gefrierpunkt, es gibt keine wesentliche Schmelzung.

In dieser Zeit geht normalerweise die jahreszeitlich bedingte winterliche Massenzunahme vor sich. Entscheidend ist, dass es heuer viel zu wenig Niederschlag bzw. Schnee gab.

Bild rechts: Das Obersulzbachkees gegen den Großvenediger -keine geschlossene Schneedecke mehr; blanke, spaltenreiche Eisbuckel.
Frühe Schnee- und Eisschmelze
 
Bild: G. Frühwirt

Gletscherbach des Obersulzbachkeeses

Schon im April setzte eine nachhaltige Schneeschmelze ein, die Gletscherbäche führen Wasser wie sonst erst im Mai.

Heuer stimmt einmal die Textpassage von Reinhard Fendrichs Song, denn normalerweise " ... schmilzt das Eis ... so wie am Gletscher im April ..." nicht schon um diese Zeit.
Minimale Schneehöhen
Am 1. Mai lagen am Stubacher Sonnblickkees im Weißseegebiet in den Hohen Tauern am Gletscher an der Messstelle in 2.505 Meter Seehöhe nur 2,20 Meter Altschnee. Das ist der niedrigste Wert seit 1964.

Die bisherigen geringsten Schneehöhen waren 2,60 bis 3,00 Meter. Gegenüber der durchschnittlichen Schneedecke der letzten zehn Jahre liegen heuer um 2,1 Meter weniger. Gar nicht so selten waren in der Messreihe die Werte am 1. Mai über fünf Meter, 1979 sogar fast unglaubliche 7,80 Meter.

Die Messungen erfolgen in Zusammenarbeit mit dem Hydrographischen Dienst Salzburg.
Schneehöhen am Stubacher Sonnblickkees (2505 Meter)
 
Grafik und Quelle: Heinz Slupetzky

Angaben in Zentimeter, gemessen jeweils am 1. Mai;
2007: 2,20 Meter Altschnee (rot) gegenüber einer Rekordhöhe von 7,80 Meter im Jahr 1979 (blau)
Voraussetzung für den Sommer
In den vergangenen zehn Jahren seit 1998 wurden am 1. Mai immerhin Schneehöhen zwischen vier und 5,5 Meter gemessen. Die warmen Sommer haben aber alles wegschmelzen lassen, sodass das darunter liegende Gletschereis schmolz.

Es ging deutlich mehr an Masse verloren als dazukam: Der Gletscher hatte jährlich immer eine mehr oder weniger negative Massenbilanz. Der Sommer ist also entscheidend: Es kann gar nicht so viel Schnee am Ende des "Winters" (Ende Mai) am Gletscher liegen als in einem heißen Sommer weg schmilzt.

Die Startbedingungen sind heuer für die Gletscher ausnehmend schlecht. Wenn nur die halbe Zeit im Mai und Juni warm bzw. heiß ist, sind die gut zwei Meter Altschnee am Stubacher Sonnblickkees vom 1. Mai schon bei Sommerbeginn weg.
Verlust an Eismasse auch 2007?
Die Kombination aus sehr wenig Schnee im Winter und einem heißen Sommer ist für die Gletscher ungünstig.

Wenn aber die sommerliche Abschmelzperiode zusätzlich vorher durch einen warmen Frühling und nachher einen schönen Herbst wochenlang verlängert wird, wäre ein extremer Massenverlust die Folge.
Prüfstein für alpine Wasserreserven
 
Bild: G. Frühwirt

Schon jetzt wird das Gletscherende aper und es entsteht wieder ein See davor.

"Die erste Chance ist schon verpasst", nur ein kalter und verregneter Sommer könnte den Gletschern noch "helfen". Es deutet aber viel mehr auf eher warme Zeiten, wenn man den Langzeitprognosen glaubt.

Ein neuerlicher Massenverlust und wieder eine Verkleinerung der Gletscher sind ein wahrscheinliches Szenario; besonders dann, wenn ein Sommer wie 2003 folgt, der zum bisherigen Rekordmassenverlust der Gletscher geführt hat. Noch dazu begann heuer die Abschmelzung schon früh im April, im Jahr 2003 dagegen erst im Mai.

Die Gletscherbilanz wird immer am Ende des Sommer gezogen: Bis dahin bleibt es (nicht nur für die Gletscherforscher) spannend: Das Jahr kann - zumindest in einigen Regionen - zu einem Prüfstein für die Auswirkungen auf die alpinen Wasserreserven in einem wärmeren Klima werden.

[7.5.07]
->   Gletschertagebuch von Heinz Slupetzky 2003-2007
 
 
 
ORF ON Science :  Heinz Slupetzky :  Umwelt und Klima 
 

 
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