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Heinz Slupetzky
Fachbereich für Geographie und Geologie der Universität Salzburg
 
ORF ON Science :  Heinz Slupetzky :  Umwelt und Klima 
 
Gletschertagebuch 2008: Keine Trendumkehr  
  Die seit Jahren anhaltende Tendenz zu negativer Bilanzen der Alpengletscher hielt auch heuer an. Die meisten verloren wieder an Masse, außer kleine, hochgelegene Gletscher. Insgesamt war der Verlust aber nicht allzu groß.  
Die Bilanz vom Stubacher Sonnblickkees
Gegen Mitte September waren die Gletscher sichtbar stark ausgeapert, d.h. die Akkumulationsflächen mit dem Rest vom Winterschnee 07/08 waren relativ klein und komplementär die Eisflächen relativ groß.

Die (berechnete) Grenze zwischen dem Akkumulations- und dem Ablationgebiet lag beim Sonnblickkees bei 2.900 m, also nahe am oberen Rand des Gletschers.
Verlust von einer Million Kubikmeter Masse
 
Bild: Heinz Slupetzky

Das St. Sonnblickkees am 6. Sept. 2008. Nur wenige Flecken an Altschnee (weiß) sind zurückgeblieben.

Der Gletscher verlor im Haushaltsjahr 2007/08 exakt eine Million Kubikmeter an Masse. Über den ganzen Gletscher gemittelt bedeutet das heuer einen Dickenverlust von nicht ganz einem Meter Eis.

Damit war der Massenabbau deutlich weniger als im Vorjahr (minus 2,9 Millionen Kubikmeter) und lag auch unter dem jährlichen mittleren Verlust seit 1982 von minus 1,8 Millionen Kubikmeter.
Begründung der diesjährigen Bilanz
Aufgrund des schneereichen Aprils im Hochgebirge wurde am 1. Mai auf dem Sonnblickkees eine überdurchschnittliche Schneedeckenhöhe gemessen. Lange blieb das nicht so, denn die allgemein warmen Monate Mai und Juni führten zu einer starken Schneeschmelze.

Immerhin war aber die Schneehöhe Anfang Juli um über einen Meter mehr als im Vorjahr. Damit war eine der Voraussetzungen für einen starken Massenverlust nicht gegeben, nämlich schon zu dieser Zeit stark ausgeaperte Gletscher.

Für den Sommer hatte die Langfristprognose der Meteorologen gelautet: im Durchschnitt eher warm, aber nicht außergewöhnlich heiß. Die Vorhersage stimmte. Die Monate Juli und August waren normal bis leicht übernormal temperiert. Als Folge davon hielten sich die Abschmelzbeträge in Grenzen. Am benachbarten Ödenwinkelkees war die Abschmelzung weniger als die Hälfte des Vorjahres.
Verkürzte Abschmelzung
 
Bild: Heinz Slupetzky

Der vergrößerte Untere Eisboden-See und die Felsinseln im Gletscher

Was aber für die Gletscher noch von Bedeutung war: Heuer gab es den ein oder anderen sommerlichen Schneefall, nicht ergiebig, aber so, dass die Neuschneedecke den Ablationsprozess eine zeitlang unterbrach.

Wie schon in den vergangenen Jahren schneite es im Gebirge im September schon bald, sodass die Abschmelzung, die bis in den Frühherbst dauern kann, heuer wieder verkürzt war und somit kein weiterer Massenverlust stattfand. Endgültig beendet war das Haushaltsjahr heuer am 15. September 2008.
Längerfristige Auswirkungen am St. Sonnblickkees
 
Bild: Heinz Slupetzky

Neuschnee am St. Sonnblickkees Ende August

Wie nun schon bekannt und seit Jahren zu beobachten, kommt zum Faktor Abschmelzung (durch die Sonneneinstrahlung) von oben ein weiterer dazu: Die Unterhöhlung der Gletscherkörper von unten durch die Gletscherbäche, dort, wo Seen entstehen, der rasche Verlust an Eis durch Kalben und der Eiszerfall in der Umgebung von freiwerdenden Felsinseln und -stufen.

Rund 30 Millionen Kubikmeter Eis des Stubacher Sonnblickkeeses sind seit 1982 abgeschmolzen. Das ist im Mittel eine Eisschicht von 25 Metern über den ganzen Gletscher (1,35 Quadratkilometer), das entspricht etwa der Höhe eines achtgeschossigen Gebäudes.
Laserscannen
 
Bild: Heinz Slupetzky

Mit modernen Laserscan - Messmethoden werden die Veränderungen am Sonnblickkees erfasst und dokumentiert (die Auswertungen sind noch im Gang).
Allgemeiner Gletscherrückgang
 
Bild: Heinz Slupetzky

Eissee am Hochfilleck in 2902 m Seehöhe. Der Eisdamm wird immer niedriger und der Seespiegel sinkt seit Jahren ab.

Die warmen Witterungsphasen im Sommer haben genügt, dass die Gletscher "wieder auf der Verliererstraße" (Gletschertagebuch 1. Teil vom 30.6.08) waren. Die Ergebnisse stehen noch aus, aber große Gletscher dürften deutlich negativ bilanziert haben, mittelgroße mäßig negativ und nur hochgelegene kleine Gletscher waren ausgeglichen bis leicht positiv.

Es fällt weniger ein einzelnes Rekordjahr (wie 2003) ins Gewicht, vielmehr ist es die Summenwirkung - negativen Massenbilanzen viele Jahre hintereinander: Dieser kumulative Vorgang macht sich bei allen Gletschern bemerkbar.

Was die Längenänderung betrifft, so liegen die Ergebnisse des Messprogramms des Österreichischen Alpenvereins noch nicht vor. Die meisten Gletscher sind wohl wieder zurück geschmolzen.

[17.11.08]
Die Gletscherbilanzen der vergangenen Jahre:
->   2007: Nahe dem Rekordjahr 2003
->   2006: Fortsetzung des bisherigen Trends
->   2005: Keine Trendwende
 
 
 
ORF ON Science :  Heinz Slupetzky :  Umwelt und Klima 
 

 
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