Host-Info
Heinz Slupetzky
Fachbereich für Geographie und Geologie der Universität Salzburg
 
ORF ON Science :  Heinz Slupetzky :  Umwelt und Klima 
 
Die Hundstage setzen den Gletschern zu  
  Mit den "Hundstagen" setzt(e) sich die Zeit des sehr warmen Wetters fort. Am Sonntag, dem 27. Juli, dem bisher heißesten Tag in Österreich, lag die Nullgradgrenze bei 4.400 bis 4.500 Meter, d.h. dass gerade noch am Gipfel des Mt. Blanc mit 4.807 m geringe Minustemperaturen herrschten.  
Die letzen zwei Wochen ging auch in der Nacht die Abschmelzung auf den Gletschern weiter.
Sonnblickkees: 60 Zentimeter weniger Eis
Bild: Heinz Slupetzky
Das Stubacher Sonnblickkees Ende Juli
Nach der kurzen Abschwächung der Gletscherschmelze hat das Stubacher Sonnblickkees im Oberpinzgau bei der Rudolfshütte, Gemeinde Uttendorf, ca. eine Million Kubikmeter an Masse verloren, das ist eine - auf den 1,5 Quadratkilometer großen Gletscher gleichmäßig verteilt gedachte - Schicht von 60 Zentimeter Eis, die abschmolz.

Die Ausaperung des Gletschers zeigt, dass über 2.850 Meter Seehöhe im "Nährgebiet" nur mehr geringe Flächen vom Winterschnee bedeckt sind. Ein Vergleich des Fotos vom Sonnblickkees von Ende Juli mit dem von Anfang Juli lässt das Abschmelzen der Schneedecke und die Vergrößerung der Eisflächen gut erkennen.
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Seit Anfang Juli berichtet Heinz Slupetzky für science.ORF.at über den Zustand der österreichischen Gletscher:
Kurze Abschwächung der Gletscherschmelze (21.7.03)
Wie steht es um Österreichs Gletscher? (8.7.03)
Mehr über das Gletscher-Tagebuch in science.ORF.at (3.7.03)
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Obersulzbachkees schmilzt auch "von unten"
Bild: Heinz Slupetzky
Die Gletscherzunge des stark abgeschmolzenen Obersulzbachkeeses (die Eiswand an der Gletscherstirn ist ca. zehn bis 15 Meter hoch)
Das Obersulzbachkees in den westlichen Hohen Tauern in der Gemeinde Neukirchen am Großvenediger zeigt die Auswirkungen der Hitze ganz drastisch. Nicht nur dass die Abschmelzung sehr groß ist, gleichzeitig unterhöhlt seit einigen Jahren ein Gletscherbach die Gletscherzunge.

Durch die warme Luftströmung, die durch die Tunnel und Gänge fließt, schmilzt das Eis auch von unten. Dort, wo die Eisdecke zu dünn wird, brechen die Höhlen zusammen. Es entstehen große kraterähnliche Löcher, an deren Grund sich das Gletscherwasser seeartig ausbreitet. Das Obersulzbachkees verliert daher besonders stark an Masse.
Fast nur Schmelzwasser ohne Niederschlagswasser
 
Bild: Heinz Slupetzky

Gletscherhöhle im Obersulzbachkees (ca. acht Meter hoch!)

Bei diesem Gletscher wird seit Jahren der Abfluss in einem rund 20 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet, in dem die Gletscher ca. 80 Prozent der Fläche ausmachen, gemessen; die Messstelle wird vom Hydrographischen Dienst des Landes Salzburg betreut.

Zur Zeit der größten Wasserführung fließen pro Sekunde 15 Kubikmeter talwärts. Es ist fast nur Schmelzwasser ohne Niederschlagswasser. In den letzten 15 Jahren gab es im Juli nur zwei mal so hohe Abflussmengen, d.h. es ist durchaus ein nicht so häufiges Ereignis.
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In der Stunde machen 15 Kubikmeter pro Sekunde rund 50.000 Kubikmeter aus. Das ist der durchschnittliche Zweitages-Trinkwasserverbrauch einer Stadt wie Salzburg (155.000 Einwohner)!
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Ausaperung weiter fortgeschritten als üblich
Das Stubacher Sonnblickkees ist jetzt schon stark ausgeapert d.h. es sind nur mehr kleine Flecken von Altschnee im "Nährgebiet", aber umso größere Flächen mit blankem Eis im Zehrgebiet vorhanden.

Schon jetzt sind dieselben Verhältnisse erreicht wie im Vorjahr erst Mitte September. So früh waren die Gletscher (in den Alpen) schon lange nicht mehr vom Winterschnee entblößt und große Eisflächen der Abschmelzung ausgesetzt.
Dunkelgrauer Schmutz wird sichtbar, ...
Die Wirkung des Wüstenstaubs vom November des Vorjahres nimmt insoferne ab, da die Schneedecke, auf deren Oberfläche er liegt, nunmehr verschwindet.

Trotzdem gibt es einen Verstärkungseffekt der Abschmelzung. Gletschereis ist im Vergleich zu Schnee relativ dunkel und absorbiert daher viel Strahlung. Weiters wird jetzt immer mehr ein dunkelgrauer bis schwarzer Schmutz auf den Gletschern sichtbar, der auf den älteren Firnschichten liegt und auch stellenweise am Eis.
... der Abschmelzung weiter verstärkt
Natürliche (zusammen mit den vom Menschen verursachten) Verunreinigungen, die mit dem Niederschlag aus der Atmosphäre ausgewaschen werden, Gesteinstaub aus der Umgebung usw. "verschmutzen" jährlich die Schneeoberfläche ein wenig.

Durch die starke Abschmelzung der älteren Schnee- und Firnschichten in den letzten zwei Jahrzehnten summiert sich nun der Schmutz vieler Jahresschichten; und wirkt dadurch ebenso abschmelzverstärkend.
Die "weiteren Aussichten"?
Bild: Heinz Slupetzky
Der an der rechten Seite eingebrochene Gletscher (Obersulzbachkees)
Wenn der August und September nur "normales" Wetter bringen und in diesen acht Wochen nur vier so warm sind wie die vergangenen zwei, so verliert das Stubacher Sonnblickkees weitere zwei Millionen Kubikmeter an Masse.

Damit wäre der bisherige Rekordverlust eines Jahres seit Beginn der direkten Messungen (im Rahmen der Massenbilanzmessungen von der Universität Salzburg aus) von 3,3 Millionen Kubikmeter eingestellt. Sollte es wettermäßig "schlimmer kommen", würde sich der Massenverlust der Gletscher dem Rekordjahr 1947 (im Zeitraum der vergangenen 100 Jahre) nähern.

Das "Tagebuch der Gletscherschwindsucht" wird fortgesetzt. Für Spannung ist gesorgt!
 
 
 
ORF ON Science :  Heinz Slupetzky :  Umwelt und Klima 
 

 
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