Host-Info
Helge Torgersen
Institut für Technikfolgen - Abschätzung, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien
 
ORF ON Science :  Helge Torgersen :  Gesellschaft .  Umwelt und Klima 
 
Soziale Nachhaltigkeit - Schwerpunkt ohne Gewicht  
  In der Diskussion um nachhaltige Entwicklung wird den sozialen Aspekten zunehmend Bedeutung beigemessen. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass dieses Thema im Denken der beteiligten Akteure noch nicht fest verankert ist. Auch die Programmgestaltung der internationalen Konferenz "Von Ökoeffizienz zu Nachhaltiger Entwicklung in Unternehmen", die jüngst in Düsseldorf stattfand, machte dies deutlich.  
Dimensionen der Nachhaltigkeit
Lange Zeit wurde das Thema Nachhaltigkeit "eindimensional" behandelt: Die Umwelt und ihre Belastungen standen bei allen Diskussionen und Forderungen im Vordergrund. Der Aspekt der Durchsetzbarkeit von Regelungen, Gesetzen und Vereinbarungen bei den Verursachern forderte jedoch auch die Auseinandersetzung mit ökonomischen Fragen.
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Das 3-Säulen-Modell
Das Modell beruht auf der Annahme, dass eine nachhaltige Entwicklung nur stattfinden kann, wenn alle wichtigen Aspekte bei der Formulierung eines Zieles berücksichtigt werden. Das heißt in diesem Fall:
  • Ökologische Dimension (Umweltaspekte im weitesten Sinne)
  • Ökonomische Dimension (oft als ökonomische Machbarkeit interpretiert)
  • Soziale Dimension (oft lokale Ansätze)
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Die soziale Dimension ...
Nachhaltige Entwicklung betrifft aber nicht nur Gruppen wie Wissenschaft, Industrie und Gewerbe, sondern auch KonsumentInnen oder ArbeitnehmerInnen als einzelne Menschen. In diesem Zusammenhang wurde in letzter Zeit die Wichtigkeit der Einbeziehung sozialer Themen in die Diskussion erkannt.
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Soziale Dimension der Nachhaltigkeit
Die soziale Dimension der Nachhaltigkeit wurde ursprünglich global definiert.
Die wichtigsten Komponenten sind:

Integration: Anerkennung kultureller Unterschiede statt Ausgrenzung, Vernetzung

Dauerhaftigkeit: Sicherung des sozialen Friedens, Bildung, Sicherheit, Risikovermeidung

Verteilungsgerechtigkeit: zwischen den Generationen (Altersversorgung, Familienunterstützung), innerhalb der Generationen (sowohl national zum Beispiel zwischen reich und arm, als auch international zum Beispiel zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern)

Partizipation: Mitsprache, Mitentscheidung von Betroffenen
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... findet keinen Eingang
Die Ansätze beschränken sich jedoch zumeist auf soziale Fragestellungen in Bezug auf die MitarbeiterInnen im unmittelbaren Umfeld. Eine konsequente Analyse der Produkte auf soziale Nachhaltigkeit entlang des gesamten Lebenszyklus finden keinen Eingang in die Erstellung von Konzepten. Diese müsste sehr viel mehr beinhalten als lokale Arbeitsbedingungen, zum Beispiel soziale Bedingungen am Ort der Rohstoffförderung, oder an ausgelagerten Produktionsstandorten. Auch die Auswirkungen auf soziale Strukturen durch eine Auslagerung, sowohl am neuen als auch am alten Standort, sind wichtige Fragen.
Es handelt sich hier also um ein relativ neues Themenfeld, dessen Inhalte noch nicht klar formuliert sind, und das oft auch noch nicht als selbstverständlicher Teil der
Diskussion gesehen wird. Als Illustration dazu kann das Programm der internationalen Konferenz "Von Ökoeffizienz zu Nachhaltiger Entwicklung in Unternehmen" dienen.
Soziale Nachhaltigkeit im Rahmen der Düsseldorfer Konferenz
Die Themen der einzelnen Referate machten deutlich, dass der Schwerpunkt weiterhin auf ökologischen Themen wie Abfallvermeidung, Ressourceneffizienz oder Kreislaufschließung liegt. Soziale Nachhaltigkeit wurde zwar in den Einleitungsvorträgen der einzelnen Sitzungen als sehr wichtig genannt, jedoch in den weiteren Beiträgen nicht behandelt. Für soziale Fragestellungen, die ja eigentlich eine Querschnittsmaterie darstellen und überall thematisiert werden sollten, gab es eine eigene Sitzung und nur dort wurde näher darauf eingegangen.
Ist abfallfreie Kinderarbeit nachhaltig?
Dass soziale Themen noch nicht selbstverständlicher Teil des Denkens der beteiligten Akteure sind, zeigte der Vortrag eines Vertreters eines namhaften Sportartikelherstellers. Einige Tage zuvor war es weltweit zu Protesten gegen Kinderarbeit und Ausbeutung in den Produktionsstätten dieses Herstellers gekommen. Das Referat handelte jedoch ausschließlich von der abfallfreien Herstellung von Sportschuhen und wurde vom Publikum mit Applaus und ohne jede Frage zur sozialen Nachhaltigkeit der Produkte des Unternehmens hingenommen.



(SSch)
 
 
 
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