Host-Info
Reinhold Wagnleitner
Institut für Geschichte, Universität Salzburg
 
ORF ON Science :  Reinhold Wagnleitner :  Gesellschaft 
 
Globalisierung auf einen Blick  
  Das Phänomen der Globalisierung ist gewiss viel älter, als viele Kommentatoren heute annehmen; zweifellos aber hat es in den letzten fünfhundert Jahren durch den europäischen Kolonialismus maßgeblich an Beschleunigung gewonnen, um sich dann besonders in den letzten fünfzig Jahren mit immer rasenderer Geschwindigkeit weiter zu entfalten.  
Der Gipfel der Amerikas
Nachdem am 22. April 2001 gerade der Gipfel der Amerikas in Québec mit der Unterzeichnung eines Abkommens zur Schaffung der größten Freihandelszone der Welt ab 2005 durch 34 politische Führer der westlichen Hemisphäre zu Ende ging, ist es an der Zeit, ein im letzten Jahr erschienenes Buch von Hilary French zur Lektüre zu empfehlen.
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Vanishing Borders
Hilary French, Vanishing Borders: Protecting the Planet in the Age of Globalization (New York: W.W. Norton Company, 2000)
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Die Autorin Hilary French, die am Worldwatch Institute in Washington das Global Governance Project leitet, legt mit dieser hervorragend recherchierten und gut lesbaren Studie eine der besten Einführungen zum Themenkomplex Globalisierung und Umwelt vor.
->   Globalization and Governance
Unbehagen an der Globalisierung
Für alle, die sich immer wieder fragen, was es mit den ständigen Demonstrationen bei den Treffen der Welthandelsorganisation und mit dem wachsenden Unbehagen an der "Globalisierung" auf sich habe, bietet Frenchs Studie einen ausgezeichneten Einstieg. Sie stellt akribisch dar, wie die rasante Zunahme des internationalen Handels, Waren- und Dienstleistungsaustausches auch alle Umweltfragen internationalisierte, mit massiven Eingriffen in die Bereiche der Öko- und Biosphäre.

Schon ein kurzer Blick auf die von Hilary French eindrucksvoll zusammengestellten ökonomischen Basisindikatoren gibt eine bemerkenswerte Übersicht über einige der entscheidendsten zeitgeschichtlichen Veränderungen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Die Indikatoren: Welthandel
Zwischen 1950 und 1958 stieg der Güterexport 17fach, von 311 Milliarden auf 5.400 Milliarden Dollar, während sich die Wirtschaft global nur versechsfachte. Besonders bemerkenswert: auch der Export von Dienstleistungen stieg ständig, von 467 Milliarden Dollar 1980 auf 1.300 Milliarden 1997. Diese Ausfuhr von Dienstleistungen macht daher bereits ein Fünftel des totalen Welthandels aus.
Private Investitionen und Kapitalströme
Zwischen 1970 und 1998 stiegen weltweit direkte Auslandsinvestitionen von 44 Milliarden auf 644 Milliarden Dollar. Der Kapitalstrom in die Entwicklungsländer alleine verelffachte sich zwischen 1970 und 1998 von 21 auf 227 Milliarden Dollar. Ein Trend ist dabei besonders aufschlussreich: der Anteil des Privat-Kapitals, das in dieser Zeit in die Entwicklungsländer floss, verdoppelte sich und beträgt nun bereits 88 Prozent am Gesamtvolumen.
Transnationale Konzerne
Von 1970 bis 1998 wuchs global die Anzahl transnationaler Konzerne von ca. 7.000 auf geschätzte 53.600, mit ungefähr 449.000 ausländischen Tochterfirmen. Das Verkaufsvolumen der transnationalen Konzerne außerhalb ihrer Ursprungsländer wächst um 20 bis 30 Prozent schneller als ihre Exporte, und die Verkaufszahlen und Dienstleistungen der ausländischen Tochterfirmen, die 1997 auf 9.500 Milliarden Dollar geschätzt wurden, übertreffen die Gesamtsumme der weltweiten Exporte bereits um fast 50 Prozent.
Schiffsverkehr
Zwischen 1955 und 1998 erhöhte sich die Tonnage von per Schiff transportierten Gütern um das sechsfache auf 5.100 Milliarden Tonnen. Außerdem sanken die Schiffstransportkosten pro Einheit zwischen 1920 und 1990 um 70 Prozent (in 1990 Dollar).
Luftverkehr
Zwischen 1950 und 1998 nahmen die internationalen Passagier-Kilometer um fast das 100fache, von 28 Millionen auf 2.600 Milliarden, zu. Auch die Luftfracht wies in diesem Zeitraum mit einem Anwachsen von 730 Millionen auf 99 Milliarden Kilometer-Tonnen eine ähnlich expansive Entwicklung auf. Dagegen fielen die durchschnittlichen Profite pro Meile Lufttransport zwischen 1930 und 1990 von 65 auf 11 Cent.
Tourismus
Zwischen 1950 und 1998 stieg der internationale Tourismus um das 25fache, von 25 auf 635 Millionen. Ca. zwei Millionen Menschen überqueren heute (legal) internationale Grenzen, während es dazu im Vergleich 1950 nur 69.000 Menschen gewesen waren.
Flüchtlinge
Zwischen 1961 und 1998 wuchs die internationale Zahl der von der UNO anerkannten Flüchtlinge um das 16fache, von 1,4 auf 22,4 Millionen Menschen. Heute beträgt die totale Zahl der Flüchtlinge, inklusive aller versetzter Personen, Asylwerber und flüchtlingsähnlicher Personen, weit über 56 Millionen Menschen (die Dunkelziffer mag weit höher liegen).
Telephone
Zwischen 1960 und 1998 stieg die Zahl der Telephonanschlüsse im globalen Netzwerk (ohne Handys) um das achtfache, von 89 auf 838 Millionen. In den Entwicklungsländern nahm die Zahl der Anschlüsse pro 100 Einwohnern von einem im Jahre 1975 und zwei im Jahre 1985 auf sechs im Jahre 1998 zu. Dagegen sanken die durchschnittlichen Kosten eines dreiminütigen Telephonates zwischen New York und London von 244,65 Dollar im Jahre 1930 auf 3.32 Dollar im Jahre 1990 (in 1990 Dollar).
Internet/Computer
Seit 1995 wuchs das Internet ungefähr um 50 Prozent pro Jahr, nachdem es sich bereits in den 15 Pionierjahren vorher jedes Jahr mehr als verdoppelt hatte. Waren 1996 30 Millionen Menschen online, so sind es jetzt mehr als 400 Millionen.

Allerdings sind das noch immer weniger als sieben Prozent der Weltbevölkerung, einer von vierzig Menschen. Und die riesigen regionalen Missverhältnisse bei den unterschiedlichen Online-Dichten dokumentieren zwar, dass das World Wide Web tatsächlich ein weltweites Netz darstellt.

Dieses Netz, in dem sich einerseits manche fangen lassen, hat andererseits aber bislang die große Mehrheit der Weltbevölkerung ausgeschlossen. Und dieser Zustand wird sich auch, trotz rasanten Wachstums in China und Brasilien, nicht so rasch ändern. Ein Beispiel möge genügen: in ganz Afrika südlich der Sahara existieren weniger Telephonanschlüsse als in Manhattan.

Immerhin, die Kosten pro Computer-Einheit fielen zwischen 1960 und 1990 um 99% (in 1990 Dollars).
->   NUA Web Surveys
Nongovernmental Organizations (NGOs)
Diesen Missständen nehmen sich immer mehr regierungsfreie Organisationen an. Denn auch die Zahl der NGOs (die zumindest in drei Ländern operieren) wuchs zwischen 1956 and 1998 23fach, von nur 985 auf geschätzte 23.000. Mittlerweile hat der Non-Profit-Sektor in zahlreichen Staaten immerhin einen Anteil von durchschnittlich 5-6 Prozent der nationalen Wirtschaft und beschäftigt 5 Prozent aller Beschäftigten.
Der Zustand der Welt 2001
Das Worldwatch Institute zählt selbstverständlich selbst zu den führenden NGOs. Sein soeben publizierter Zustandsbericht der Welt 2001 dokumentiert nicht nur, wie der wirtschaftliche Boom der letzten Dekade immer mehr Ökosysteme gefährdet.

Er zeigt auch, dass die sichtbare Verschlechterung der Umweltsituation nur die Spitze des Eisberges noch viel gefährlicher Probleme darstellt: nämlich der rapide wachsenden Ungerechtigkeiten bei der Verteilung des Wohlstandes und der Einkommen zwischen verschiedenen Regionen und innerhalb einzelner Staaten ebenso, wie des dadurch entstehenden massiven Druckes in Richtung gewaltsamer Veränderungen (bzw. deren ebenso brutaler Verhinderung).
->   State of the World 2001
Vom Verschwinden der Grenzen ...
Vanishing Borders: Protecting the Planet in the Age of Globalization so lautet der Titel des explosiven Buches von Hilary French.

Also: Das Verschwinden der Grenzen: Die Beschützung des Planeten im Zeitalter der Globalisierung.
... zum Aufzeigen der Grenzen
Vanishing Borders: Die Grenzen zwischen den Staaten mögen immer mehr an Bedeutung verlieren und verschwinden.

Eine solche Entwicklung hätte, intelligent geplant, demokratisch durchgeführt, auf Nachhaltigkeit und Ausgleich bedacht, die Vielfalt der Kulturen und Arten berücksichtigend, das menschliche Maß beachtend, selbstverständlich auch mannigfache Vorteile.

Uns Menschen, Flora und Fauna werden aber durch die wachsende, selbstverschuldete Ohnmacht und Hilflosigkeit der Politik bei gleichzeitig steigender Einflussnahme und Gewalt der Ökonomie durch das rücksichtslose Niederreißen der den Profiten der Großkonzerne noch entgegenstehenden sozialen und ökologischen Hürden immer rascher und brutaler unsere eigenen Grenzen aufgezeigt.
->   Worldwatch Institute
Eine große Zahl der Studien, Statistiken und anderer Informationen, die von diesem weltweit führenden Umweltinstitut in den letzten Jahren produziert wurden, können gratis online gelesen werden. Auch alle Presseaussendungen sind kostenlos per Email zu abonnieren.
->   Worldwatch Updates
 
 
 
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