Host-Info
Reinhold Wagnleitner
Institut für Geschichte, Universität Salzburg
 
ORF ON Science :  Reinhold Wagnleitner :  Gesellschaft 
 
Das Louis Armstrong Centennial in New Orleans
Der Countdown läuft und zwar seit mehr als einem Jahr
 
  Bis zu seinem Tod war Louis Armstrong felsenfest davon überzeugt, dass sein Geburtstag, und damit gewissermaßen auch der Geburtstag des Jazz und einer unabhängigen amerikanischen Kultur, auf den 4. Juli 1900 fiel.  
Erst zwölf Jahre nach seinem Tod entdeckte der Jazzforscher Tad Jones in den Taufmatrikeln der Sacred Heart of Jesus Church in New Orleans nach langer, akribischer Suche, dass Satchmos Geburtstag eindeutig mit dem 4. August 1901 zu datieren ist.
->   Satchmo feiert seinen hundertsten Geburtstag... und wird wieder einmal mit Amadeus jammen
New Orleans: Crescent City und Big Easy
New Orleans wäre aber nicht New Orleans und umsonst zum ''Big Easy'' getauft, nähme es eine solche Differenz nicht ganz einfach zum Anlass, den Jahrhundertmusiker dann eben ein ganzes Jahr lang zu feiern.
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Der Jahrhundertmusiker Louis Armstrong
Satchmo ragt, auch ohne jegliche Heldenverehrung, weit aus der großen Menge an Innovatoren innerhalb der Künstlerinnen und Künstler, die den Soundtrack des 20. Jahrhunderts schufen, heraus: in seiner Genialität, Spiritualität und Monumentalität der musikalischen Schöpfungen.

Nicht umsonst meinte Miles Davis, selbst einer der bedeutendsten Stilbilder des 20. Jahrhunderts: ''Du kannst einfach nichts auf einem Horn spielen, das Louis nicht schon gespielt hat''.

Armstrong selbst umschrieb dagegen einmal seine Rolle im Jazz ganz bescheiden mit dem lakonischen Satz: ''Was wir spielen ist das Leben!''

Und dieses Leben, das nach dem Herzenswunsch Satchmos am amerikanischen Unabhängigkeitstag des Jahres 1900 begonnen haben sollte, war noch gar nicht so weit von der Sklaverei entfernt.

Wynton Marsalis fasste diesen Zusammenhang von Ökonomie, Gesellschaft und Kultur der USA pointiert zusammen: ''Wenn Du ein Sklave warst, dann musstest Du improvisieren lernen.''
Improvisation: Radikalisierung des Aktes der Komposition
Armstrongs Bedeutung als Improvisator, Trompeter und Sänger kann jedenfalls kaum überschätzt werden. Dizzy Gillespie vermutete deshalb unmittelbar nach Armstrongs Tod im Juli 1971 ganz zu recht, dass Louis nicht tot sei, ''denn seine Musik wird immer in den Herzen und Hirnen von zahllosen Millionen Menschen der ganzen Welt sein, sowie im Spiel von hundert Tausenden Musikern, die unter seinen Einfluss gekommen sind.''
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Die Louis Armstrong Centennial Konferenz
Die Louis Armstrong Centennial Konferenz, die vom 2. bis 4. August 2001 in der Old U.S. Mint im French Quarter von New Orleans statt finden wird, bedeutet nun den Höhepunkt der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der bedeutenden Rolle von Louis Armstrong innerhalb der Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts.

Jazzgeschichte trägt in sich aber selbstverständlich auch immer die Geschichte des modernen Rassismus. Und deshalb kommen in New Orleans nicht nur alle wichtigen Armstrong-Biographen und auch einige noch lebende Mitmusiker zu Wort.

Auf dem Programm stehen auch Beiträge, die sich mit der vehementen Ablehnung des Jazz innerhalb (besonders auch durch die Eliten von New Orleans) und außerhalb der Vereinigten Staaten beschäftigen.
Die Organisation
Das Symposion wurde von Dr. Connie Atkinson (Midlo Center der University of New Orleans) und von Michael Cogswell (Louis Armstrong House and Archives, Queens College, New York) organisiert.

Als Mitglied des Internationalen Vorbereitungskomitees leite ich am 3. August selbst eine historische Session. ''Jazz and the Sound of Freedom: Louis Armstrong Blows Up the World'' vereint einen Pool renommierter Experten, welche ganz allgemein die befreiende Rolle des Jazz innerhalb der Kultur der Moderne ebenso ausleuchten werden, wie auch die Rolle des Jazz in der Sowjetunion und zur Zeit des Nationalsozialismus, sowie den Jazzexport als kulturelle Propaganda während des Kalten Krieges (insbesondere in Afrika).
->   Konferenz Homepage
->   University of New Orleans
->   Louis Armstrong House and Archive
Satchmo Summer Fest
Außerdem haben die Veranstalter ein derart attraktives Rahmenprogramm von vielen Dutzenden Konzerten, Second Line Paraden bis zur Jazzmesse in der St. Augustine Church im historischen Treme Distrikt zusammengestellt, so dass auch dem ausdauerndsten Publikum in der berühmt-berüchtigten Schwüle des Hochsommers in New Orleans durchaus hohe geistige und körperliche Fitness abverlangt wird.
->   Louis Armstrong Centennial Conference Program
->   Louis Armstrong Centennial: Props for Pops
->   Satchmo Summer Fest
Eine Weltmusik
Der Jazz eroberte von New Orleans aus, über St. Louis und Chicago, Kansas City und New York, schließlich die ganze Welt, und Louis Armstrong blieb lange Zeit sein wichtigster Botschafter.
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Ambassador Satch
Audio CD (Originalaufnahmen 1955) Sony/Columbia; ASIN: B00004U1GZ

The Real Ambassadors
Audio CD (Originalaufnahmen 1961) Sony/Columbia; ASIN: B0000029FQ
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Diese weltweite Ausdehnung des Jazz war (mittels Siegen in den Weltkriegen, Tonträger, Film und Tourneen) übrigens derart rasant, unvergleichlich und einzigartig sowie ohne jede kulturelle Parallele bezüglich Geschwindigkeit und Reichweite, dass Eric Hobsbawm einmal meinte, man könne dieser Ausdehnung als (allerdings religiöses) Pendant allenfalls die unglaublich rasche Verbreitung des frühen Islam gegenüberstellen.
Die politische Instrumentalisierung des Jazz
Selbstverständlich wurde die globale Attraktivität des Jazz vor allem bei jungen Menschen, sehr zur Überraschung und meist gegen den erbitterten Widerstand der kulturellen Eliten der USA, auch zu einem wichtigen kulturellen Instrument des Kalten Krieges.

Denn gegen den Jazz halfen weder Westwall, noch Eiserner Vorhang. Und Eines kann nicht oft genug wiederholt werden. Selbst die massive Opposition der US- Kulturdiplomatie gegen den Jazz, die sich vorwiegend an den kulturellen Wertvorstellungen der White Anglo Saxon Protestants (Wasps) orientierte, konnte diesem wichtigsten Beitrag der USA zur modernen Weltkultur nichts anhaben. Denn der Jazz repräsentierte eine der am leichtest zu exportierenden Waren, übertroffen vielleicht nur vom (all)mächtigen Dollar.

P.S. Tad Jones wird übrigens auch beim Symposion ''Satchmo Meets Amadeus'', das vom 4. bis 7. Oktober 2001 in Salzburg stattfinden wird, sprechen.
->   Satchmo Meets Amadeus
->   Satchmo trifft Amadeus (Teil I)
->   Satchmo trifft Amadeus (Teil II)
 
 
 
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