Host-Info
Peter Weinberger
Institut für Technische Elektrochemie und Festkörperchemie, Technische Universität Wien
 
ORF ON Science :  Peter Weinberger :  Wissen und Bildung 
 
Die vergessenen Marchfeld-Schlösser am Lueger-Ring  
  Endlich hat der Bundeskanzler mit aller Deutlichkeit festgestellt, warum es eigentlich bei der neuerlichen Universitätsreform geht: um ein (eingefrorenes) Budget für die Universitäten, das (dann gegebenenfalls) um die Studiengebühren aufgestockt werden kann. "Damit müssten (Konjunktiv) sie sich mit den besten Universitäten der Welt messen können."  
Was bedauerlicherweise dieser Klarheit der Worte nicht entnommen werden kann, ist die zukünftige Höhe der Studiengebühren, damit dieses Messen einen Sinn ergibt. Etwa zwischen 15000 und 45000 $ pro Jahr, je nach Ranking, so, wie in den vielgepriesenen Eliteschmieden in den USA?
"System der alten Zöpfe"
Aber immerhin, er hat klargestellt, dass der sinnlosen Verschwendung im "System der alten Zöpfe" - vermutlich waren damit die Professoren gemeint, zumindest dem Alter nach - ein Riegel vorgeschoben werden muss, schließlich (Versuch einer Interpretation) bedürfen andere staatliche Aufgaben einer liebevolleren, budgetären Zuwendung: allein der aufsichtsratgerechte Mehraufwand in den nunmehr schlankeren Sozialversicherungen beträgt fast ein Zehntel des Budgets des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung.
Ein Stellenwert wie barocke Schlösser?
Besonderer Dank gebührt ihm insbesondere für die Begründung seiner Erklärung: erfolgreiche Ausgliederungen, wie des Tiergartens Schönbrunn und der Marchfeld -Schlösser. Dort (nämlich) sei mit einem eingefrorenen Budget die Qualität um Lichtjahre gesteigert worden.

Notorische Querulanten könnten zwar an dieser Stelle anmerken, der Bundeskanzler habe hier zu große Einheiten für Qualität an sich gewählt, richtig müsste es eher Picolichtjahre heißen, der tatsächliche Inhalt seiner Aussage ist jedoch unbestritten: für ihn nehmen Universitäten offensichtlich den gleichen Stellenwert ein, wie ein Zoo oder barocke Schlösser.
...
"Barocke Fülle der Geisteswissenschaften"
Man muss zugeben, die Beispiele waren wohlgewählt: der Tiergarten Schönbrunn als parabelhafter Vergleich zu den Natur- und Technischen Wissenschaften, die Marchfeld -Schlösser stellvertretend für Geisteswissenschaften. Es wird wohl kaum jemanden geben, der nicht sofort an die barocke Fülle der Geschichtswissenschaften denkt, an den putenhaften Charakter germanistischer Studien.
...
Neue "Erlebnisparks"
Kein Zweifel: all dies gehört ausgegliedert und als Erlebnispark der größeren Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Unter Einbeziehung des Ressel-Parks ist dies im Falle der TU Wien auch sofort umsetzbar.

Hier könnte endlich ein Freilandgehege für Studenten, die "auf die Straße gehen, um für die Vergangenheit zu demonstrieren" errichtet werden; der elegante Käfig für den jeweiligen Rektor, dem die Fachleute im universitären Aufsichtsrat (Tierwärter) gelegentlich einen Brocken zuwerfen, ist ohnedies schon gesetzesmäßig vorgesehen.
...
...sogar "behindertengerecht"
Vielleicht könnten dieses Mal - im Gegensatz zum Museumsquartier - die betreffenden Installationen sogar behindertengerecht errichtet werden, eine Qualitätssteigerung um Lichtjahre, gewissermaßen als Attraktion für Touristen aus besonders verwöhnten Ländern.
...
Studenten könnten "ankreuzen"
Genauso, wie die Besucher im Tiergarten Schönbrunn, können die zukünftigen "Studenten schauen, was mit ihrem Geld geschieht": wie bei der Kirchensteuer sollen sie vermutlich ankreuzen, wofür ihr Geld ausgegeben werden soll: für mehr Unterhaltung in den Seminaren, für feschere Studentinnen, für verpflichtende Anstandskurse im Umgang mit Studierenden, für Prüfungstermine rund um die Uhr.

Einklagen können sie fehlende Einsicht akademischer Behörden bei dem zu errichtenden und der Quästur zugeordneten "Weltklassesalzamt", dessen Anliegen u.a. der Verhinderung unnötiger Kröpfe dient.
Entscheidung über Medizin-Unis
Noch nicht festgelegt dürfte sich der Bundeskanzler haben, was die Schaffung eigener medizinischer Universitäten betrifft. Vermutlich ist ihm der Gedanke, ein weiteres Betätigungsfeld für den Koalitionspartner zu schaffen, noch nicht ganz geheuer, die Aussicht beängstigend, ein mit Gesichtsnarbe geschmückter Klinikchef deutscher Nation könnte für seine Gastritis verantwortlich zeichnen.
...
Fachleute in Aufsichtsräten
Zur Ermunterung sei er an seine eigenen Worte erinnert: "solange Steuergelder - und zwar in beachtlicher Höhe - verwendet werden, ist es völlig klar, dass Fachleute wie bei einem Aufsichtsrat eingesetzt werden". Womit er eigentlich einen weiteren Aphorismus der Nachwelt überantwortet hat: in österreichischen Aufsichtsräten sitzen ausschließlich Fachleute, schließlich "denkt kein Mensch daran, dass da irgendwelche Politgranden sitzen".
...
Ausgliederung als "Amputierung"?
Und gerade deswegen gehören die Universitäten ausgegliedert, wie eben der Tiergarten Schönbrunn. Ob es dann wenigstens ein Walbecken für orientierungslos gewordene Moby Dicks geben wird, für die wohlbekannten "linksfaschistischen Mobbies", die unwillig jegliche Trauerarbeit zur Beendigung des Zweiten Weltkriegs von sich weisen?

Die, üblicherweise Vergangenheit andeutende Vorsilbe "ver-" in Zusammenhang mit Forschung wird, mit dieser zu einem Wort zusammengezogen, als unzulässiges linguistisches Konstrukt, als ordinäre Wortschöpfung, die fachleutselige Aufbruchstimmung in weltklassische Sphären kaum beeinträchtigen. Mit einer weiteren Verrohung der Sprache muss eben gerechnet werden, schließlich bedeutet Ausgliederung auch bloß eine Art von Amputierung.
->   Beiträge zur Uni-Reform in science.ORF.at
 
 
 
ORF ON Science :  Peter Weinberger :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick