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Die erste Frau in Amerika  
  "Columbus entdeckte 1492 Amerika" - das Geschichtsfaktum ist so bekannt wie halbwahr. Dennoch hat science.ORF.at versucht die Frage zu beantworten, wer das weibliche Pendant zu dem italienischen Seefahrer war. Das Rätsel der "Ersten Frau in Amerika" ist nur relativ zu lösen.  
Offensichtlich ist diese Frage weniger leicht oder eindeutig zu beanworten, als die Suche nach einer etwaigen Höchstgeschwindigkeit im freien Fall oder den Folgen von Blitzschlägen im Wasser.
Keine eindeutige Antwort
Entscheidend ist der Bezugsrahmen, auf den man sich einlässt: Folgt man jener - unter Historikern ohnehin längst überholten und zudem eurozentristischen - Geschichtsschreibung, die die Frage der Woche (siehe nächster Kasten) nahe legt, so lässt sich, zumindest innerhalb der zur Verfügung gestandenen Recherchezeit, keine eindeutige Antwort finden.

Eines steht mit großer Sicherheit aber fest: Die ersten Frauen, die in Begleitung von Columbus "Amerika entdeckt haben", waren Teilnehmerinnen seiner zweiten Expedition von 1493 bis 1496.

Darauf haben sowohl Michael Zeuske, Professor für iberische und lateinamerikanische Geschichte der Universität Köln, als auch Renate Pieper, Professorin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Graz, hingewiesen.
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Die Frage der Woche im Wortlaut
In der vergangenen Woche hat User Wieland S. folgende Frage gestellt: "Columbus wird die Entdeckung Amerikas zugeschrieben, wer war aber die erste Frau in der Neuen Welt?"
->   Die Frage und die User-Antworten
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Columbus suchte Seeweg nach Indien
Eine Differenzierung zur Annäherung an die Frage ist unbedingt nötig: jene des Begriffs "Amerika" selbst. Christoph Columbus wusste bei seinen Landungen in der Neuen Welt nie genau, wo er war.

1492 war er erstmals auf der Suche nach dem Seeweg westwärts nach Indien aufgebrochen und als Triumphator zurückgekommen. Er hatte nach dramatischer Fahrt in seiner Überzeugung die Ausläufer des riesigen asiatischen Kontinents entdeckt.
->   Der Kolumbus-Brief von 1493
... und scheiterte Zeit seines Lebens
Auf der ersten Expedition war er mit den drei Schiffen Niña, Pinta und Santa Maria am 12. Oktober 1492 so auf die zu den Bahamas gehörende Insel Guanahani sowie auf Kuba und Haiti gestoßen.

Auf seiner 2. Reise (1493-1496) entdeckte er die Kleinen Antillen, Dominica, Guadeloupe, Puerto Rico und Jamaika.

Zeit seines Lebens glaubte er daran, mit seinen Schiffen direkt über den Atlantik nach Asien gesegelt zu sein. Auf seiner dritten Reise (1498-1500) erreichte er erstmals das Festland (Süd)Amerikas - und wollte es nicht erkennen.
->   Die zweite Reise
Die ersten europäischen Frauen kamen 1493
Doch abgesehen von geografischen Unpässlichkeiten: obwohl "bekannt ist, dass die ersten europäischen Frauen auf der zweiten Reise 1493-1496 mit nach Amerika kamen", so Michael Zeuske von der Universität Köln zu science.ORF.at, so weiß man doch wenig von ihren Namen.
Keine Dokumentation der Namen
Während es von der ersten Expedition des Columbus mittlerweile eine nahezu vollständige Liste der Besatzung gibt - die Crews der drei Schiffe umfassten knapp 90 Mann -, ist die zweite Expedition weniger gut dokumentiert.

Der Grund: Diese zweite Expedition stellte bereits den Versuch einer massiven Kolonisierung dar - mit 17 Schiffen, Schafen, Kühen, Pferden und mehr als tausend Personen an Bord.
->   Die Besatzung der ersten Expedition
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Literaturhinweis
Zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema empfiehlt Michael Zeuske folgendes Buch:
Christoph Columbus. Dokumente seines Lebens und seiner Reisen, 2 Bde., auf Grundlage der Ausgabe von Jacob, Ernst Gerhard (1956) erweitert, neu herausgegeben und eingeleitet von Berger, Friedemann, Leipzig: Sammlung Dietrich, 1991, Bd. I: 1451 bis 1453, Bd. II: 1493-1506.
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Andere "erste Frau": Gudridur Thorbjarnardottir
Im Gegensatz dazu ist eine andere "erste Frau" in Amerika aber namentlich bekannt: "Wickies Mutter", wie das User "mahindra" genannt hat, hieß Gudridur Thorbjarnardottir und hat schon 500 Jahre vor Columbus "amerikanischen Boden" betreten.

Sie war Teilnehmerin der dritten Expedition der Wikinger nach Amerika ("Vinland") und Witwe des Bruders von Leif Erikson.

Leif Erikson, der Sohn von Erik dem Roten, war im 11. Jahrhundert wahrscheinlich von der damaligen Wikinger-Siedlung auf Grönland nach Neufundland gekommen und auch noch weiter gefahren.
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Beweis-Funde in Neufundland und Maine
In den 1960er Jahren wurden Spuren einer Siedlung gefunden, die diese These bestätigen. Silbermünzen aus der Wikingerzeit sind im nordöstlichen US-Bundesstaat Maine, andere Überreste von Siedlungen in der Provinz Neufundland im Osten Kanadas gefunden worden. Die Ausgrabungen in L'Anse aux Meadows in Neufundland wurden in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.
->   L'Anse aux Meadows (UNESCO)
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Eine der wichtigsten weiblichen Entdeckerinnen
Gudridur Thorbjarnardottir wird als eine der wichtigsten "weiblichen Entdeckerinnen" bezeichnet. Sie hat nach der Überlieferung auch das erste "europäische Kind" auf dem Boden Amerikas geboren - ihren Sohn Snorri.

In ihrer Geburtsstadt Laugarbrekka auf Island wurde ihr im Jahr 2000 ein Denkmal errichtet.
->   Mehr über Thorbjarnardottir (Female Explorers)
Asiaten: Die wahren Ureinwohner

Und nur der Vollständigkeit halber: Die wahre "erste Frau" wie auch "der erste Mann" Amerikas bzw. des Kontinents, den man nach dem Seefahrer Amerigo Vespucci benannt hat, waren natürlich weder Wikinger noch Spanier.

Die Ureinwohner Amerikas stammen, so lautet zumindest eine gängige Theorie, von asiatischen Einwanderern ab, die vor Jahrtausenden über eine Eis- und Landbrücke in der heutigen Beringstraße Nordamerika erreichten und dann den Kontinent von Nord nach Süd besiedelten.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
->   Columbus und die Entdeckung Amerikas
->   Englische Übersetzung des Columbus-Briefs
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