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Nichts ist schneller als das Licht  
  "Was geschieht mit zwei - hypothetisch angenommenen - Raumschiffen, die sich mit zwei Drittel der Lichtgeschwindigkeit auseinander bewegen? Überschreitet die Relativgeschwindigkeit der beiden Flugobjekte jene des Lichts?" So lautete die aktuelle Frage von "Ask Your Scientist". Wie viele User richtig erkannt haben, lautet die Antwort: "Nein, sie bleibt unter der Lichtgeschwindigkeit."  
Aus diesem Grund kann die zweite Frage - "Können die beiden Raumschiffe miteinander kommunizieren?" positiv beantwortet werden: "Kommunikation zwischen den beiden Flugobjekten ist - zumindest theoretisch - möglich."

Für die Beantwortung der Fragen bat science.ORF.at Robert Beig und Franz Embacher vom Institut für theoretische Physik der Universität Wien um ihre Expertenmeinung.
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Die Frage(n) der Woche im Wortlaut:
Siegfried K.: "Frei nach Albert Einstein und der Relativitätstheorie ist die höchste erreichbare Geschwindigkeit die des Lichts, also rund 300.000 km/s. Dies stellt einen unantastbaren Grenzwert dar. Was aber in folgendem Fall?
Zwei (hypothetische) Raumschiffe mit einem derzeit unmöglichen Antrieb machen sich auf die Reise. Und zwar in die genau entgegengesetzte Richtung. Jedes dieser Raumschiffe bewegt sich mit 2/3 Lichtgeschwindigkeit, also 200.000km/s. Da es im freien Raum aber keine Bezugspunkte gibt, entfernt sich das eine Schiff vom anderen mit einer Geschwindigkeit von 400.000 km/s?

Da sich Radiowellen ja ebenfalls mit einer Maximalgeschwindigkeit von knapp Lichtgeschwindigkeit vorwärts bewegen - ist eine Kontaktaufnahme des einen Schiffes mit dem anderen per Funk noch möglich?"
->   Die Frage der Woche mit den User-Antworten
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Problemstellung: Beobachter am Nordpol

Der Anschaulichkeit halber sei die Frage von Siegfried K. folgendermaßen aufgefasst: Ein Beobachter steht auf dem Nordpol der Erde und Beobachtet zwei Raumschiffe, die sich mit gleicher Geschwindigkeit in entgegengesetzte Richtung vom Nordpol wegbewegen.

Der Beobachter nimmt eine Messung vor und bestimmt für beide Flugobjekte folgenden Wert: 2/3 der Lichtgeschwindigkeit.
Alltagswelt: Geschwindigkeiten können addiert werden

Was aber passiert, wenn die Piloten der beiden Raumschiffe ihrerseits eine Messung vornehmen und die Relativgeschwindigkeit des jeweils anderen Flugobjekts bestimmen? Wie unser User Siegfried K. vermutet, müssten dann die beiden Geschwindigkeiten addiert werden.

Das entspräche unserer Alltagserfahrung: Zwei Autos, die zusammenstoßen, erzeugen eine Aufprallsenergie, die sich aus der Summe der beiden Einzelgeschwindigkeiten ergibt. Physiker bezeichnen so etwas als eine "lineare Vektoraddition".
Einstein: "Nichts ist schneller als das Licht"
In Bezug auf das konkrete Beispiel von Siegfried K. hieße das: 2/3 der Lichtgeschwindigkeit (kurz als c bezeichnet) plus noch einmal 2/3 c - ergibt 4/3 c. Also ein Drittel über der Lichtgeschwindigkeit!

Nach den Prinzipien der Speziellen Relativitätstheorie, die 1905 von Albert Einstein begründet wurde, sollte das aber nicht möglich sein.
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Einsteins Position
Einsteins Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist mit der Annahme verbunden, dass alle physikalischen Bezugssysteme gleichberechtigt sind. Dies widerspricht dem klassischen Postulat eines absoluten Raumes mit einem "darin ruhenden Äther". Nach Einstein sind beide schlichtweg nicht existent. In seiner 1905 veröffentlichten Arbeit "Zur Elektrodynamik bewegter Körper" verglich er die kläglich gescheiterten Nachweise eines "Äthers" mit den ebenso gescheiterten Versuchen, ein Perpetuum Mobile zu bauen - und betrachtete das Relativitätsprinzip daher als echtes Naturgesetz wie etwa den Energiesatz der Wärmelehre.
->   Doppelt hält besser: Verjüngungskur der Speziellen Relativitätstheorie
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Modifizierte Geschwindigkeitsaddition

Robert Beig, theoretischer Physiker an der Universität Wien, erklärt, warum das so ist: "Nach der Speziellen Relativitätstheorie gilt eine modifizierte Form der Geschwindigkeits-'Addition',
die garantiert, dass die Relativgeschwindigkeit zweier entgegengesetzt fliegender Raumschiffe immer Unterlichtgeschwindigkeit hat." Man spricht in diesem Fall vom so genannten "Additionstheorem" der Speziellen Relativitätstheorie.
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Antwort Nr.1: 12/13 der Lichtgeschwindigkeit
Viele User haben diese Frage korrekt beantwortet. Stellvertretend sei User "mess51" erwähnt, die/der eine regelrecht lehrbuchwürdige Behandlung des Problems postete. Der konkrete Zahlenwert für die vorliegende Frage lautet: "Diese Formel ergibt im vorliegenden Fall (Raumschiff A mit 2/3 LG nach rechts, Raumschiff B mit 2/3 LG nach links) für die Relativgeschwindigkeit zwischen A und B den Wert 12/13 LG", so Beig.
->   Mehr zur Speziellen Relativitätstheorie (Uni Wien)
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Ist eine anschauliche Erklärung möglich?
Gibt es dafür auch eine anschauliche Erklärung? Der theoretische Physiker Franz Embacher verweist in diesem Zusammenhang auf einen alten Wissenszweig der Mathematik, die Geometrie: In unserem Alltag sind wir durchaus mit den Grundaussagen der so genannten euklidischen Geometrie vertraut.
Theorem folgt aus Geometrie der Raumzeit
So z.B. mit dem Lehrsatz, dass die Winkelsumme eines Dreiecks 180 Grad betrage. Embacher betont, dass diese Aussage eine überraschende Analogie zum so genannten Additionstheorem aufweise.

Denn letzteres sei auch eine geometrische Aussage - nur eben bezüglich der so genannten Lorentz-Geometrie. Daher könne man, so Embacher, auf die Frage "Warum addieren sich Geschwindigkeiten auf diese Weise?" antworten: "Das Additionstheorem folgt aus den Eigenschaften der Raumzeit-Geometrie."
->   Zur ausführlicheren geometrischen Erklärung von F. Embacher
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Antwort Nr.2: "Kommunikation ist möglich"
Die zweite Frage unseres Users Siegfried K. nach einer möglichen Kommunikation kann positiv beantwortet werden.

Robert Beig: "Die beiden Raumschiffe können miteinander über elektromagnetische Signale kommunizieren. In der Phase, wo sie sich voneinander entfernen, ist das empfangene Signal gegenüber dem ausgesandten wegen des so genannten Dopplereffekts rotverschoben. In der Annäherungsphase ist es hingegen blauverschoben."
->   Mehr zur Rotverschiebung (Uni München)
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Rotverschiebung als Beweis für expandierendes Universum

Die als "Rotverschiebung" bezeichnete Vergrößerung von Wellenlängen ist im Übrigen nicht nur in der Theorie von Belang. Im Jahr 1929 entdeckte etwa der amerikanische Astronom Edwin P. Hubble, dass die Spektrallinien der Strahlung von fernen Galaxien rotverschoben sind. Gemäß dem Standardmodell der Kosmologie folgert man daraus, dass sich das Universum mit großer Geschwindigkeit ausdehnt.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Institut für theoretische Physik, Uni Wien
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Sie können die Fragen unter der E-mail-Adresse askyourscientist@orf.at stellen oder per Post: science.ORF.at, Argentinierstraße 30a, 1040 Wien.
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