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Feministischer "Kanon": Kritik an westlicher Dominanz  
  Auch die Frauen- und Geschlechterforschung hat ihren "Kanon", also Literatur, die als Basis für wissenschaftliches Arbeiten bekannt sein muss. Ob diese Sammlung von Literatur zu westlich zentriert ist und wie einem Ausschluss von ForscherInnen aus der "Semi-Peripherie" entgegengewirkt werden kann, steht im Mittelpunkt einer internationalen Tagung.  
A Canon of Our Own? Ein Kanon für uns allein?
Von Marlen Bidwell-Steiner, Therese Garstenauer und Karin S. Wozonig

Das Referat Genderforschung der Universität Wien veranstaltet vom 28. bis 29. 11. 2005 am Campus Altes AKH eine internationale Tagung, bei der nach Existenz, Entwicklung und Sinn eines Kanons in der Frauen- und Geschlechterforschung gefragt wird.

Damit wird das Thema der Ringvorlesung "Ein Kanon ganz für uns allein?" (Sommersemester 2005) auf Fragen des internationalen Wissenschaftstransfers ausgedehnt.
HeldInnen der Frauen- und Geschlechterforschung
Im Rahmen der Tagung "A Canon of Our Own?" wird kritisch danach gefragt, wie es in der Frauen- und Geschlechterforschung mit Kanon und Kanonisierung aussieht.

Auch die Frauen- und Geschlechterforschung hat ihre HeldInnen - keine Einführungslehrveranstaltung ohne Simone de Beauvoir, Virginia Woolf oder die US-amerikanische Philosophin Judith Butler.

Allem Anschein nach gibt es auch hier nach traditionellen akademischen Mustern ablaufende Kanonisierungen.
Semi-Peripherie von Theorie-Produktion ausgeschlossen
Dies wird insbesondere durch die Kritik von WissenschaftlerInnen deutlich, deren Chancen, international zur Kenntnis genommen zu werden, aufgrund ihrer nationalen, sprachlichen und akademischen Situiertheit gering sind.

Das betrifft nichtwestliche Kontexte, seien es postkoloniale oder postsozialistische Staaten. Die Belgrader Soziologin Marina Blagojeviæ spricht in diesem Zusammenhang von Semi-Peripherien, in denen Theorien mit überlokaler Bedeutung rezipiert und angewendet, aber nicht selbst entwickelt werden können.
Westlicher Dominanz entgegenwirken
Ohne die Bezugnahme auf westliche Theorien sei die Forschung nicht in internationale Diskussionen integrierbar, womit sich von vornherein eine Situation der Hierarchisierung und Abhängigkeit ergibt.

Ein Ziel der Veranstaltung ist es, mit KollegInnen aus unterschiedlichen Regionen ins Gespräch zu kommen - geladen sind ReferentInnen aus 15 verschiedenen Ländern - und so einer westlicher Dominanz und Exklusionsmechanismen entgegenzuwirken.
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Hintergrund des Kanonbegriffs
Der Kanonbegriff erlangte einerseits im kirchlich-religiösen Bereich zentrale Bedeutung. In der Literatur andererseits gilt als Kanon eine Sammlung von Texten, die als überzeitlich und überregional gültig und von hoher literarischer Qualität angesehen werden.

Ähnliches gilt für alle Wissenschaften, in denen Texte eine wichtige Rolle spielen. Jedes Fach hat seine Klassiker, um die im Studium wie im wissenschaftlichen Tun nicht herumzukommen ist. Auch Methoden, Theorien, Zugangsweisen können kanonisiert werden.
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Mechanismen der Kanonisierung
Die Mechanismen der Kanonisierung sind in allen Bereichen stetige Verhandlungen von Macht und Abbild gesellschaftlicher Vorgänge.

Was passiert, wenn ein Text z. B. nur in einer wenig verbreiteten Sprache vorliegt? Oder in einem kleinen Verlag in niedriger Auflage herausgegeben wird und deshalb nicht zur Kenntnis genommen wird?
Kanonisierungsmechanismen beleuchten
Die Frauen- und Geschlechterforschung ist angetreten um die traditionelle, männlich geprägte Wissenschaft in Frage zu stellen - sowohl was die Inhalte als auch was ihr Funktionieren, ihre innere "Logik" betrifft. So werden Kanones unterschiedlicher Disziplinen kritisch unter die Lupe genommen.

Die Frauen- und Geschlechterforschung als interdisziplinärer Ansatz, der Zuschreibungen von übergeordneter Gültigkeit hinterfragt und Texte "gegen den Strich" liest, ist bestens dazu befähigt, die sozialen und kulturellen Voraussetzung von Kanonisierung offen zu legen und Kaonisierungsmechanismen zu beleuchten.

[25.11.05]
->   Details zum Tagungsprogramm
->   Referat Genderforschung der Universität Wien
 
 
 
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