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Hinweise auf Veranstaltungen, Symposien, Vorträge
 
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Völkermord - Geschichte und Prävention  
  Völkermord ist kein "gewöhnlicher" Mord. Die Völkermord-Konvention der Vereinten Nationen, 1948 unter dem Eindruck der Judenvernichtung formuliert, bezeichnet mit diesem schrecklichen Begriff die Absicht, nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppen ganz oder teilweise zu vernichten. Ein Ö1-Symposion vergleicht historische Beispiele und fragt nach den Möglichkeiten, solche Greueltaten zu verhindern.  
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Internationales Ö1 - Symposion
Völkermord - Geschichte und Prävention.
8. und 9. 11. 2001, Beginn: 9.00 Uhr
RadioKulturhaus, Argentinierstrasse 30 A
1041 Wien
Veranstaltet in Kooperation mit der Stadt Wien und der hans jonas gesellschaft und mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur.
Auskünfte: Ö1 Servicenummer 501 70 371
e-mail: symposien@orf.at
->   Programm, Referenten und Abstracts des Ö1-Symposions
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Kein Ende des Schreckens
"Das 20. Jahrhundert begann mit den größten Hoffnungen, und es endete in Schmerz und Verzweiflung. Zerstört sind die Ideale, verflüchtigt hat sich der Traum vom Siegeszug der Vernunft, vom stetigen Fortschritt der Zivilisation, vom Frieden auf Erden. Die Signatur der Epoche ist bestimmt von einer bespiellosen Entfesselung der Gewalt. Sie geschah in den Folterkellern der Despotien, in den Lagern des Totalitarismus, an den Erschießungsgräben, in den Betrieben des Völkermords."

So düster beschreibt der deutsche Soziologe Wolfgang Sofsky das Szenario einer historisch realen, aber auch künftig noch vorstellbaren Gewalt.
Genozid - Völkermord
Diese Gewalt hat viele Schauplätze und Gesichter. In ihrer umfassenden, totalitären Form kennt sie ein schreckliches Kürzel: Genozid/Völkermord.

Was mit dem Holocaust ein bis dahin unvorstellbar scheinendes Ausmaß angenommen hatte, fand auch nach 1945, als der Gewalt vorübergehend abgeschworen wurde, kein Ende: "Weder die Hetzjagd noch das Massaker", so Wolfgang Sofsky, "weder Krieg, noch Völkermorde sind von der Tagesordnung verschwunden."
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Definitionen
Nicht nur die Ermordung von Mitgliedern einer Gruppe, sondern auch die Verursachung von schwerem körperlichen und seelischem Schaden und die Auferlegung von Lebensbedingungen, die körperliche Zerstörung herbeiführen sollen, werden als Völkermord bezeichnet. Die Verhängung von Maßnahmen, die auf die Verhinderung von Geburten gerichtet sind, sowie die gewaltsame Überführung von Kindern in eine andere Gruppe gelten nach internationalem Recht ebenfalls als Genozid.
->   Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes
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Macht und Gewalt
Um die vorhandenen Gewaltpotentiale des Menschen umzusetzen, bedarf es geeigneter Umstände. In der Geschichte lassen sich Konstellationen, Schauplätze, Systeme und Gewaltformen identifizieren, die das Zusammenspiel von staatlich-totalitärer Ordnungsmacht und willkürlicher sozialer Gewalt belegen.

Mit neuem technischem Können und der fortschreitenden Bürokratisierung der Gesellschaft haben diese Gräuel an organisatorischer Perfektion und Effizienz immer noch dazu gewonnen.
Strategien zur Vermeidung
Der Versuch, einen gemeinsamen Nenner zwischen den verschiedenen Formen dieser systematischen Gräueltaten herauszuarbeiten, wäre auch eine Voraussetzung dafür, Strategien zu Vermeidung von Völkermord zu entwickeln, meint der Medizinethiker und "science.orf.at" - Host Erich Loewy in seinen Überlegungen zum Ö1-Symposion "Völkermord: Geschichte und Prävention":

"Eine solche Frage kann nur in interdisziplinärer Betrachtung behandelt werden. Selbstverständlich können auch nicht alle Formen des Genozids umfassend beschrieben und analysiert werden. Die Auswahl und Untersuchung einzelner historischer Ereignisse sind nur Ausgangspunkte, um die Ursachen zu verstehen. Die Aufzählung und Veranschaulichung der Fakten genügt nicht, um solche Gräuel verhindern und im Keim ersticken zu können."
->   Erich Loewy in science.orf.at
Der Weg zum NS-Genozid
Der Genozid des NS-Regimes kostete Millionen von Männern, Frauen und Kindern das Leben. Er richtete sich nicht gegen Volksgruppen, sondern gegen Gruppen von Menschen mit angeblich gemeinsamen Rassenmerkmalen.

Die Opfer wurden wegen ihrer Erbanlagen verfolgt, schreibt der Historiker Henry Friedländer in seinem Buch "Der Weg zum NS- Genozid", einer Studie über die Ursprünge der sogenannten "Endlösung". Darin wird deutlich, dass die nationalsozialistischen Euthanasieprogramme nicht nur die Einleitung, sondern bereits das erste Kapitel des Genozids darstellten.
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Henry Friedländer
"Ich erkannte, dass das NS-Regime nur drei Gruppen von Menschen systematisch ermordete: die Behinderten, die Juden und die Zigeuner. Von Anfang an wurden die Mitglieder der drei betroffenen Minderheiten aus der Volksgemeinschaft ausgeschlossen. In den dreißiger Jahren verschärfte das Regime konsequent die Verfolgung und wandte immer radikalere Ausgrenzungsstrategien an: dazu gehörten die Zwangssterilisation Behinderter, die Inhaftierung von Zigeunern und die erzwungene Auswanderung von Juden. Schließlich entschloss sich das Regime, die drei Zielgruppen endgültig "auszurotten" und zu diesem Zweck ein Programm zur Massenvernichtung durchzuführen. Die Chronologie des NS-Massenmords zeigt deutlich, dass die Tötung von Behinderten der systematischen Ermordung von Juden und Zigeunern voranging."
(Henry Friedländer: Der Weg zum NS-Genozid. Von der Euthanasie zur Endlösung. Heyne Taschenbuch Verlag, München 2001)
->   Mehr über den Vortrag von Henry Friedländer
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Kein Machwerk des Bösen
Völkermord ist kein Machwerk des Bösen, betont der Psychotherapeut und Genozidforscher Alan Jacobs. Besonders erschreckend daran ist vielmehr, dass Töten und Morden unter bestimmten Umständen zur Normalität werden kann.

Dazu gehört auch, wie sich am Beispiel der vom NS-Regime begangenen Verbrechen belegen lässt, eine bestimmte Weltanschauung, auf die sich das Regime stützte. Die Überzeugung von der Ungleichheit der Menschen brachte auch Theorien über die angebliche Minderwertigkeit und Entartung der Angehörigen bestimmer "Rassen" hervor. Der Antisemitismus war ein Aspekt dieser Ideologie.
Tödliche Konsequenz
Doch gab es auch "nichtideologische" Beweggründe, die Menschen zu Mördern machten. Zur tödlichen Konsequenz gehörte jedenfalls ein Imperativ, der die absolute Hingabe des Einzelnen verlangte. Doch sind damit noch lange nicht alle sozialen, politischen und psychologischen Umstände der Massenvernichtungen erklärt, in denen das Töten als Selbstzweck erscheint.
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Macht und Überleben
Elias Canetti hat in diesem Zusammenhang auf ein zentrales Motiv von Völkermorden hingewiesen: Das Zusammenwirken von demonstrativer Macht und dem Wunsch nach eigenem Überleben. So fühlt sich der Überlebende erst in der Konfrontation mit dem Getöteten im Zenit seiner Macht. Unter bestimmten Konstellationen totalitärer Gewalt kann diese Erfahrung den unstillbaren Drang wecken, immer wieder zu töten.
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An der Grenze
Dass es eine fatale Verknüpfung von Macht und Überleben gibt, so der Genozidforscher Alan Jacobs, lässt sich am Beispiel von Staaten belegen, die sich erst an der Grenze zu totalitären Herrschaftsformen befinden.

Je mehr Macht hier eine Bevölkerung ihren politischen Führern überlässt, desto eher sind diese bereit zu töten. Ist erst einmal die absolute Kontrolle erreicht, können sich Regierungen mit unbeschränkter Macht jeder oppositionellen Strömung nach Belieben entledigen.
->   Mehr über den Vortrag von Alan Jacobs
Global und Lokal
Die Sprache der Gewalt hat in den einzelnen Gesellschaften und Kulturen unterschiedliche Bedeutungen. So lassen sich die brutalen Säuberungsaktionen des Roten Khmer-Regimes in Kambodscha nicht bloß als eine Folge von "Machtkämpfen" beschreiben.

Sie sind auch aus der Verknüpfung von Altem und Neuem, von Ideologien und Mentalitäten, kulturellen Differenzen und globalen Zusammenhängen zu verstehen. Das gilt insbesondere für die Mobilisierung der Bevölkerung und die zahlreichen Mitläufer, die das Ausmaß des Völkermordes bestimmten.
->   Mehr über die anthropologische Analyse des Völkermords bei Alex Hinton
Beihilfe der Eliten
Die Genozidforschung betont auch die Beihilfe der gesellschaftlichen Eliten bei der Legitimierung von Völkermord.

Massenmorde wurden mit Eugenik und Erblehre wissenschaftlich verbrämt, Ärzte machten mit menschenverachtenden Experimenten Karriere. Richter, Anwälte und Beamte trugen zum Rechtsvollzug und damit zur Rechtfertigung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit bei.
Bürokratie des Mordens
Der technisch und bürokratische organisierte Alltag eines totalitären Regimes trägt zu einer Routine jenseits der Moral bei, wie der Soziologe Alex Alvarez betont. Dadurch können gebildete und hochqualifizierte Personen zu reibungslos funktionierenden Mitläufern und Helfern eines Genozids werden.
->   Mehr über den Vortrag von Alex Alvarez
Homogener Staat und Minderheitenschutz
Mit Völkermord sind die Erzwingung eines homogenen Staates und der Kampf gegen Minderheiten untrennbar verbunden. Im Umkehrschluss lässt sich sagen, dass Pluralismus und Schutz von Minoritäten, die gesicherte Verfolgung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Verankerung internationaler Standards mit humanitären Werten, wichtige Elemente einer möglichen Genozid-Prävention sind.
Völkergemeinschaft
Die Völkergemeinschaft sollte Genozidprävention als vorrangige Aufgabe betrachten, meint die Menschenrechts-Expertin Jennifer Leaning von der Harvard School of Public Health. Basierend auf den Erfahrungen in Ruanda, Bosnien und im Kosovo könnte ein "Völkermord-Frühwarnsystem" die internationale Staatengemeinschaft rechtzeitig alarmieren.
->   Mehr über den Vortrag von Jennifer Leaning
Wissen und Vorbeugung
Die Lektionen aus Völkermord in Geschichte und Gegenwart sind aber noch immer nicht genügend verstanden, darüber sind sich die meisten Experten einig. Umso wichtiger erscheint es, das Gespräch darüber in Gang zu bringen und ein Wissen zu vermitteln, das auch Vorbeugung ermöglicht.

Martin Bernhofer, science.orf.at
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Berichte über das Symposion in Ö1 und "science.orf.at"
Radio Österreich 1 wird in den Journalen, "Wissen aktuell" und in den Dimensionen (12. November, 19.00 Uhr) berichten. Auch in "science.orf.at" wird diese Veranstaltung ausführlich dokumentiert werden.
->   Radio Österreich 1
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->   RadioKulturhaus
 
 
 
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