Events
Hinweise auf Veranstaltungen, Symposien, Vorträge
 
ORF ON Science :  Events :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Das "Okkulte" in der Stadt  
  Der "spiritistische Untergrund" Europas ist überwiegend in Städten entstanden. Von der Forschung wurde dieser urbane Aspekt des Phänomens bisher aber wenig beachtet. Am IFK in Wien befassen sich KulturwissenschaftlerInnen mit den immer wieder aktuellen Okkultismen in den europäischen Metropolen. IFK-Junior Fellows veranstalten am Donnerstag und Freitag einen Workshop zu diesem Thema.  
Okkultes und Okkultismus
Okkult, unheimlich, übersinnlich - das ist, was sich per Definition jeder unvermittelten sinnlichen Wahrnehmung entzieht und als genuin unrepräsentierbar gilt. "Das Unheimliche ist [...] das ehemals Heimische, Altvertraute. Die Vorsilbe "un" an diesem Worte ist aber die Marke der Verdrängung," - so Sigmund Freud 1919 in "Das Unheimliche".

Der Okkultismus ist häufig im Zusammenhang mit "Entmodernisierung" beschrieben und analysiert worden. Seine Entstehung wird gemeinhin mit Mitte des 19. Jahrhunderts datiert und als Reaktion auf den vordergründigen Rationalismus, Mechanismus und Materialismus der herrschenden weltanschaulichen Strömungen seit der Aufklärung begriffen.
...
Esoterischer und empirischer Okkultismus
Unterschieden wird zwischen "esoterischem Okkultismus", womit umfassende weltanschauliche Systeme bezeichnet werden, und "empirischem Okkultismus", der sich vor allem mit spiritistischen Praktiken und unerklärlichen Phänomenen beschäftigt und der im Anschluss an F. A. Mesmers "Magnetismus Animalis" gedacht wird.
...
Ein "Kind der Moderne"

Sein Selbstverständnis als Geheim - "Wissenschaft" weist den Okkultismus im Gegensatz etwa zur Jahrtausende alten Magie oder Astrologie als genuines "Kind der Moderne" aus, in dem Züge vom fortschritts-, technik- und wissenschaftsgläubigen Zeitgeist der Wende zum 20. Jahrhundert aufzufinden sind - ein Paradoxon, das etwa Theodor W. Adorno 1951 dazu veranlasste, im Okkultismus ebenjene "rationalistische und empiristische Apparatur" aufzuspüren, die zuvor "angedreht" wurde, um den "Geistern den Garaus zu machen".
...
Aufkommen des Okkultismus
Die Ursachen für das Aufkommen des Okkultismus Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts werden in der Enttäuschung über die nicht eingelösten Versprechen des technischen Zeitalters, in dem Bedürfnis nach "persönlicher Initiation" (M. Eliade) und in der Suche nach einem Ausweg aus dem Chaos der Sinnlosigkeit gesehen.
...
Die Stadt als Schauplatz des "Übersinnlichen"
James Webb hat pointiert von einem spiritistischen "Underground of Europe" gesprochen, den diese Bewegungen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert gemeinsam gebildet hätten.

Dass nun der urbane Raum mit seiner hohen Dichte an Modernisierungsphänomenen als einem hervorragenden Schauplatz der "Orte des Übersinnlichen" ins Zentrum des Interesses rückt, liegt vor diesem Hintergrund auf der Hand.

Obwohl man sich der Tatsache durchaus bewusst ist, dass sich Endzeitsekten und spiritistische Zirkel gerade in den industriellen Ballungszentren und Großstädten überproportional ausbreiteten und es sich folglich um ein primär städtisches Phänomen handelte, haben explizit räumlich-städtische Aspekte bisher eher wenig Beachtung gefunden.
...
IFK-Workshop
Der Workshop am IFK thematisiert Repräsentationsformen und Wahrnehmungsweisen des Okkulten in der westeuropäischen Großstadt zwischen 1880 und 1930. Indem die vorgeschlagene Tagung verschiedene "Orte des Übersinnlichen" zunächst zu identifizieren und sie dann innerhalb des Stadtraumes zu lokalisieren versucht, betritt sie weitgehend Neuland.
->   IFK
...
Die Rolle der Medien

Ein Hauptaugenmerk des IFK -Workshops liegt auf der Frage nach den Medien, die sich an der sinnlichen Darstellung des Übersinnlichen und Umsetzung des grundsätzlich Unrepräsentierbaren versuchen - wie etwa Musik, Film, Fotografie, Sprache, bildende Kunst. Denn: wie wird Wissen um das Okkulte verbreitet?

Diese Fragestellung führt zur nächsten, nämlich zu jener nach den "Orten des Übersinnlichen" in der Stadt - beispielsweise Konzertsaal, Kino, Jahrmarkt, Theater, Friedhof: Sind diese derart unifunktional und eindeutig, dass sich von einer eigenständigen städtischen Topographie des Übersinnlichen und Unheimlichen sprechen lässt?

Der Workshop beginnt mit dem Eröffnungsvortrag des amerikanischen Historikers Thomas Laqueur von der Universität Berkeley zum Thema "Places for the dead in modernity: The aesthetics of cemeteries and the decline of the occult". Laqueur ist mit seinem Buch "Making Sex. Body and Gender from the Greeks to Freud" im deutschen Sprachraum sehr bekannt geworden, als das Buch unter dem Titel "Auf den Leib geschrieben" 1992 auf Deutsch erschien.
...
Das Programm
Donnerstag, 18. April 2002

18.00 Thomas Laqueur:
Eröffnungsvortrag : Places for the Dead in Modernity: The Aesthetics of Cemeteries and the Decline of the Occult

Freitag, 19. April 2002

9.00 Uhr Andrea B. Braidt und Alexander C. T. Geppert:
Über-Sinnliches: Eine Einführung
9.30 Diethard Sawicki (Bielefeld):
Spiritismus und das "Okkulte" in Deutschland 1850-1900
10.30 Logie Barrow (Universität Bremen):
Plebeian Spiritualism: some ambiguities of England's Reformation, Enlightenment and urbanisation
12.00: Albert Kümmel und Justyna Steckiewicz (Universität Köln): Leipzig 1877. Okkulte Interieurs
15.00: Astrid Kury:
Okkultismus in der Kunst der Wiener Moderne
16.30 Lucian Hölscher:
Der Okkultismus in der religiösen Landschaft des späten 19. Jahrhunderts
17.30:Abschlussdiskussion;18.30 Ende

Veranstaltungsort:
IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften
Reichsratsstraße 17
1010 Wien
->   Abstracts zu allen Vorträgen des IFK-Workshops
...
 
 
 
ORF ON Science :  Events :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick