Events
Hinweise auf Veranstaltungen, Symposien, Vorträge
 
ORF ON Science :  Events :  Gesellschaft .  Wissen und Bildung 
 
Figuren des Sakralen in einer säkularisierten Kultur  
  "Aufklärung" und "Moderne" beziehen sich gemeinhin auf die Fortschritte durch "Säkularisierung". Dabei sind aber zunächst zwei Fragen hinlänglich zu beantworten: Gab es vor der Aufklärung eine geschlossene religiöse Welt? Und: Ist eine gänzlich säkularisierte Kultur überhaupt möglich? Die derzeit in Wien tätige Kulturwissenschaftlerin Sigrid Weigel fragt in einem IFK-Vortrag nach den Figuren des Sakralen in einer - vermeintlich -säkularisierten Kultur.  
Was ist "Säkularisierung"?
Die engere Bedeutung des Begriffs "Säkularisierung" bezieht sich auf die Übertragung kirchlicher Güter an den Staat - und darüber hinaus auf die Übertragung von bisher kirchlichen Rechten bzw. der Souveränität überhaupt auf weltliche Institutionen oder Personen. Doch der Begriff ist in geschichtsphilosophischen Kontexten noch viel weiter gefasst.

Er umfasst:
- das Konzept der "historischen Zeit" bzw. die Kategorie Weltgeschichte gegenüber dem Heilsgeschehen (Karl Löwith),
- das Konzept der Theokratie sowie im Anschluss daran die grundsätzliche Frage nach einer politischen Theologie,
- allgemeinere kulturelle Prozesse der Entmythologisierung und Entzauberung (Max Weber, Jürgen Habermas) in der Kulturgeschichte der Moderne und
- die komplexen Probleme der mit der Aufklärungsgeschichte einhergehenden Prozesse von "Assimilation" und "Emanzipation".
...

Vortrag im IFK
Sigrid Weigel spricht am Montag, 11. November 2002, um 18 Uhr zum Thema: "Zur Dialektik der Säkularisierung. Überlegungen zur Reformulierung des Begriffs".
ORT: IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften, Reichsratsstraße 17, 1010 Wien.
->   IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften
...
Säkularisierung und Kultur
Sigrid Weigel geht davon aus, dass Säkularisierung stets als dialektischer Vorgang zu untersuchen ist, als Vorgang, in dem beispielsweise die Transformation religiöser Topoi in der Philosophie nicht nur mit der Verwerfung theologischer Dogmen, sondern auch mit der Konstitution sakraler Figuren verbunden ist.

Nach Weigel stellt sich Säkularisierung also niemals als Prozess einer vollständigen Transformation oder Sublimierung dar; weder lässt sie sich als Aufhebung von Theologie in Vernunft beschreiben, noch als Transformation des Heiligen ins Profane oder von religiöser in philosophische oder ästhetische Wahrnehmung.
Bezugnahme auf religiöse Momente
Weigel richtet das Hauptaugenmerk auf jene Spuren und Zeugnisse, in denen Bezugnahmen auf religiöse, göttliche und biblische Momente im Denken und an daran gebundene Vorstellungen von Schrift, Bild, Stimme etc. zum Ausdruck kommen.

Wo kehren religiöse Bedeutungen verwandelt oder entstellt wieder? Wo lassen sich Figuren der Re-Sakralisierung in einer entzauberten Moderne bzw. in einer "Welt ohne Gott" identifizieren?
Wo stecken die "Götter im Exil"?
Wenn man sich darin einig ist, dass mit Kants "Kritik der reinen Vernunft" Gott aus der Sphäre der Kultur exiliert wurde, dann soll es nicht um die Frage gehen, was die Philosophie an die Stelle mythischer und göttlicher Ursprungsbegründungen gesetzt hat, sondern um die Spuren des Exils und die neuen Orte und Transformationsformen des Exilierten oder, um es mit Heinrich Heine zu sagen, um die "Götter im Exil".

Und diese schließen bekanntlich nicht nur die philosophisch-literarischen Reaktionen auf den "Tod Gottes", sondern auch die Metamorphosen der antiken (polytheistischen) Götterwelt im kollektiven Imaginären ein.
...
Sigrid Weigel
Univ. Prof. Dr., Literatur- und Kulturwissenschafterin, derzeit als IFK-Visiting Fellowin Wien mit einem Forschungsprojekt zu "Figuren des Sakralen in der Dialektik der Säkularisierung". Direktorin des Zentrums für Literaturforschung, Professorin am Institut für Deutsche Philologie, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der TU Berlin.

Jüngste Publikationen:
Entstellte Ähnlichkeit. Walter Benjamins theoretische Schreibweise (1997); Ingeborg Bachmann. Hinterlassenschaften unter Wahrung des Briefgeheimnisses (1999); gem. mit G. Neumann (Hg.): Lesbarkeit der Kultur. Literaturwissenschaft zwischen Kulturtechnik und Ethnographie (2000); gem. mit J. Tanner (Hg.): Gedächtnis, Geld und Gesetz. Zum Umgang mit der Vergangenheit (2001); gem. mit F. Kittler und Th. Macho: Zwischen Rauschen und Offenbarung. Zur Kultur- und Mediengeschichte der Stimme (im Druck); Genealogie und Genetik (im Druck),
gem. mit Th. Macho und W. Schäffner: "Der liebe Gott steckt im Detail." Mikrostrukturen des Wissens (im Druck).
->   Zentrum für Literaturforschung Berlin
...
 
 
 
ORF ON Science :  Events :  Gesellschaft .  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick