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ORF ON Science :  Peter Filzmaier :  Gesellschaft 
 
Kommunikationsstrategien der Parteien in der Mediendemokratie (III): Die FPÖ  
  Analog zu ihrem Aufstieg von knapp sechs auf über 27 Prozent der Wählerstimmen und dem Rückfall auf zunächst 10 Prozent bis hin zur aktuellen Existenzbedrohung lieferte die FPÖ sowohl Beispiele für eine perfekte politische Kommunikation als auch für geradezu unglaubliche Missgeschicke bei der Inszenierung von Politik für die Medien.  
KISS: Keep It Short And Simple
Durch die Vereinfachung von politischen Botschaften orientieren sich die Parteien am Wirtschaftssystem, wo Unternehmensberater am Ende des 20. Jahrhunderts ihre Empfehlungen auf "Keep It Short And Simple" bzw. "Keep it Short, Stupid" (KISS-Formel) reduzierten. Misslungene Slogans der FPÖ nach der KISS-Formel gehören mittlerweile zum Standardrepertoire eines politischen Anekdotenerzählers.

Verkehrsministerin Monika Forstinger, zum Beispiel, war mit einer negativen Öffentlichkeit konfrontiert - so scheiterte einer ihrer ersten Fernsehauftritte, weil sie als Verkehrsministerin ein Interview ohne Sicherheitsgurt im Auto fahrend gab -, und stellte eine Pressekonferenz unter das Motto "Sanieren statt Schulden ohne Konzept", welches auf einem Plakat im Hintergrund zu lesen war. Allerdings wurde der im Fernsehbild voraussichtlich gezeigte Ausschnitt nicht getestet, so dass Forstinger als Rednerin vor den klar erkennbaren Worten "ohne Konzept" sprach.
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Der nachstehende Text stellt die überarbeitete Fassung von Teilen aus Vorträgen des Autors zum Thema "Mediale Inszenierung von Politik" dar. In den Vorwochen beschäftigte sich Peter Filzmaier mit der politischen Kommunikation von ÖVP und SPÖ , es folgt ein Text zu den Grünen.
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Zwischen Treppenwitz ...
Der ansonsten hochprofessionellen Vizekanzlerin Riess-Passer passierte Ähnliches, als die Formel "Neu regieren" im Fernsehbild auf "g(G)ier" reduziert wurde. In einer Pressekonferenz kurz vor dem Rücktritt der FPÖ-Regierungsmitglieder 2002 stürzte die Hintergrunddekoration vor laufender Kamera ein und fiel den FPÖ-Funktionären auf den Kopf. Die Bilder wurden zum logischen Symbol der schweren Parteikrise.
... und Professionalität
In früheren Zeiten sprachen symbolkräftige Schnappschüsse noch für die FPÖ, als 2000 der damalige Parteiobmann Jörg Haider am Steuer Bundeskanzler Wolfgang Schüssel im Porsche führte, und als 1993 gleichfalls Haider die später aus der FPÖ ausgetretene Heide Schmidt mit einer Torte gefüttert hatte.

1994 plakatierte die FPÖ für Jörg Haider "Er hat Euch nicht belogen". Die in der Werbung enthaltene Botschaft passte perfekt zum Image des damaligen Oppositionspolitikers, der falsche Versprechungen der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP thematisierte. Im Nationalratswahlkampf 1999 hieß es auf Bundesparteiobmann Jörg Haider und Spitzenkandidat Thomas Prinzhorn bezogen "Zwei echte Österreicher". Dadurch wurde in drei Worten sowohl der notwendigen Personalisierung entsprochen als auch konnten passend zum Image der genannten Politiker in hochgradig vereinfachter Form komplexe Sachmaterien (Einwanderungspolitik usw.) angesprochen wurden, um die Meinungsbildung der Wählerschaft mit geringem Aufwand anzuregen.
Handschlag, der nicht zählte
"Sein Handschlag zählt" (die FPÖ für Mathias Reichhold 2002) misslang hingegen bereits vor Reichholds Rücktritt, weil das Zielpublikum ungeachtet der tatsächlichen Integrität mit ihm aufgrund seiner politischen Karriere und des bundesweit vergleichsweise geringen Bekanntheitsgrades keine spezifische, d.h. ihn von allen anderen Politikern unterscheidende, Handschlagqualität verband.
Talk show-politics und Sympathiemanagement
Zugleich wurde Reichhold nicht als jemand gesehen, der in Alltagsgesprächen Hände schüttelnd mit den Wählern sprechen konnte. Auf medialer Ebene sind talk shows ohne redaktionelle Filter eine Gelegenheit, direkt, spontan und relativ entspannt mit den Zusehern zu kommunizieren ("political infotainment by passing the news").

Dabei sind Auftritte in Unterhaltungsshows gegenüber politischen Informationssendungen zu bevorzugen. Es gibt in den Nachrichtensendungen und Politmagazinen des ORF kaum eine positive Auftrittsmöglichkeit, die mit talk show-politics vergleichbar ist.
Voraussetzungen: Strategie und Medientalent
Voraussetzungen sind allerdings strategische Planung und Medientalent. Mehr als 10 Jahre vor Entdeckung der Unterhaltungssendungen mit ihrer feeling good-Atmosphäre als vergleichsweise risikolose Plattform scheinbar unpolitischer Selbstdarstellung wurde Fred Sinowatz als Wetten dass?-Gast im Fernsehstudio vor einem Millionenpublikum live mit Demonstranten gegen das Kraftwerk Hainburg konfrontiert. Derselbe SPÖ-Kanzler lieferte vor laufenden Kameras eine missglückte Tanzeinlage mit Marlene Charell.

Ungleich professioneller präsentierte sich Jörg Haider mit Tochter Cornelia am 25. September 1998 in der Sendung Vera als die FPÖ aufgrund der unseriösen Finanzgebarung in Niederösterreich - Stichwort "Fall Rosenstingl" - heftig kritisiert wurde, und ein Zeit im Bild 2-Interview für Haider höchst unangenehm hätte verlaufen können.
Dialektik aus Unterhaltung und Emotionen
Medienpädagogisch gesehen, beinhalten talk shows als politische Foren für den Zuseher eine Dialektik aus Unterhaltung und Emotionen, wodurch die Kombination von persönlicher Betroffenheit und spannender Inszenierung bei gleichzeitiger Reduktion der Inhalte gegeben ist.

Jörg Haider war es auch, der als Pionier mediengerecht aufbereitete Veranstaltungen als Pseudo-Ereignisse in seine Wahlkämpfe integrierte, und die Wichtigkeit inszenierter Freizeitbilder frühzeitig erkannte. Im Rahmen seines Sympathiemanagements vermittelte er als Marathonläufer oder "Bungee-Jumper" Gesundheit, Leistungsbereitschaft und Dynamik. Unbestritten sind seine Demonstrationen der Volksnähe, auf unzähligen Regional- und Lokalveranstaltungen wirklich gelebt, parallel aber für das Fernsehen adaptiert.
Das momentane Dilemma
Das momentane Dilemma der FPÖ ist, dass einerseits für politische Kommunikationsstrategien jeweils geeignete Akteure vorhanden sein müssen, und Herbert Haupt objektiv den Anforderungen einer modernen Teledemokratie nicht entspricht. Andererseits ist durch irrationale Kehrtwendungen 2002 und durch einen Alterungs- und Abnützungseffekt das Image des Jörg Haiders von 1986 bis 1999 nicht mehr vermittelbar.

Erst ab 2003 ist - zuletzt als Sheriff gekleidet in einem Report-Interview - ein Neuaufbau des Bildes eines Politikers, der die Regierung in Wien überwachen und zur Ordnung rufen muss, feststellbar.
Oppositionelles Marketing versus Regierungsarbeit
Generell hat die FPÖ den Rollenwechsel von der Oppositions- zur Regierungspartei in ihrer politischen Kommunikation nicht umsetzen können. Politiker mit einem entsprechenden Image, vor allem Susanne Riess-Passer und Karl Heinz Grasser, haben mehrheitlich keine Funktion mehr bzw. die Partei verlassen. Viele Funktionäre aus der "zweiten Reihe" und den Ländern huldigen jedoch unverändert einem betont offensiven und auch destruktiven Stil, der durch die Kritik am Opponenten und nicht durch Sachargumente geprägt ist.

In einem Kommentar der Wochenzeitung "Format" war am 30. März 1999 zu lesen: "In jedem Wahlkampf führt die FPÖ wieder und wieder vor, dass sie offenbar systematisch Dossiers über politische Gegner und andere unliebsame Personen anlegt, aus denen sie Beschuldigungen hervorzaubert - bevorzugt in Situationen, in denen der Angegriffene nicht aus dem Handgelenk kontern kann, in Fernsehdiskussionen zum Beispiel."
Das "Taferl": Logik des politischen Fernsehwettbewerbs
Daraus folgt einerseits die, insbesondere in Anbetracht der österreichischen Vergangenheit, berechtigte Sorge vor den politischen Umgangsformen der FPÖ. Andererseits ergibt sich ideologisch wertungsfrei, dass die Partei auf moderne Entwicklungen reagiert hat und die Logik des politischen Fernsehwettbewerbs in ihren Wahlkämpfen bis 1999 umsetzen konnte. Musterbeispiel waren Präsentationstafeln über angebliche Skandale und Privilegien, die Jörg Haider in den Fernsehdiskussionen der Spitzenkandidaten 1994 zeigte.

In der schnelllebigen Moderne ist zwar das "Taferl" - zuletzt von SPÖ-Parteiobmann Gusenbauer im Fernsehen verwendet - geblieben, wurde aber sowohl durch Tonbänder (Heide Schmidt in ihrer Live-Konfrontation mit Haider) übertroffen als auch wäre es für eine Regierungspartei lächerlich, plakative Angriffe letztlich gegen sich selbst zu inszenieren. Die alternative Strategie der Betonung von Stabilität, Kontinuität und Kompetenz ist nicht nur von der ÖVP besetzt, sondern für die FPÖ gegenwärtig beim besten Willen nicht glaubwürdig.
 
 
 
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