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Ulrich Körtner
Institut für Systematische Theologie der Evangelisch-Theologischen Fakultät und Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Ulrich Körtner :  Leben .  Gesellschaft .  Medizin und Gesundheit 
 
Ein Sieg der Doppelmoral
Zur halbherzigen Entscheidung des amerikanischen Präsidenten Bush für die Forschung an embyronalen Stammzellen
 
  Die Forschung an vorhandenen embryonalen Stammzellen soll in den USA mit öffentlichen Geldern gefördert werden. Die Herstellung neuer Stammzelllinien aber bleibt verboten.  
Ein entschiedenes Jein
Die mit Spannung erwartete Entscheidung des US-Präsidenten Bush dürfte Befürworter wie Gegner der Foschung an embryonalen Stammzellen in gleicher Weise enttäuschen.

Zwar sollen nun in den USA öffentliche Gelder für die Forschung an bereits vorhandenen embryonalen Stammzellen fließen, nicht aber für die Herstellung solcher Linien.

Mehr dazu in science.orf.at:
Bush zur Stammzellenforschung: Ja, aber

Bush trägt damit dem Widerstand christlicher Kreise und konservativer Politiker Rechnung. Doch was den enttäuschten Wissenschaftlern zu wenig sein mag, dürfte für konservative Hardliner noch zu viel sein. Sie setzen sich für ein völliges Verbot der embryonalen Stammzellforschung ein.
Moral und Ökonomie
Bush rechtfertigt seine Entscheidung damit, dass sie einerseits den medizinischen Fortschritt fördere, andererseits aber die moralische Grenze nicht überschreite, aus Steuergeldern die weitere Zerstörung menschlicher Embryonen zu finanzieren.
Auch wenn dem amerikanischen Präsidenten darin zuzustimmen ist, daß ethisch noch so hochrangige Ziele nicht jedes Mittel rechtfertigen, ist seine nun getroffene Entscheidung doch in mehrfacher Hinsicht fragwürdig.
Vordergründig wird die Ökonmie in die Schranken verwiesen. Im Ergebnis aber werden die Privatunternehmen gestärkt, die bislang schon embryonale Stammzelllinien hergestellt haben und weiter vertreiben dürfen.

Konkret bedeutet nämlich Bushs Entscheidung, dass staatliche oder öffentlich geförderte Forschungsinstitute die notwendigen Stammzellen bei Privatunternehmen einkaufen müssen, die verständlicherweise hohe Gewinne erzielen wollen und darum bei Vertragsabschluss entsprechende Nutzungsrechte für die zu erwartenden Forschungsergebnisse aushandeln.
Wissenschaftler, die Stammzellen z.B. bei der amerikanischen Firma Geron des angesehenen Forschers Thompson einkaufen, bleiben letztlich die verlängerte Werkbank der Privatwirtschaft.
Moralische Scheinlösung
Moralisch kann eine solche Vorgangsweise keinesfalls befriedigen. Es handelt sich um eine Scheinlösung, die sich in ethischen Dilemmata verstrickt. Wer es überhaupt für ein Unrecht hält, aus überzählen Embryonen Stammzellen zu gewinnen, darf konsequenterweise auch für die Forschung an ihnen keine öffentlichen Gelder zur Verfügung stellen.
Die Herstellung solcher Zelllinien zu verurteilen, die an ihnen gewonnenen Forschungsergebnisse aber therapeutisch und wirtschaftlich nutzen zu wollen, ist ein Fall von Doppelmoral.
Folgen für Europa
Die amerikanische Entscheidung ist für die europäischen Länder keinesfalls vorbildlich. Sie erhöht im Gegenteil den Druck, in Europa eigene Stammzelllinien herzustellen, um nicht, wenn anderweitige Bezugsquellen fehlen, ganz in die Abhängigkeit amerikanischer Privatunternehmen zu geraten.
Ob die Forschung an embryonalen Stammzellen überhaupt zugelassen werden soll, steht auf einem anderen Blatt. Ich selbst möchte diese Frage mit Einschränkungen bejahen.

Dann aber ist es allemal besser, solche Forschungen geschehen unter öffentlicher Kontrolle als irgendwo in verborgenen Privatlabors.
->   Ulrich Körtner: Überzählige Embryonen - was tun?
 
 
 
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