Host-Info
Ulrich Körtner
Institut für Systematische Theologie der Evangelisch-Theologischen Fakultät und Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Ulrich Körtner :  Gesellschaft .  Leben 
 
Verantwortung für das Leben
Evangelische Kirche veröffentlicht Denkschrift zur Biomedizin
 
  "Verantwortung für das Leben", so lautet der Titel einer Denkschrift, welche die Evangelische Kirche in Österreich heute veröffentlicht hat. Sie bezieht Stellung zu den brisanten Fragen der Biomedizin von der In-Vitro-Fertilisation bis zur Forschung an humanen embryonalen Stammzellen.  
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"Verantwortung für das Leben. Eine evangelische Denkschrift zu Fragen der Biomedizin"
Der Text wurde im Auftrag des Evangelischen Oberkirchenrates A. und H.B. der Evangelischen Kirche in Österreich von dem Wiener Theologieprofessor Ulrich Körtner in Zusammenarbeit mit Oberkirchenrat Dr. Michael Bünker verfasst und von der Synode der Evangelischen Kirche H.B. in Österreich, vom Theologischen Ausschuss und vom Diakonieaussschuss der Generalsynode sowie vom Synodalausschuss A.B. angenommen.

Die Denkschrift ist zu beziehen durch:

Evangelischer Presseverband, Ungargasse 9, 1030 Wien
Tel. 01/712 54 61
epd@evang.at
->   Der Text im Wortlaut als pdf-Datei
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Der Auftrag der Kirche im medizinethischen Diskurs
"Die evangelischen Kirchen in Österreich", so heißt es im Einleitungskapitel, "sehen ihre Verantwortung, sich aktiv am gesellschaftlichen Diskurs über Chancen und Gefahren der Biomedizin zu beteiligen. Dazu gehört auch das Gespräch zwischen den im Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich vertretenen Kirchen."
In 11 Kapiteln befasst sich die Denkschrift mit allen wichtigen Fragen, die sich aus der Erzeugung menschlichen Lebens im Reagenzglas und dem damit verbundenen biomedizinischen Fortschritt ergeben. Sie reichen von der Frage nach dem Lebensbeginn über die Fortpflanzungsmedizin, das reproduktive Klonen und die Präimplantationsdiagnostik bis hin zur Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen und zum therapeutischen Klonen.
Freiheit und Verantwortung
Wie die Handreichung betont, gehört es zum Grundverständnis evangelischen Glaubens, die Gewissensfreiheit, Mündigkeit und Verantwortung jedes Menschen in Fragen des Glaubens und der Ethik zu achten und einzuschärfen. Sie formuliert daher keine abschließende Position der evangelischen Kirchen, bezieht aber in Einzelfragen deutlich Stellung.
Evangelische Freiheit und evangelische Verantwortung schließen allerdings die Möglichkeit ein, dass in ethischen Fragen auf gemeinsamer Grundlage unterschiedliche Entscheidungen getroffen werden. Wichtiger als die konkreten Einzelaussagen ist daher die Klärung der theologischen und der ethischen Voraussetzungen, auf deren Grundlage Christinnen und Christen zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den Chancen und Gefahren der modernen Biomedizin gelangen können. Hierauf liegt das Gewicht der Denkschrift.
Wann beginnt menschliches Leben?
In der Frage des Lebensbeginns verweist die Stellungnahme auf die Uneinigkeit, die unter Medizinern und Philosophen herrscht. Üblicherweise wird in der evangelischen Kirche die Position vertreten, das Leben des Menschen beginne mit der Befruchtung, genauer: mit der Verschmelzung der Vorkerne. Anthropologisch muss man aber wohl von einer Unbestimmtheit des Lebensanfangs sprechen, die sich auch durch theologische Argumente nicht beseitigen lässt.
Wenn auch die vorliegende Denkschrift dennoch für den Schutz des Embryos von der Befruchtung an eintritt, so deshalb, weil jede spätere Festlegung des Lebensbeginn mehr oder weniger willkürlich wäre.
Ethische Probleme der In-Vitro-Fertilisation
Im Unterschied zur römisch-katholischen Kirche lehnt die evangelische Kirche die In-vitro-Fertilisation nicht grundsätzlich ab, sieht aber im Anfallen "überzähliger" Embryonen ein ethisches Problem. Es solle daher alles getan werden, um dieses Problem künftig zu vermeiden.
Kritisch äußert sich die Evangelische Kirche in Österreich zu dem Vorschlag, überzählige Embryonen zur Adoption freizugeben, weil damit das Tor zur Leihmutterschaft geöffnet würde. Im übrigen sei die "Adoption" nicht zu erzwingen, so dass das Problem überzähliger Embryonen so nicht wirklich gelöst werden könne.
Forschung an embryonalen Stammzellen
Damit stellt sich die Frage nach der Gewinnung und Beforschung embryonaler Stammzellen. Hier plädiert die Denkschrift für eine differenzierte Diskussion.
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"Es lässt sich argumentieren, dass unter gewissen Voraussetzungen eine Analogie zwischen einem abgetriebenen Fötus und einem in vitro gehaltenen bzw. kryokonservierten Embryo besteht, nämlich dann, wenn dieser nicht zu Forschungszwecken, sondern zum Zweck der medizinisch unterstützten Fortpflanzung gezeugt, jedoch als überzählig 'verworfen', d.h. vernichtet werden soll."

"In diesem Fall ist es ethisch vertretbar, eine Güterabwägung vorzunehmen und die Verwerfung des Embryos gegen die Gewinnung von Stammzellen abzuwägen, sofern deren Nutzung klar eingegrenzten, ethisch akzeptablen Zielen dient."
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Keinesfalls aber dürften Embryonen lediglich zu Forschungs- oder therapeutischen Verwertungszwecken erzeugt werden. Auf Ablehnung stößt daher das Verfahren des sogenannten therapeutischen Klonens.
Das Für und Wider der Präimplantationsdiagnostik
Sehr zurückhaltend äußert sich die Denkschrift zur Präimplantationsdiagnostik, auch wenn diese nicht kategorisch abgelehnt wird. Ausdrücklich verweist die Handreichung auf den Zusammenhang mit der pränatalen Diagnostik und auf die Gefahr, einer neuen Eugenik den Weg zu ebnen.
Zwar werden die Argumente der Befürworter ausgiebig gewürdigt, jedoch sei zu bezweifeln, dass sich die Präimplantationsdiagnostik in der Praxis wirklich auf nur wenige Ausnahmefälle eingrenzen ließe. So berechtigt der Wunsch betroffener Paare nach einem gesunden Kind ist, so wenig heiligt der Zweck alle Mittel.
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Biomedizin und Menschenrechte
Die Evangelischen Kirchen in Österreich fordern die Wissenschaftler und alle politisch Verantwortlichen dazu auf, sich für einen wirksamen Schutz der Menschenrechte auf dem Gebiet der Biomedizin und insbesondere für eine Verbesserung des gesetzlichen Embryonenschutzes einzusetzen.

Konkret treten sie für eine öffentliche Debatte über die Vor- und Nachteile eines Beitritts Österreichs zur Bioethik-Konvention des Europarates ein. Zwar werden im Blick auf einzelne Artikel Bedenken geäußert. Insgesamt aber überwiegen nach Ansicht der Evangelischen Kirche die Argumente, die für eine Ratifizierung sprechen.
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Denkanstöße für die bioethische Debatte in Österreich
Mit ihrer Denkschrift möchte die Evangelische Kirche der bioethischen Diskussion in Österreich neue Impulse verleihen. Man darf gespannt sein, wie Politik und Öffentlichkeit, aber auch die übrigen Kirchen darauf reagieren werden.
->   Mehr zur Bioethik
 
 
 
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