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Ulrich Körtner
Institut für Systematische Theologie der Evangelisch-Theologischen Fakultät und Institut für Ethik und Recht in der Medizin, Universität Wien
 
ORF ON Science :  Ulrich Körtner :  Gesellschaft .  Leben 
 
Stammzellforschung in der Schweiz
Der Schweizer Bundesrat veröffentlicht Entwurf eines Embryonenforschungsgesetzes
 
  Während die Diskussion um die Forschung an embryonalen Stammzellen in Österreich immer noch halbherzig geführt wird, geht die alpenländische Nachbarrepublik konsequent voran. Noch in diesem Jahr soll in der Schweiz ein Embryonenforschungsgesetz verabschiedet werden. Am Mittwoch hat der Schweizer Bundesrat seinen Gesetzentwurf veröffentlicht.  
Das Schweizer Embryonenforschungsgesetz
Der Schweizer Gesetzentwurf geht über das Ende April verabschiedete deutsche Stammzellgesetz hinaus. Anders als in Deutschland soll in der Schweiz künftig nicht nur mit importierten embryonalen Stammzellinien geforscht, sondern es sollen sogar aus überzählen Embryonen im Inland neue Stammzellinien hergestellt werden dürfen. Darüber hinaus soll unter Einhaltung strenger Auflagen die Forschung an überzähligen Embryonen erlaubt sein.
->   Der Gesetzentwurf im Wortlaut
Überzählige Embryonen
Als überzähliger Embryo gilt ein im Rahmen der in-vitro-Fertilisation erzeugter Embryo, der nicht zur Herbeiführung einer Schwangerschaft verwendet werden kann und deshalb keine Überlebenschance hat.
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Forschung an Embryonen
Falls das Gesetz die parlamentarischen Hürden nimmt, sollen künftig in der Schweiz Forschungsprojekte mit überzähligen Embryonen durchgeführt werden können, wenn dabei wesentliche Erkenntnisse erlangt werden sollen:

1. im Hinblick auf die Verbesserung der Verfahren der medizinisch unterstützten Fortpflanzung; insbesondere der In-vitro-Fertilisation,

2. über die Entwicklungsbiologie des Menschen.

Voraussetzung ist allerdings, dass

1. gleichwertige Erkenntnis nicht auch auf anderem Wege erlangt werden können,
2. nicht mehr überzählige Embryonen gebraucht werden, als zur Erreichung des Forschungsziels unbedingt erforderlich sind,
3. das Projekt den wissenschaftlichen Qualitätsanforderungen genügt,
4. das Projekt ethisch vertretbar ist.

Die Begutachtung der Forschungsprojekte erfolgt durch unabhängige Expertinnen und Experten bzw. durch unabhängige Gremien.
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Forschung an embryonalen Stammzellen
Ähnliche Kriterien stellt das Gesetz für die Forschung an embryonalen Stammzellen auf. Diese soll durchgeführt werden können, wenn auf diese Weise wesentliche Erkenntnisse erlangt werden sollen:

1. im Hinblick auf die Feststellung, Behandlung oder Verhinderung schwerer Krankheiten des Menschen,

2. über die Entwicklungsbiologie des Menschen.
Import und Herstellung embryonaler Stammzellen
Das Gesetz regelt ferner die Modalitäten für den Import, für die Gewinnung und auch für den Export von humanen embryonalen Stammzellen. Sollte das Gesetz in Kraft treten, würden in der Schweiz also künftig auch neue embryonale Stammzellinien hergestellt werden dürfen. Allerdings so es verboten bleiben, einen überzähligen Embryo über den 14. Tag hinaus sich entwickeln zu lassen.
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Keine Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken
Verboten bleiben die Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken, der Eingriff in das Erbgut einer Keimbahnzelle, sowie die Bildung von Klonen, Chimären oder Hybriden, auch zum Zwecke der Stammzellgewinnung. Außerdem sollen der Import oder Export von überzähligen Embryonen sowie die Übertragung von überzähligen Embryonen, die zu Forschungszwecken verwendet wurden, auf eine Frau verbioten bleiben.
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Regelungsbedarf in Österreich
Das Schweizer Gesetz geht jetzt in die "Vernehmlassung" (Anhörung). Noch im Herbst soll das Vernehmlassungsverfahren abgeschlossen werden. Österreich ist damit (außer Liechtenstein) das einzige deutschsprachige Land, in welchem noch keine Anstrengungen zu einer rechtlichen Regelung der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen unternommen werden.

Der Import humaner embryonaler Stammzellen sowie ihre Verwendung sind bei uns gesetzlich nicht verboten, aber auch nicht klar geregelt. Das aber ist auf die Dauer kein haltbarer Zustand.
->   Ulrich Körtner: Stammzellforschung: Die Doppelmoral der österreichischen Biopolitik
 
 
 
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