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Das ''A bis Z'' der Plagiatoren  
  Seit es das Internet gibt, hat der Diebstahl geistigen Eigentums besondere Brisanz erhalten. Doch die Liste der Plagiatoren aus Wissenschaft und Literatur war schon zuvor außerordentlich lang. Ein neues Nachschlagewerk gibt darüber Auskunft.  
"Plagiat ist die aufrichtigste Form der Bewunderung."
Baudelaire hatte ein schlechtes Gewissen, La Fontaine nannte sich selbst einen Nachahmer, und Voltaire hielt den geistigen Diebstahl an literarischen Werken für selbstverständlich. "Mit Büchern verhält es sich wie mit dem Feuer: Man nimmt das Feuer bei seinem Nachbarn, zündet damit sein eigenes an und gibt es anderen weiter, es gehört der ganzen Welt", erklärte der Aufklärer einst.
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Neues Nachschlagewerk des Plagiats
Die Liste der französischen "Wort- und Gedankendiebe" ist lang und reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück. In dem neuen Nachschlagewerk "Les plagiaires. Le nouveau dictionnaire" von Roland de Chaudenay, das der Verlag Perrin herausgebracht hat, sind sie alphabetisch aufgeführt - von A wie Blaise Auriol bis Z wie Emile Zola.
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Plagiat als Basis aller Literatur
"Das Plagiat ist die Basis jeder Literatur, ausgenommen des Originals, das meistens unbekannt ist", schrieb Jean Giraudoux (1882-1944). Damit hat sich der französische Schriftsteller und Diplomat zum Wortführer mehrerer Generationen von Nachahmern anderer Autoren gemacht.

"Viele Schriftsteller hielten den Diebstahl geistigen Eigentums für mehr oder weniger legal", erklärt Roland de Chaudenay in seinem unterhaltsamen Nachschlagewerk.
Voltaire größter Plagiator
Voltaire gehört nach Ansicht des Verfassers zu den größten und kühnsten Plagiatoren überhaupt. Er soll sich ungeniert bei den Kollegen bedient und gleichzeitig die literarischen "Anempfinder" an den Pranger gestellt haben.

"Voltaire hatte eine doppelte Moral. Im Grunde verurteilte er sich selbst. Außerdem schrieb er von Autoren ab, von denen er anscheinend keine sehr hohe Meinung hatte", schreibt der Autor. Rabelais zum Beispiel hielt Voltaire für einen "Possenreißer" und "betrunkenen Mönch".
Sich einer Sache bedienen, die allen gehört
Das bürgerliche Rührstück "Der natürliche Sohn" von Denis Diderot (1713-1784) lehnt sich stark an die Komödie "Il Vero Amico" (Der wahre Freund) des italienischen Lustspieldichters Carlo Goldoni an. Viele Situationen, Personen und einen Teil der Dialoge hat Diderot von dem Vorgänger übernommen.

Im Jahr 1758 musste sich der Enzyklopädist rechtfertigen. "Ich habe mich einer Sache bedient, die allen gehört. Goldoni hatte auch keine Skrupel; er plünderte beim 'Geizigen' von Moliere, und keiner hat etwas gesagt", meinte Diderot.
Originale nicht zitieren, um die Leser nicht abzulenken
Stendhal versteckte sich hinter dem Pseudonym Louis-Alexandre-Cesar Bombet. Im Jahr 1815 entdeckte der Italiener Giuseppe Carpani, dass das Werk "Lettres écrites de Vienne en Autriche sur le celebre compositeur Joseph Haydn" (Briefe aus Wien in Österreich über den berühmten Komponisten Joseph Haydn) von Stendhal zu drei Vierteln die wortwörtliche Übersetzung seiner Veröffentlichung "Haydine" war, die 1812 in Mailand herauskam.

Auch die 1817 veröffentlichte Publikation "Geschichte der Malerei in Italien" ähnelt Texten von italienischen Autoren, was Stendhal, der einige Jahre französischer Konsul in Italien war, nicht weiter störte. "Von 20 Seiten sind mindestens 19 übersetzt. Ich habe die Originale nicht zitiert, um die Aufmerksamkeit des Lesers durch Fußnoten nicht abzulenken", begründete er sein Handeln.
Plagiatoren heute
Mit derselben Unverfrorenheit wie damals gehen auch zeitgenössische Autoren ans Werk. Der Sonderberater des verstorbenen Staatspräsidenten Francois Mitterrand, Jacques Attali, veröffentlichte 1982 den Band "Histoire du temps" (Geschichte der Zeit). Darin finden sich ganze Passagen von Ernst Jünger und Jacques Le Goff wieder.

Als Attali des Plagiats beschuldigt wurde, verwies er auf seinen Verleger mit der Antwort, dieser habe die Anführungszeichen vergessen.

Alain Minc, Philippe Sollers und der französische Bischof Jacques Gaillot reihen sich in die Galerie der "Wortdiebe" des 20. Jahrhunderts ein. "Jeder hat sich auf seine Weise schuldig gemacht, heute wie früher", meint Roland de Chaudenay "doch alle sind sie Plagiatoren - nach dem Prinzip: Man muss dem Kaiser nehmen, was nicht des Kaisers ist."

(dpa - Sabine Glaubitz)
 
 
 
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01.01.2010