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Zur Politik des wissenschaftlichen Publizierens  
  Autoren, die in wissenschaftlichen Fachpublikationen ihre Forschungsergebnisse veröffentlichen, tun sich schwer, auf mögliche Interessenkonflikte hinzuweisen, die sich aus ihren Studien ergeben - etwa wenn medizinische Studien im Auftrag von Pharmafirmen durchgeführt wurden.  
Die Herausgeber der führenden wissenschaftlichen Publikationsorgane sind sich jedoch uneins, ob das ein wirkliches Problem darstellt, und wenn ja, was man dagegen tun kann.

Über die Ergebnisse einer Studie über die Praxis der so genannten "Offenlegung" berichtet die neueste Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Nature" -, das selbst nicht zu den in der Studie untersuchten Magazinen gehört.
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Die Studie
In der Studie der Tufts University (Massachusetts, USA) wurden 61.134 Artikel untersucht, die im Verlauf des Jahres 1997 in 181 führenden Zeitschriften veröffentlicht wurden. Alle untersuchten Zeitschriften verlangen eine Offenlegung bezüglich möglicher Interessenskonflikte. Zu den untersuchten Magazinen gehörten "Science", "The Journal of the American Medical Association" und die "Proceedings of the National Academy of Sciences". "Nature" und "Cell", die keine derartigen Offenlegungsrichtlinien haben, waren von der Untersuchung ausgeschlossen. Die Studie soll in "Science and Engineering Ethics" (Nr. 7, 2001) erscheinen.
->   Science and Engineering Ethics
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Weniger als ein Prozent Offenlegungen
Die Autoren der Studie zählten jeden positiven Fall einer Offenlegung, einschließlich der Angabe eines Honorars, zu erwartende Patentanmeldungen, Aktienbeteiligungen oder andere Formen von persönlichem oder finanziellem Vorteilen, die der Autor mit der Veröffentlichung verbinden könnte.

Nur ein Drittel der untersuchten Wissenschaftsjournale enthielten Veröffentlichungen mit Offenlegungen. Und hiervon wiederum hatten weniger als ein Prozent der Papers entsprechenden Angaben.
Offenlegung von geringem Interesse für Leser
Eine mögliche Erklärung hierfür wäre, dass nur wenige Wissenschaftler etwas offen zu legen hatten. Doch der Leiter der Studie, Sheldon Krimsky von der Tuft University, Fachbereich Urban and Environmental Policy, hält dies für unwahrscheinlich. "Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei zwei Drittel der Magazinbeiträgen niemand ein Patent anmelden wollte oder ein Forschungshonorar bekam?" fragt er.
->   Tufts University
Es kommt auf die gute Arbeit an
Doch sei eine derartige Information für die meisten Leser von keinem hohem Interesse, argumentieren einige Herausgeber von Wissenschaftsmagazinen. Kevin Davies, Chefredakteur von "Cell Press", meint, die meisten Redakteure seien der Meinung, gute wissenschaftliche Arbeit stehe für sich selbst. "Es kommt auf die Qualität der Forschung an", sagt er.

Derselben Meinung ist der Chefredakteur von "Science", Donald Kennedy. Doch müssten die Autoren Informationen beibringen über mögliche Interessenkonflikte. Diese Angaben würden von den Herausgebern bewertet, jedoch nicht an die externen Gutachter weitergegeben. "Die Aufgabe der 'Peer-Reviews' ist es, die Wissenschaft zu bewerten, und nicht, als unser Gewissen zu fungieren", meint er.
Faires Gutachterverfahren
Eine vollständige Offenlegung jedoch würde zu einem fairen Gutachterverfahren führen, wendet Krimsky ein. "Wenn ein Artikel beispielsweise von einer sichere Zigarette handelt, ist es schon interessant zu wissen, ob der/die Autor/in im Öffentlichen Dienst tätig war oder zwanzig Jahre lang bei einer Zigarettenfirma angestellt", sagt er.
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Wer in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" veröffentlicht, muss Angaben über relevante Verbindungen zur Wirtschaft offen legen. Doch laut Chefredakteur Nicholas Cozzarelli reagieren nicht alle Autoren darauf ohne wiederholtes Anmahnen. Hin und wieder musste das Magazin eine Korrektur veröffentlichen, nachdem aufmerksame Leser sich über einen nicht offen gelegten Interessenkonflikt beschwert haben.
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Unterschiedliche Auffassungen von "Interessenkonflikt"
Cozzarelli meint, das Problem liege eher in den unterschiedlichen Auffassungen darüber, was ein Interessenkonflikt ist, als in irgendeiner Absicht der Autoren, die Wahrheit zu verbergen.
Das Finanzielle spielt doch eine Rolle
Bei "Nature" sollen laut Philip Campbell im Laufe diesen Jahres die Bedingungen zur Offenlegung geändert werden. Demnächst sollen alle Autoren irgendwelche finanziellen Interessen an den zur Veröffentlichung eingereichten Forschungsergebnissen angeben müssen. Man darf allerdings auch nichts angeben, aber das wird dann auf dem Paper vermerkt, sagt Campbell.

Dieser Wandel verdankt sich teilweise der Erkenntnis, dass das Finanzielle doch eine Rolle spielt. Beispielsweise fand eine Studie (veröffentlicht im "Journal of the American Medical Association" 1999) heraus, dass Forschungen, die von Pharmafirmen in Auftrag gegeben worden waren, bis zu acht mal eher zu einer positiven Bewertung eines Arzneimittels kamen als entsprechende öffentlich finanzierte Studien.
Unabhängigkeit der Forschung in Gefahr
Obwohl die Beweise nicht endgültig sind, haben die neueren Diskussionen etwa um gentechnisch manipulierte Nahrungsmittel das öffentliche Bewusstsein dafür geschärft, dass die Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Forschung möglicherweise in Gefahr ist. "Eine Transparenz der finanziellen Interessen könnte dazu Beitragen, solche Sorgen zu minimieren", sagt Campbell.

(red)
->   Nature
 
 
 
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01.01.2010