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Die Welt von Übermorgen  
  Zufällige Mutation und natürliche Selektion sind die treibenden Kräfte hinter der kontinuierlichen Weiterentwicklung allen Lebens. Wohin Evolution führen könnte, illustriert die Titelgeschichte des jüngst erschienenen Universum-Magazins.  
Waldflische und Kalmaffen

Waldflisch
Silbrig-graue, fliegende Fische - so genannte "Waldflische" -, dazu auf Bäumen lebende Tintenfische, die "Kalmaffen" heißen? Das klingt nach dem neuesten Walt-Disney-Film aus der gleichen Schublade wie "Arielle, die kleine Meerjungfrau". Ist aber weit gefehlt.

Diese Szene ist Teil der dreiteiligen Universum Dokumentation "The Future is Wild", an der in den Animationsstudios in Bristol, dem Hollywood des Naturfilms, gerade heftig gearbeitet wird.
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88-Millionen-Projekt
Universum-Chef Walter Köhler wurde vor drei Jahren auf das Projekt aufmerksam. Die Idee, die auf den Büchern des Science-Autors Dougal Dixon basiert und vom Produzenten John Adams aufgegriffen wurde, schien ihrer Zeit zu weit voraus zu sein. Doch Köhler sagte zu und heute ist aus diesen kleinen Anfängen ein fast vier Millionen Pfund (88 Mio. ATS) schweres Großprojekt geworden.
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Prämisse: Auslöschung der Menschheit

Silver Swimmer
Ausgehend von der Prämisse, dass sich die Menschheit zusammen mit den großen Säugetieren selber auslöscht, stellte das Filmteam anerkannten Evolutionsbiologen die Frage, welche Tiere und Pflanzen die Erde in fünf, 100 und 200 Millionen Jahren bevölkern könnten.

Flisch und Kalmaffe sind nur zwei der gewöhnungsbedürftigen Kreaturen, die dabei herausgekommen sind. Manche der Organismen, die die virtuelle Welt der Computeranimationen bewohnen - wie Feuer speiende Pflanzen und Riesenvögel, die im Jetstream um die Erde segeln -, klingen im ersten Moment ziemlich futuristisch, aber die Evolution hat schon öfters scheinbar Unmögliches vollbracht.
Evolution: schon bisher sehr einfallsreich
Riesenschlauchwürmer, bleiche Muscheln, winzige Krabben, Shrimps und kleinere Würmer, die sich in den Tiefen des Ozeans um heiße Quellen scharen, gehören zu diesen bizarren Designleistungen. Diese Lebensgemeinschaften ernähren sich in der Finsternis der Tiefsee ausschließlich von Bakterien, die ihre Energie aus dem schwefelhaltigen Wasser, das mit bis zu 350 Grad Celsius aus dem Meeresboden schießt, gewinnen. Nur wenige Meter weiter weg sind diese fremdartigen Kreaturen dem sicheren Tod preisgegeben.
Die Regeln der Evolution
Obwohl Evolution vom Zufall geprägt ist, folgt sie bestimmten Regeln, die den Ausgangspunkt für die filmischen Spekulationen bilden. "Wir haben wirklich versucht, so wissenschaftlich wie möglich zu arbeiten. Die Ideen des Filmteams wurden an ein Komitee von Wissenschaftlern weitergeleitet, die sich überlegt haben, wie wahrscheinlich diese Tiere sind und ob sie überhaupt lebensfähig wären", erzählt der Österreicher im Drehteam, Wolfgang Knöpfler.
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Charles Darwin
Der Brite Charles Darwin erkannte als Erster die Gesetzmäßigkeiten, denen die Entstehung neuer Arten folgt. Durch zufällige Mutation entstehen permanent neue Varianten, die sich geringfügig von ihren Vorläufern unterscheiden. Alle Lebewesen durchlaufen die strenge Qualitätskontrolle der "natürlichen Selektion" und sind einem kontinuierlichen Wandel unterworfen.
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Schwierige Beobachtung der Evolution
Der Wandel der Evolution ist allerdings nur schwer zu beobachten, denn er vollzieht sich in zeitlichen Dimensionen, die weit jenseits der menschlichen Wahrnehmung liegen.

Manchmal aber kann man die Evolution doch in Aktion beobachten. Bei Bakterien etwa, die sich unter günstigen Lebensbedingungen alle 20 Minuten teilen, und deren Entwicklung somit auch für Menschen nachvollziehbar ist.
Größe gegen Kälte
Laut Drehbuch werden die klimatischen Verhältnisse in fünf Millionen Jahren völlig andere sein als die momentanen - ausgedehnte Gletscher überziehen die Kontinente.

Eine Möglichkeit, mit der Kälte umzugehen, ist Größe. Die letzte Eiszeit bescherte uns Riesenmammuts, während der nächsten könnten gigantische Mammutratten gemächlich im Familienverband über karge Tundren ziehen - verfolgt von Säbelzahnwölfen.

Wo es große Herden von Pflanzenfressern gibt, gibt es fleischfressende Jäger, besagt eine der Faustregeln der Evolution. Aber Eiszeiten bilden in der Geschichte der Erde die Ausnahme, meistens ist das Klima warm und feucht.
Fliegen gegen Hitze
In 100 Millionen Jahren - so die nächste Regieanweisung - werden nur die höchsten Gipfel mit Schnee und Eis bedeckt sein. Tropische Sümpfe und Regenwälder werden sich auf Kontinenten ausdehnen, die sich in völlig neuen Positionen befinden. Einer der imagnierten neuen Erdenbewohner: der Blaue Riesenwindsegler, den ein zweites Flügelpaar auszeichnet.
Massensterben in der fernen Zukunft
Doch je weiter die Filmemacher gemeinsam mit den Wissenschaftlern in die Zukunft blickten, umso rarer wurde das Altbekannte. Sie ließen Supervulkane ausbrechen und ungeheure Mengen Asche und Staub in die Atmosphäre schleudern, die jahrelang die Sonne verdunkelten. Ein Massensterben war die Folge, bei dem 95 Prozent der Arten ausgelöscht wurden.
Landbewohner werden es schwer haben
In der Vergangenheit rafften Massensterben schon mehrmals den Großteil aller Arten hinweg - so vor 248 Millionen Jahren, als der Einschlag eines Riesenmeteorits das Zeitalter der Dinosaurier beendete. Was aber könnte in der fernen Zukunft nach einem derartigen Massensterben geschehen?

Während die Prognose für Landbewohner schlecht ausschaut, haben Meerestiere gute Chancen, diese Krise zu überstehen. Fische haben schon einmal erfolgreich das Wasser verlassen, sie könnten es wieder tun.

Nur diesmal auf eine völlig neuartige Weise. Anstatt mit Flossen an Land zu robben, könnten sie sich direkt mit Flügeln in die Luft erheben. Und schon gleiten "Flische" über die Landschaft.
Im Zeitalter der Tintenfische
Überlebende Tintenfische könnten das Land entlang derselben Route erobern, die in der Vergangenheit von Fischen und Insekten gewählt wurde: durch feuchte Randhabitate.

Anpassung an die trockene Umgebung ist aber nur eines der Probleme, die terrestrische Tintenfische lösen müssten. Sie bräuchten ein Skelett, damit sie sich aufrichten können und nicht auf eine kriechende Schleimpilzexistenz beschränkt wären. Von hier ist es dann nur mehr ein kleiner Schritt bis hin zu Kalmaffen, die sich geschickt mit ihren zehn Tentakeln von Ast zu Ast hangeln.
Nostalgisches am neuen Superkontinent?
Und vielleicht sitzen in 200 Millionen Jahren, wenn sich alle Erdteile zum neuen Superkontinent Pangäa II zusammengeschlossen haben werden, Tintenfische schnatternd um ein Feuer und fragen sich, wie die Welt damals wohl ausgesehen hat, als es noch Menschen gegeben hat.

Gina Kirchweger, Universum-Magazin
Die komplette Geschichte ist im aktuellen "Universum" nachzulesen.
->   Universum-Magazin
 
 
 
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01.01.2010