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Tierisch fies  
  Delfine sind brutal, Bienen faul und Schaben faszinierend. In ihrem neuen Buch "Schön scheußlich" räumt die Pulitzer-Preisträgerin Natalie Angier mit tierischen Vorurteilen auf.  

Delfine auf Freiersfüßen gehören zu den brutalsten und listigsten Tieren unter Wasser. Die Männchen versammeln sich in Banden, um fruchtbare Weibchen zu fangen. Sollte das Tümmlerweibchen paarungsunwillig sein, wird es von den Männchen gejagt, gebissen oder mit dem ganzen Körper gerammt.

Weibchen gehen oft mit tiefen Bisswunden aus der Begegnung heraus. "Neben Berichten über die Schönheiten etlicher ausgemachter Fieslinge liefere ich auch Beweise über das Fiese in einigen von uns landläufig als Ikonen der Schönheit geschätzten Existenzen", meint Angier.
Facettenreicher Schädling
Unerwartete Schönheit entdeckt die Autorin zum Beispiel bei der Schabe. Schaben gelten unter Neurobiologen als Äquivalent zur weißen Laborratte. Denn sie besitzen auf Grund ihrer langen Fühler eine außerordentliche chemische und taktile Sensibilität.

In Kombination mit einem Nervensystem aus extrem großen Zellen macht sie das zu einem idealen Versuchstier. Sie verdienen allein schon Respekt wegen ihrer enormen Vielfalt: Rund 4.000 Arten sind bekannt. Zudem sind sie die einzige Insektenart, die ihre Jungen in einer Art Gebärmutter nährt. Nur 20 Schabenarten gelten als Schädlinge.
Geduldige Schlange
Auch die außerordentlichen Fähigkeiten der Grubenotter werden kaum beachtet, dabei gelten ihre chemosensitiven Fertigkeiten als die sensibelsten im ganzen Tierreich, kritisiert die Autorin.

Der Biss einer Grubenotter dauert nur den Bruchteil einer Sekunde. Doch in dieser kurzen Zeit nimmt die Schlange die Witterung der Beute auf, indem sie deren chemische Signatur mit der gespaltenen Zunge wahrnimmt.

Das vergiftete Tier wird losgelassen, kann entkommen und stirbt. Die Schlange wird es aufspüren, wo auch immer es sich versteckt.
Faul wie eine Biene
Althergebrachte Mythen von der Betriebsamkeit der Bienen werden durch neue Zeitstudien widerlegt. Die emsigen Bienen widmen genauso wie die Ameisen nur rund ein Zwanzigstel ihres Tages der Arbeit - wie der Suche nach Nektar und der Reinigung des Nestes.

"Der Mythos vom nimmermüden sozialen Insekt entstand vermutlich aus der Betrachtung ganzer Ameisenhaufen oder Bienenstöcke, kleiner Galaxien von pausenloser Aktivität", schreibt Angier. "Die legendären Arbeiter der Wildnis - Vögel, Bienen, Biber - vertrödeln in Wirklichkeit mehr Zeit im Müßiggang als der Durchschnittseuropäer."
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Alles ganz menschlich
Die Wissenschaftspublizistin bekennt sich ganz klar zum umstrittenen Anthropomorphismus. "Nach herkömmlicher Ansicht sollte ein Wissenschaftler nie davon ausgehen, dass ein Tier bestimmte Absichten verfolgt oder sich dessen bewusst ist, was es tut, ja nicht einmal davon, dass es Schmerz fühlt. Der wahrhaft objektive Biologe wird sich hüten, persönliche Gefühle in ein Tier zu projizieren, und seine Forschung stattdessen auf eine solide Sammlung von Beobachtungen und eine emotionslose statistische Analyse seiner Daten beschränken."

Sie meint aber, wenn die Vermenschlichung intelligent erfolgt, könnte das unsere Erkenntnisse über das Leben und auch die Befindlichkeit der Tiere beträchtlich erweitern. Anthropomorphismus sei nur ein anderes Wort für Empathie, für die Bereitschaft, die Welt so zu sehen, wie es ein Tier tut.
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Die liebe Verwandtschaft
Wirklich menschlich wird¿s, wenn die Autorin vom Sozialverhalten der Tiere berichtet. Viele Vogelarten und einige gesellig lebende Säugetiere wie Mungos und Wildhunde leben in Sozialverbänden, in denen Eltern, Großeltern, Nichten und Schwiegereltern auf engstem Raum zusammenleben.

Was nach glücklichem Familienleben aussieht, ist in Wirklichkeit die reinste Ausbeutung, meint Angier. Zwergmangusten zum Beispiel, rattengroße Säugetiere in Afrika, leben mit rund 20 Verwandten zusammen.

Nur ein einzelnes Paar produziert Nachwuchs. Alle anderen erledigen die Arbeit wie die Jungen füttern, den Bau sichern usw. Sollte ein untergeordnetes Weibchen Nachwuchs bekommen, verschwindet dieser auf mysteriöse Weise.
Dummes Schaf?
Biologen haben auch bei Schafen ein überaus komplexes Sozialverhalten beobachtet: Gesten zur Versöhnung nach einer Auseinandersetzung oder Einstehen für ein Mitschaf, das von der Herde angegriffen wird, wollen die Forscher ausgemacht haben. Ganz so dumm können Schafe offensichtlich nicht sein.

Die Kapitel des Buches sind ursprünglich als Artikel in der "New York Times" erschienen - fraglich ist aber die Auswahl. Denn als Leser wundert man sich, unter dem Titel "Schön scheußlich" das Portrait einer Brustkrebsforscherin zu finden.

Ulrike Schmitzer, Ö1-Wissenschaft
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01.01.2010