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Alkohol ist vor allem ungesund  
  Slogans wie "Länger leben mit Rotwein" oder "Gesund und schön mit Bier" sind eine Schimäre. Alkoholkranke haben im Vergleich zu Abstinenten ein zwei- bis sechsfach höheres Todesrisiko.  
Sie sterben im Durchschnitt um sechs bis 18 Jahre früher. Das erklärten am Montag Experten beim 5. Internationalen Suchtkongress (7. bis 10. Mai) in Baden bei Wien. An der Veranstaltung unter der Ägide der WHO nehmen rund 400 Fachleute teil.
Langsamer oder schneller Tod
"Alkohol kann langsam oder auch schnell töten. Das kommt darauf an. Beispielsweise verursacht laut einer US-Studie der Konsum von täglich mehr als 52 Gramm reinen Alkohols eine Steigerung des Sterberisikos um 65 Prozent. Alkoholkonsum lässt das Risiko für Leberzirrhose, Krebs der Atmungs- und Verdauungsorgane, für Gehirnblutungen, Bluthochdruck und Verletzungen stark ansteigen", erklärte der Forschungsleiter des finnischen Instituts für Alkohol-Studien, Kari Poikolainen.
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Leber am stärksten betroffen
Exorbitant ist klarerweise die Gefahr des Alkohols für die Leber. Männer aus Mittelmeerregionen haben bei einem Alkoholkonsum von 50 Gramm reinem Alkohol pro Tag bereits das 5,5-fache Zirrhose-Risiko im Vergleich zu Abstinenten. Bei den Frauen steigt das Risiko bereits auf das 8,7-Fache. 100 Gramm reiner Alkohol pro Tag (angeratene Höchstgrenze bei Frauen: 20 Gramm pro Tag, bei Männern 40 Gramm) verursachen bei diesen Männern bereits das 24,3-fache Zirrhose-Risiko, bei Frauen gar das 59,3-fache.
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Erhöhte Unfallgefahr
Besonders arg ist auch die Unfallgefahr. Poikolainen: "Schon ein Blutalkohol von höchstens 0,5 Promille steigert bei Männern das Verkehrsunfallsrisiko um den Faktor 10,6, bei Frauen um den Faktor 6,9." Die Hälfte der Todesfälle, die bei Alkoholkranken auftreten, dürfte übrigens auch mit dem Rauchen zu tun haben. Hier ergänzen einander zwei der größten Gesundheitsgefahren, die auf den Lebensstil zurück gehen.

Dem gegenüber stehen die immer wieder auftauchenden Meldungen von der angeblich gesundheitlich positiven Wirkung von Alkohol. Der finnische Fachmann: "Das trifft am ehesten für die Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu."
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Die "Mär" vom gesunden Rotwein
Doch die "Mär" vom angeblich so gesunden Rotwein ist längst nicht ausreichend bewiesen. Ingrid Kiefer vom Institut für
Sozialmedizin der Universität Wien: "Rotwein hemmt zwar im Vergleich zu Weißwein stärker die Oxidation des 'schlechten' LDL-Cholesterins. Doch mehrere Studien haben gezeigt, dass offenbar Alkohol an sich diese Schutzwirkung hat."
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Österreicher über Toleranzgrenze
Das Problem: Mit einem Konsum von durchschnittlich 135,5 Liter Bier und um die 36 Liter Wein pro Jahr trinkt jeder Österreicher und jede Österreicherin über 16 Jahre ohnehin schon etwas mehr als die von den Fachleuten gerade noch tolerierten Tagesmengen. Ingrid Kiefer: "Der Österreicher nimmt damit im Durchschnitt pro Tag 360 Kalorien über den Alkohol zu sich. Im Jahr entspricht das der Deckung von zwei Monaten des gesamten Kalorienbedarfs."

Was noch hinzu kommt: Eine "Empfehlung", Alkohol zur
"Gesundheitsförderung" auszusprechen, würde wahrscheinlich sofort das Gegenteil des erwünschten Effektes erzielen.

Rudolf Mader, Leiter des Anton-Proksch-Instituts in Kalksburg (Wien), das den Kongress in Baden organisiert: "Laut US-Studien würde eine Empfehlung, regelmäßig Alkohol zu trinken, zehn Prozent der Angesprochenen zu Abhängigen machen."
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1,2 Millionen Österreicher alkoholgefährdet
In Österreich sind derzeit rund 1,2 Millionen Menschen
alkoholgefährdet oder abhängig. Die Zahl der von illegalen Drogen abhängigen beträgt rund 20.000. Etwa 110.000 Menschen dürften medikamentensüchtig sein. 60 Prozent aus dieser Gruppe sind Frauen.
->   8.000 Alkohol-Todesopfer pro Jahr in Österreich
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Begleiterscheinungen der Sucht noch gefährlicher?
Was ist gefährlicher - die Sucht oder die Begleitkrankheiten der Abhängigkeit? In vielen Fällen sind es erst die körperlichen und psychischen Komplikationen, die den Ausschlag geben. Das erklärte der WHO-Experte Cees Goos.

Goos, der das Anton-Proksch-Institut in Kalksburg (Wien) als eine jener Institutionen bezeichnete, die in Europa das Antlitz der Betreuung von Abhängigen bestimme, zum Motto der Veranstaltung ("suchtrisiko - risikosucht"): "Was ist das Risiko der Abhängigkeit? Was wiegt mehr - die mit der Sucht gemeinsam auftretenden Krankheiten oder die Abhängigkeit selbst?"
Abhängigkeit ein Motor für andere Krankheiten
In vielen Fällen sind die Folgewirkungen von Suchverhalten viel dramatischer als die Abhängigkeit selbst. Der WHO-Experte: "In der Ukraine zum Beispiel sind Tuberkulose und HIV trotz der Suchtproblematik viel wichtiger. Wir erkennen immer mehr, dass Abhängigkeit ein Motor für viele andere Krankheiten sein kann."

Im Endeffekt ist die Gefährlichkeit der Begleiterscheinungen von Suchtverhalten auch einer der Hauptgründe für
Substitutions-Therapien, wie sie beispielsweise bei Opiat-Abhängigen mit großem Erfolg durchgeführt werden. Da geht es um die Sicherstellung einer medizinischen Versorgung, um die soziale Wiedereingliederung und um die Vermeidung zusätzlicher gesundheitlicher Risken, die mit dem Konsum von illegalen Drogen (z.B. Virus-Hepatitis, HIV) in Verbindung stehen.
Gefahr durch regelmäßige Trinker
Den meisten Schaden durch den Konsum von Rauschmitteln, an erster Stelle Alkohol, verursachen übrigens nicht die Abhängigen, sondern jene Menschen, die diese Substanzen eher gelegentlich konsumieren. Goos am Beispiel Alkohol: "Die meisten Schäden richten nicht die Abhängigen an, sondern jene Menschen, die von Zeit zu Zeit trinken oder Alkohol im Gesellschaftsleben konsumieren." Unfälle, Gewalt in der Familie etc. sind hier die Hauptursachen.

(APA/red)
Alkoholismus genetisch beeinflusst?
Lesen sie mehr zu den genetischen Ursachen des Alkoholismus auf science.orf.at.
->   Alkoholismus genetisch beeinflusst?
->   Das Kongress-Programm als pdf-file
 
 
 
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01.01.2010