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Moleküle zur Tumor-Bekämpfung  
  Amerikanische Tiermediziner haben herausgefunden, dass bestimmte Moleküle, die der Körper bei Infektionen produziert, das Wachstum von Krebstumoren hemmen oder gar zum Stillstand bringen können.  
Die Wissenschaftler der University of Pennsylvania School of Veterinary Medicine veröffentlichen ihre Forschungsergebnisse im Journal of Immunology, das am 15. Mai erscheinen wird, in der online-Ausgabe aber jetzt schon zu lesen ist.

Sie wiesen in einem Versuch an Mäusen nach, dass bestimmte Wirkstoffe, die der Körper zwar während einer Infektion produziert, die jedoch nichts mit der normalen Immunabwehr zu tun haben, die Bildung neuer Blutgefäße um das Tumorgewebe hemmen und so dem Krebsgeschwür die Nährstoffzufuhr abschneiden.
Krebstherapie: "Aushungern"
Krebsgeschwüre sind ebenso wie alle Gewebe des Körpers auf eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen, also hauptsächlich Sauerstoff angewiesen.

Schneidet man diese für sie lebensnotwendige Versorgung ab, so kann man ihr Wachstum zum Stillstand bringen oder sie gar ganz zerstören. Man "hungert" sie sozusagen "aus".

Zudem weiß die Medizin seit längerem, das Tumorgewebe ab einer bestimmten Größe die Bildung neuer Blutgefäße anregt, da es sonst nicht weiter wachsen könnte: dieser Vorgang nennt sich Angiogenese.
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Versorgung und Wachstum von Tumorgewebe
Kleine Tumore, die zunächst lediglich aus ein paar Zellen bestehen, beziehen Nährstoffe bzw. den benötigten Sauerstoff direkt aus dem umliegenden Gewebe. Dafür verwenden sie feinste Blutgefäße, die so genannten Kapillaren. Diese durchziehen den gesamten Körper, allerdings in einer normalerweise gleichbleibenden Anzahl. Ab einer bestimmten Größe des Tumorgewebes reichen die umliegenden Kapillaren für die Versorgung nicht mehr aus - der Tumor regt dann die Bildung von Blutgefäßen an, um den steigenden Sauerstoffbedarf zu decken. Ein Vorgang, der sich Angiogenese nennt und im Körper nur unter ganz speziellen Bedingungen stattfindet, etwa nach der Menstruation oder bei Herzerkrankungen.
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Anti-Angiogenese als Krebstherapie
Die Medizin forscht nun seit längerem an der Möglichkeit, diese Angiogenese von Krebsgeschwüren zu unterbinden: Im Prinzip versucht man, den Vorgang der Angiogenese umzukehren, also eine Art Anti-Angiogenese zu erreichen.

Dass dies bei schwereren Infektionen geschieht, wurde bereits beobachtet. Man schrieb dies bisher allerdings der Aktivierung des Immunsystems mit seinen T-Zellen, Makrophagen und natürlichen Killerzellen zu.
->   Mehr Informationen zum Immunsystem
Mäuse ohne Abwehrzellen
Dies können die Autoren der neuen Studie allerdings ausschließen. Sie haben für ihre Forschungen einen Mäusestamm geschaffen, der keine der genannten Abwehrzellen besitzt. Dennoch wurde bei den Tieren das Tumorwachstum unterdrückt.
Infektion mit Toxoplasmose
Das Forscherteam hatte die Tiere mit dem Krankheitserreger Toxoplasma gondii infiziert. Zugleich wiesen die Tiere Hautkrebsgeschwüre auf.
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Toxoplasma gondii
Dieser Erreger verursacht die Krankheit Toxoplasmose, eine Infektion, die bei gesunden Erwachsenen meist ohne jegliches Symptom verläuft. Infiziert sich jedoch eine Frau erstmalig kurz vor oder während einer Schwangerschaft, so kann der Embryo davon betroffen werden. Mögliche Folgen sind schwere Augenkrankheiten bis hin zur Blindheit oder Gehirnschäden wie z.B. ein Wasserkopf.
->   Mehr Informationen zu Toxoplasmose
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Tumorwachstum dennoch gehemmt
Zudem produzierte das Tumorgewebe keine so genannten Antigene, die normalerweise dazu führen, dass das Immunsystem das Geschwür als Fremdkörper erkennt und bekämpft. Trotzdem gingen die Krebsgeschwüre zurück, manche verschwanden sogar ganz.

Die Forscher glauben nun, dass dafür ein Protein verantwortlich ist, das die Tiere eigentlich gegen den Erreger der Toxoplasmose produzieren: dieses, so die These, hemmt offenbar auch die Angiogenese des Gewebes.
Idee der Anti-Angiogenese nicht neu
Die Idee, das Tumorwachstum gezielt zu bekämpfen, indem man dem betroffenen Gewebe die Sauerstoffzufuhr abschneidet und es somit quasi "aushungert", ist allerdings nicht neu.

Schon in den 70er Jahren hat ein US-Wissenschaftler, der Krebsforscher Judah Folkman, eine Art Modellvorstellung dieser Krebstherapie entwickelt. Seitdem wird weltweit daran geforscht.
Bisher kein Medikament zugelassen
Bisher führten diese Forschungen jedoch zu keiner zugelassenen Medikamententherapie, weder in den USA noch in Europa. Auch die neuen Ergebnisse sind noch zu ungenau, als dass sich bereits jetzt ein wirklicher Fortschritt für die Anti-Angiogenese-Therapie vorhersagen ließe.

Bis der Wirkstoff überhaupt identifiziert wird, können nach Meinung der beteiligten Forscher noch Monate oder gar Jahre vergehen. Zumindest ein vielversprechender Ansatz ist damit jedoch für die Krebsforschung gegeben.

(red)
->   Journal of Immunology
->   University of Pennsylvania, School of Veterinary Medicine
Weitere Informationen zum Thema Krebstherapie


Ein offen zugängliches Register für Krebsstudien bietet die Deutsche Krebsgesellschaft e.V. im Internet:
->   www.studien.de
Links zu Studien und Artikeln speziell über die Anti-Angiogenese-Forschung bietet das Nationale Krebsforschungsinstitut der USA:
->   National Cancer Institute (NCI)
Eine Seite mit Informationen zu Forschung, Therapien und Krebshilfe-Organisationen in Österreich bietet die Österreischische Krebshilfe:
->   www.krebshilfe.at
 
 
 
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01.01.2010