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Wem gehört die DNS?  
  In den USA wird im Augenblick wieder eine Debatte geführt, die auch in Europa über kurz oder lang die Gemüter erhitzen wird. Die Frage, an der sich die Diskussion entzündet hat: Besitzt ein Mensch die Rechte an der eigenen DNS?  
In Oregon, einem Staat im Westen der USA, existiert seit 1995 ein Gesetz, das einer Person alle Rechte an der eigenen DNS garantiert. Jedoch nicht mehr lange, wenn ein neuer Gesetzesentwurf im Juni tatsächlich verabschiedet werden sollte.
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DNS
DNS steht für Desoxyribonucleinsäure. Aus DNS bestehen die Gene eines Lebewesens. Über Millionen von Zellgenerationen werden diese unverändert weitergegeben, weil die DNS die Fähigkeit zur identischen Replikation hat. Es handelt sich sozusagen um den individuellen und einmaligen Bauplan eines Lebewesens.
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Das neue Gesetz ist das Ergebnis einer zweijährigen Zusammenarbeit zwischen Genforschern, Pharmaunternehmen und Juristen. Es soll die Eigentumsrechte an der DNS zum größten Teil aufheben.
Bürokratie kontra Forschung
Die Biotech-Unternehmen begründen ihre Ablehnung des alten Gesetzes vor allem mit dem immensen bürokratischen Aufwand, der ihnen in bestimmten Fällen droht, etwa wenn der Spender genetischen Materials bereits gestorben ist.

Steve Chase, Begründer der Bürgergruppe "Oregonians for Genetic Integrity", argumentiert dagegen: "Der Profit von Biotechnologie-Unternehmen ist riesig", sagt er. "Warum sollten sie nicht die gleichen Prozesse durchlaufen müssen, die sie auch beim Erwerb der Eigentumsrechte an einer anderen Sache durchlaufen müssten?"
Goldmine DNS
Ein Vergleich, den Chase in seiner Argumentation verwendet, spricht jedenfalls Bände: "Wenn man in jemandes Garten Gold fördern will, dann muss man die Erlaubnis dazu erteilt bekommen. DNS ist unser persönliches Gold."

Es geht also im Grunde wohl um Geld. Denn wenn genetische Informationen als Eigentum gelten, dann, so die logische Folgerung, können sie auch verkauft werden. Zum Beispiel an die Pharmaunternehmen, die mit den Daten Forschung betreiben.
Projekt deCODE
Was nicht unbedingt neu ist. In Island wird seit 1999 das Projekt deCODE betrieben, das weltweit Schlagzeilen machte: In einer Datenbank wird die genetische Information der gesamten isländischen Bevölkerung zusammengefasst, um damit medizinische Forschung zu betreiben.
Kooperation mit Hoffmann-La Roche
Pikant an der Geschichte ist aber vor allem der finanzielle Hintergrund von deCODE: Dahinter steht nämlich ein milliardenschwerer Kooperationsvertrag mit der Schweizer Pharmafirma Hoffmann-La Roche.

Um immerhin 200 Millionen Dollar geht es dabei, und beide Seiten versprechen sich natürlich von der Zusammenarbeit hohe Gewinne. Die Schweizer verwenden die Forschungsergebnisse für die Entwicklung von Medikamenten, die Isländer wiederum werden diese umsonst erhalten, und deCODE profitiert von Investitionen in Millionenhöhe.
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Projekt deCODE
Gesucht werden die Gene, die im Zusammenhang stehen mit Krankheiten wie Schizophrenie und Alzheimer, mit Herzkrankheiten und Schlaganfällen und einigem mehr. August 2000 kam bereits eine Erfolgsmeldung: Ein Forscher gab an, das Alzheimer-Gen gefunden zu haben. Roche lies verlauten, auf der Basis der nun vorhandenen Informationen über das Alzheimer-Gen entsprechende Forschungs- und Entwicklungsprogramme für neue diagnostische und therapeutische Produkte in die Wege zu leiten. "deCODE genetics" erhielt für diesen "Meilenstein" eine nicht näher bezifferte Summe.
->   deCODE
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Situation in Österreich
In Österreich - so scheint es zunächst - ist die Situation durch die Gesetzeslage relativ klar geregelt: Man kann zwar Eigentümer einer Sache sein, niemals jedoch einer Person. Was wir also besitzen, ist die so genannte "freie Verfügungsgewalt" über unseren Körper.

Die hat es allerdings im vollen Sinne nie gegeben, denn es gibt Einschränkungen strafrechtlicher Natur. Etwa die Beihilfe zum Selbstmord, die zumindest "rechtlich stigmatisiert ist", so Heinz Barta, Professor am Institut für Zivilrecht der Universität Innsbruck.
Transplantationsgesetz regelt Verfügungsgewalt
Auch das Transplantationsgesetz regelt diese freie Verfügungsgewalt und schränkt sie ein: Es ist nach unseren geltenden Bestimmungen nämlich nicht legal, einen Körperteil zu verkaufen.

Parallel dazu könnte man also annehmen, dass auch die DNS eines Menschen nicht verkauft werden darf, selbst wenn dafür noch keine Gesetze existieren.
Was passiert mit Blut- und Gewebeproben?
Doch was die Verwendung von Genmaterial zu Forschungszwecken angeht, fehlen auch in Österreich klare Bestimmungen. Denn bei Untersuchungen werden vielfach Gewebematerial oder Blutproben entnommen, die nach der Analyse in eine Datenbank wandern.

Inwiefern diese wieder zu Forschungszwecken herangezogen werden dürfen, ist rechtlich nicht eindeutig geklärt. Zwar muss für den medizinischen Fortschritt unzweifelhaft geforscht werden, doch wer garantiert, dass von solchen Forschungen nicht hauptsächlich die Pharmaindustrie profitiert?

Auch Fragen nach dem Daten- bzw. Persönlichkeitsschutz sind hierbei noch offen. Ein Thema also, das sicher auch in Österreich eine genauere Betrachtung verlangt.
Weltweit größte Gen-Studie in Europa
Die weltweit größte Gen-Studie läuft übrigens über das europäische EPIC-Netzwerk der internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC). Dabei sollte es am Beginn nur um die Entdeckung von Zusammenhang zwischen Ernährung und Krebs gehen.

Doch man nahm damals allen rund 500.000 Testpersonen aus den verschiedenen EU-Ländern Blut ab. Diese Proben mit den enthaltenen Zellen und dem Erbgut werden jetzt zur Suche nach "Krebsgenen" verwendet.

Die Untersuchung läuft seit Anfang der neunziger Jahre. Ergebnisse der Studie erscheinen als wissenschaftliche Publikationen, das Geld dafür kommt hauptsächlich von der Europäischen Union.

(red)
->   IARC
 
 
 
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01.01.2010