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Indiens Kampf gegen Agrar-Kolonialisierung  
  Große, global agierende Saatgutfirmen treiben Indiens Bauern in den existenziellen Ruin. Vandava Shiva, engagierte Ökologin, Feministin und Trägerin des Alternativen Nobelpreises, initiiert und unterstützt den Widerstand.  
Patente unzulässig
Unermüdlich kämpft Vandana Shiva seit Jahren gegen Patente auf Pflanzen und Saatgut. Zum einen seien beides keine Erfindungen, Patente daher unzulässig. Zum anderen ist der freie Zugriff von Bauern auf Saatgut überlebenswichtig. "Es ist daher ein ökologischer, ökonomischer und kultureller Imperativ, Pflanzen und Saatgut patentfrei zu halten".
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Vandana Shiva
1982 hat die Physikerin Vandana Shiva in Indien eine Forschungseinrichtung für Ökologie gegründet, die "Research Foundation for Science, Technology, and Ecology". Seither engagiert sie sich vehement gegen die Patentierung von Saatgut durch multinationale Konzerne, setzt sich in zahlreichen Initiativen für die Würdigung der umfassenden Kenntnisse und Erfahrungen der Bauern und insbesondere auch der Frauen für eine nachhaltige Nutzung der biologischen Ressourcen ein. 1993 erhielt sie den Alternativen Nobelpreis.
->   Research Foundation for Science, Technology and Ecology
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Erfolg bei Neem-Baum
Der Neem-Baum gilt in Indien und Kenia als wahres Wundergewächs mit zahlreichen Heilwirkungen. Auf empörtes Unverständnis stieß es daher in Indien, als sich vor einigen Jahren der Biotechnologie-Konzern Monsanto Patente auf bestimmte Neem-Produkte sichern ließ.

Großangelegte Kampagnen führten schließlich im Mai 2000 zu einem Widerruf des Patents auf die Nutzung des Neem-Baum-Öls durch das Europäische Patentamt. Damit wurde jenen Recht gegeben, die das Patent als "geistigen Diebstahl" und "Biopiraterie" bezeichnet hatten - einer der wichtigsten Erfolge der indischen Aktivisten.
->   Mehr zum Neem-Baum
Unlauterer Wettbewerb
Aber auch ohne Patente üben multinationale Konzerne einen großen Druck auf die indischen Bauern aus, sagt Vandana Shiva. Die angebotenen Hybrid-Samen müssen Jahr für Jahr neu gekauft werden. Ihre Aufzucht verlangt den Gebrauch von mehr und teuren Pestiziden.

Dafür müssen die Bauern oft Kredite aufnehmen - alles angeboten von einem Konzern. Viele werden damit in den existenziellen Ruin getrieben und begehen Selbstmord, so Vandana Shiva, die das Los vieler dieser Bauern in der Studie "Seeds of Suicide" untersucht hat.
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"Seeds of Suicide"
Zuerst kommen die Werbefilme, in denen die jeweilige Hauptgottheit der Region den Bauern verspricht, mit dem wunderbaren Saatgut über Nacht zum Millionär zu werden. Dazu sind ein paar extra Chemikalien notwendig. Funktioniert's nicht gleich beim ersten Mal, muss nachgekauft werden - dafür bieten die Konzerne großzügige Privatkredite an.

Innerhalb kürzester Zeit finden sich die Bauern so hoch verschuldet, dass sie keinen Ausweg mehr sehen. "Innerhalb der letzten 3 Jahre haben sich aus diesem Grund 20.000 Bauern in Indien das Leben genommen", so Shiva. "In den vergangenen fünf Jahren kam es in Indien zu einer Verdreifachung der Verschuldung in der Landwirtschaft. Die Schulden-Situation in der indischen Landwirtschaft mit den internationalen Abhängigkeiten ist damit vergleichbar jener der Dritte-Welt-Staaten."
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Stärkung des Selbstbewusstseins
Mit anfänglich kleinen, aber wirkungsvollen Kampagnen versuchen Vandana Shiva und ihre Mitarbeiter, das Selbstbewusstsein der indischen Bauern und die Besinnung auf ihr traditionelles Wissen zu stärken.
Gemeinschafts-Samenbanken
Für eine bedeutende Initiative jüngster Zeit hält Vandana Shiva das "Navdanya Movement". Die Landbevölkerung wird angehalten, Samen aller Pflanzen, die sie als Nahrungsmittel, Heilpflanzen oder auch zu Faserproduktion verwenden, zu sammeln.

Tausende Pflanzen seien so in vielen regionalen Samenbanken schon konserviert. Das Wissen, wie sie zu verwenden sind, wird damit ebenfalls tradiert und die Gefahr, in die Abhängigkeit multinationaler Konzerne zu geraten, ist gemindert.
Jaiv Panchayat - Living Democracy
Die vielleicht wichtigste basisdemokratische Bewegung überhaupt, so Shiva, ist "Jaiv Panchayat", das "Living Democracy Movement". Vor zwei Jahren hat alles mit 20 Orten begonnen, die sich der Idee einer "earth family" verschrieben haben, einer Gemeinschaft, in der grundsätzlich alles Leben - Menschen, Tiere und Pflanzen - respektiert wird.

Zu den Kernelementen der Bewegung zählt, dass privates Besitzrecht auf Leben als Patente oder in irgendeiner anderen Form nicht anerkannt wird, und Verunreinigungen der Biodiversität - durch Chemikalien oder gentechnische Veränderungen - nicht zulässig ist.
Selbstverantwortung stärkt Demokratie
Für die Umsetzung dieser Ziele sind die einzelnen Orte mit ihren Entscheidungsträgern selbst verantwortlich.

Indem die Gemeinschaften die Verantwortung für sich und ihre Umwelt übernehmen, wird auch die Demokratie gestärkt, mein Shiva. Aus den anfänglich 20 Gemeinden sind inzwischen 4000 geworden, die nach den Jaiv-Panchayat-Richtlinien leben.

Birgit Dalheimer, Ö1-Wissenschaft
->   Monsanto
->   Research Foundation for Science, Technology and Ecology
 
 
 
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01.01.2010