News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Humangenetik: Die Hauptarbeit beginnt erst  
  Das menschliche Erbgut ist - fast - entziffert. Auf die Humangenetik wartet aber noch viel Arbeit, sollte aus diesem neuen Wissen ein konkreter Nutzen für die Menschheit gezogen werden.  
Bei Krankheiten etwa, die auf der Mutation einer einzelnen Erbanlage basieren, ist erst rund ein Drittel aller beteiligter Gene bekannt, erklärte der französische Experte Jean-Louis Mandel anlässlich des 10. Internationalen Kongresses für Humangenetik in Wien.
...
Am 10. Internationalen Kongress für Humangenetik im Wiener Austria Center (15. bis 19. Mai) nehmen rund 4.000 Genforscher aus aller Welt teil.
->   10. Internationaler Kongress für Humangenetik
...
Puzzlespiel im Labor
Während die so genannten "monogenetischen Krankheiten" zumeist sehr selten sind, ist die Situation bei Leiden, die auf der Basis vieler verschiedener Erbanlagen entstehen, noch viel komplizierter.

Mandel: "Im ersten Fall müssen wir versuchen, einzelne Gene mit einzelnen Krankheiten in Verbindung zu bringen. Doch es gibt eine enorme Anzahl von Variationen zwischen jedem einzelnen Menschen. Wir sind alle von einander genetisch ein wenig verschieden."
...
So gleich, so verschieden
Durchschnittlich jeder tausendste Bestandteil des menschlichen Genoms ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Bei drei Milliarden Bestandteilen können das eine Million Unterschiede sein. Gerade auf diesen Differenzen beruhen aber jene Krankheiten, die die Menschheit millionenfach quälen: Leiden, die durch viele genetische Voraussetzungen hervorgerufen werden, z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die meisten Krebsarten.
->   Mehr über das menschliche Genom
...
Nächster Schritt: Krank machende Proteine
Der nächste Schritt sollte jedenfalls die Aufklärung der Struktur - auch der dreidimensionalen Gestalt - jener Eiweißstoffe sein, die im Körper des Menschen für Gesundheit bzw. Krankheit verantwortlich sind.

Die britische Expertin Janet Thornton: "Veränderungen in den Genen verursachen Veränderungen in den Proteinen. Unsere Herausforderung besteht darin, die Informationen aus der Sequenzierung des Genoms auf die Kenntnis der Eiweißstoffe umzusetzen. Wir müssen klären, was sich in der Gestalt von körpereigenen Eiweißstoffen auf Grund von genetischen Mutationen verändert, so dass sie krank machen."

Auch hier stehen die Forscher erst am Beginn. Janet Thornton: "Wenn wir also beispielsweise derzeit rund 4.500 krank machende Gene vermuten, dann müssen wir gleichzeitig sagen, dass wir erst die Struktur von rund 200 Proteinen kennen, die mit Krankheiten in Verbindung zu bringen sind.
...
Proteomics
Die jetzt großteils entzifferte DNA mit all den in ihr enthaltenen Genen ist der Informationsspeicher der Zellen. Die tatsächlichen Funktionen - vom Zellaufbau bis zu Stoffwechsel-Reaktionen - werden von den Proteinen ausgeführt. Diese Proteine und ihr komplexes Wechselspiel werden jetzt unter dem Titel "Proteomics" untersucht.
->   Vom Genom zum Proteom
...
Übernächster Schritt: Krankheits-Wege eruieren
Doch auch das wird noch nicht ausreichen, um der Menschheit einen umfassenden Nutzen aus der Genomforschung beim Sieg über Krankheiten zu bringen.

Dalia Cohen, Chefin der Abteilung für funktionelle Genomik des Schweizer Pharmakonzerns Novartis: "Wir müssen darüber hinaus die komplizierten Regelkreise aufklären, die zu Krankheiten führen. Viele dieser 'Wege' (Pathways, Anm.) sind bei verschiedenen Krankheiten ähnlich. Eine unserer Hypothesen lautet, dass wir eventuell mit einem Arzneimittel eine ganze Reihe von Krankheiten behandeln könnten."
...
Die dringendsten Aufgaben der Genforschung laut Dalia Cohen:
- Diagnostische Tests, um jene Menschen zu finden, die überhaupt auf eine geplante Therapie ansprechen werden. Das könnte unnötige Behandlungen und auch Nebenwirkungen ersparen.
- Entwicklung von Arzneimitteln, die Krankheiten verhindern können. Menschen mit einem genetischen Risiko für eine Krankheit könnten so prophylaktisch vor Ausbruch einer Erkrankung behandelt werden.
- Identifizierung von gemeinsamen Ansatzpunkten für Medikamente, die bei einer ganzen Reihe von Krankheiten verwendet werden könnten.
...
Identifizierung genetischer Krankheits-Faktoren
Vor allem aber müssten laut den Experten zunächst einmal die wirklich wichtigen genetischen Faktoren für Krankheiten identifiziert werden.

Der französische Experte Jean-Louis Mandel: "Es ist für die Menschen unwichtig, wenn sie erfahren, dass beispielsweise ihr Risiko, an Schizophrenie zu erkranken, von normalerweise 0,5 Prozent durch eine genetische Mutation auf ein Prozent steigt."

Man müsse sich auf jene Faktoren konzentrieren, die für viele Menschen entscheidend für Gesundheit oder Krankheit sind.

(APA/red)
->   Human Genome Project
->   Human Genome Organisation
->   Human Proteome Project
Mehr dazu auf science.orf.at
->   Menschliches Genom: Erkenntnisse aus der Entschlüsselung
->   Was macht das Menschsein aus?
->   Von HUGO zu HUPO
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010