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Biotechnologie als Biowaffen-Produzent  
  Seit der Entzifferung des Genoms vieler Organismen, einschließlich des Menschen ist die Biotechnologie in aller Munde. Doch in all der Diskussion um Chancen und Risken sollte die zunehmende Gefahr des Missbrauchs der Biotechnologie für die Produktion hocheffizienter und unkontrollierbarer Biowaffen stärker Beachtung finden.  
Gefährliche Krankheiten wie Milzbrand oder Botulismus waren lange als mögliche Biowaffen gefürchtet. Doch Wissenschaftler warnen jetzt in der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazin "Nature" davor, dass pathogene Erregerstämme wie der Milzbrand- oder Botulismuserreger mittels biotechnologischen Mitteln relativ leicht in tödlichen Biowaffen verwandelt werden könnten.
Ungewollt ein Killervirus geschaffen
Erst zu Beginn dieses Jahres erregte ein Fall australischer Wissenschaftler ungewollte Aufmerksamkeit. Australische Forscher versuchten, durch gentechnische Veränderung an einem Mäusepockenvirus einen Impfstoff zur Empfängnisverhütung zu entwickeln.

Da nicht alle untersuchten Mäusestämme auf das veränderte Virus ansprachen, wurde ein weiteres verändertes Gen eingeschleust, um die Immunantwort der Mäuse zu verstärken.

Die Wirkung dieser zweiten Veränderung war verheerend. Das an sich harmlose Virus mutierte innerhalb kürzester Zeit zu einem Killervirus, der alle Mäuse tötete. Aus einem an und für sich harmlosen Virus wurde ein äußerst pathogenes Erreger.
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Die Verfahren der Bio- und Gentechniker
Nach der Isolierung oder Synthese der zu klonierenden DNA wird diese in einen geeigneten Vektor, das Transportsystem, eingefügt und hiermit in eine Zielzelle überführt. Die Zielzellen werden vermehrt, um das Genprodukt, meist ein Protein, in gewünschter Menge zu erhalten. Es können Teile des Erbgutes oder synthetische DNA eingesetzt werden. Diese werden mit Restriktionsenzymen geschnitten und in die entsprechenden Vektoren übertragen. Als Vektoren werden meist Plasmide oder Viren verwendet. Als Zielzellen dienen Mikroorganismen wie pflanzliche, tierische und menschliche Zellen. DNA kann in die Zellkerne auch direkt durch Mikroinjektion eingeführt werden. Zur Identifizierung von Zellen mit Fremdgenen werden häufig Markergene benutzt.
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Tödliche Potenziale
Werden ähnliche genetische Veränderungen wie im Falle des Mäusepocken-Virus am menschlichen Pockenvirus durchgeführt, so kann aus der bereits letalen Variante eine noch gefährlichere Form entstehen, deren Wirkung bei einem Einsatz nicht abzuschätzen wäre, so die Genetiker in ihrer Arbeit im Nature Magazine.
Ein kleiner Schritt zum gefährlichen Killer
Anthrax, der Erreger des gefährlichen Milzbrandes kann mittlerweile problemlos mit Antibiotika geheilt werden. "Mittels biotechnologischer Methoden kann das Anthrax-Bakterium aber relativ leicht in einen resistenten, tödlichen Erregerstamm verwandelt werden", erklärt der Biowaffen-Experte Alistair Hay von der Leeds University.
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Milzbrand...
...durch den Milzbrandbazillus, Bacillus anthracis, hervorgerufene akute, fieberhafte, tödlich verlaufende Krankheit. Erscheinungen: blutige Abgänge aus allen Körperöffnungen, plötzlicher Tod. Schutzimpfung ist möglich. Der widerstandsfähige, Sporen bildende Milzbrandbazillus kann vom kranken Vieh über Felle, Häute, Borsten, seltener durch Genuss des Fleisches auf den Menschen übertragen werden. Behandlung mittels Antibiotikatherapie.
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Gefahr steigt
Je mehr Genetiker die Genome von letalen Bakterien und Viren entschlüsseln, desto größer steigt die Gefahr und Wahrscheinlichkeit, dass dieses Wissen für die Produktion hochgefährlicher Biowaffen eingesetzt wird, so die Wissenschaftler in "Nature".

Die genetischen Sequenzen von pathogenen Stämmen der Tuberkulose und Cholera wurden erst kürzlich veröffentlicht.
Die entschlüsselten Genome der Milzbrand- und Lepra-Erreger sollen in Kürze folgen. So könnten aus teilweise schon fast ausgerotteten Stämmen wie jener der Lepra tödlichere Varianten durch gentechnischen Veränderung bewusst hervorgebracht werden.
Nicht nur Risken?
Für Tim Read, einen der für die Gen-Sequenzierung von Anthrax verantwortlichen Wissenschaftler, gibt es nicht "nur" Nachteile. Für ihn steckt in der Veröffentlichung von Genom-Sequenzen pathogener Stämme auch die Chance die Wissenschaft anzuregen, hinkünftig bessere Impfstoffe zu entwickeln. Dass aber ein erhebliches manipulatives Potenzial in jenen Gen-Daten steckt, ist auch einem Tim Read bewusst.

(red)
->   Biowaffen-Konvention von 1972
Originalartikel in Nature zum Thema("The bugs of war"; Nature 411, 232 - 235 (2001);und "Epidemiology gains an ally in bioweapons surveillance project"; kostenpflichtig).
->   Originalartikel in Nature zum Thema
 
 
 
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01.01.2010