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Gentechnik: Herausforderung für Dopingjäger  
  Um die Einnahme verbotener Substanzen im Sport zu beweisen, hatten es Dopingjäger schon bislang nicht leicht. Gentechnisch veränderte Athleten könnten sie in Zukunft vor noch schwierigere Aufgaben stellen.  
Einsetzen einer Expertengruppe
Aus diesem Grund will die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) eine Gruppe Gentechnik-Experten einsetzen, damit die nächste Runde im Kampf "gedopte Athleten gegen Dopingjäger" nicht von Beginn an entschieden ist.

Das gab Dick Pound, der WADA-Präsident und Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) Ende Mai in Lausanne bekannt.
Übertriebene Befürchtungen?
"Im Moment übersteigen die Ängste vor Genmanipulation noch bei weitem die Möglichkeiten", meinte Pound, der ein Nachfolgekandidat für IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch ist.

"Dennoch glauben wir, dass wir möglichst rasch wissenschaftliche und ethische Richtlinien formulieren müssen, um zukünftigen Entwicklungen vorzubeugen," ergänzte der Kanadier.

Im September soll deshalb in New York eine Konferenz abgehalten werden, an der führende Wissenschaftler, Ethiker und Juristen aus dem Bereich der Gentechnik teilnehmen.
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Welt-Anti-Doping-Agentur WADA
"Think positive, test negative" lautet der Leitspruch der WADA, die im November 1999 auf Initiative des Internationalen Olympischen Komitees gegründet worden ist, um Fair Play im Sport zu gewährleisten. Internationale Sportverbände und Regierungen investieren gemeinsam in das Projekt mit dem Ziel, durch Information, Prävention und Kontrolle einen Sport frei von Doping zu erreichen. Kritiker halten das Naheverhältnis von WADA und dem von Korruptionsaffären und anderen Skandalen erschütterten IOC für fragwürdig.
->   WADA
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Geklonte Organe, gen-veränderte Gewebe?
Der deutsche IOC-Vizepräsident Thomas Bach brachte es schon im Vormonat auf den Punkt: "Was wir zur Zeit bezüglich Doping erleben, ist nur ein laues Lüftchen im Vergleich zu dem, was durch mögliche Gen-Manipulation auf uns hereinbrechen könnte."

Nach Angaben des deutschen Toxikologen Klaus Müller sei die gentechnische Herstellung von Dopingmitteln wie zum Beispiel von Wachstumshormonen längst üblich. Andere denkbare Methoden sind die Gen-Manipulation an Organen und Geweben und pränatale Gen-Veränderungen, die einer "Züchtung" oder dem Klonen gleichkommen würden. "Die Gen-Manipulation an Organen ist das, worauf man sich am ehesten und am schnellsten einstellen muss", meint Müller, der Leiter des Instituts für Doping-Analytik in Kreischa ist.
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Derzeitiger Forschungsschwerpunkt: Hormone
Insgesamt fünf Millionen Dollar (89 Mio. ATS) sollen heuer von der WADA noch in die Anti-Doping-Forschung investiert werden. Hauptschwerpunkt zur Zeit sind die Hormone HGH (Wachstumshormon), Erythropoietin (EPO) und Nandrolon. Aber auch in Richtung gentechnischer Modifizierungen soll verstärkt geforscht werden.
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Technische Varianten des Gen-Dopings
Allerdings sei Gen-Doping nicht so simpel machbar wie bisher übliche Formen der unerlaubten Leistungssteigerung, sagte Müller. "Mit Tropfen oder Tabletten ist das nicht erreichbar. Damit sind DNA-Moleküle nicht veränderbar." Man brauche Vektoren als Transporteure im Körper, die diese Nukleinsäure-Moleküle in die Zellen bringen und dort das Gen-Material modifizieren.

Denkbar sei so etwas zum Beispiel durch die Elektroporation (Stromstöße), während derer sich die Zellmembranen kurzzeitig öffnen und ihre Schutzfunktion aufgeben. Damit seien eigentlich abgeschlossene Körperprozesse wie die Muskelbildung wieder in Gang zu setzen.
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WADA bald in Wien?
Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) wird am 21. August in Tallinn über ihren zukünftigen Sitz entscheiden. Ursprünglich waren auf der Bewerbungsliste zehn Städte gestanden, mittlerweile sind es nur noch fünf. Neben Wien sind dies Lausanne, Stockholm, Montreal und Bonn.
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Zwei Gen-Doping-Varianten
Wilhelm Schänzer, vom Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln, geht von zwei Varianten von Gen-Doping aus: Die erste hat die Bildung von mehr Muskelmasse bzw. von schnelleren Muskelfasern zum Ziel, die zweite die körpereigene Stimulation der Synthese von Hormonen wie z.B. Erythropoietin oder von anderen anabolen Wirkstoffen.
Nachweismöglichkeiten
Ein Nachweis der ersten Variante wäre nach Angaben Schänzers möglich, wenn die Substanzen (Carrier) dokumentiert werden könnten, mit deren Hilfe Gene in die DNA transportiert werden.

Ein Nachweis der zweiten Variante könnte erbracht werden, wenn Referenzbereiche mit Grenzwerten für Hormone festgelegt würden, so dass ein Überschreiten der Limits durch eine genmanipulierte Stimulation der Hormonproduktion feststellbar wäre. Die Möglichkeit von individuellen Referenzwerten für Hormone und Wachstumsfaktoren, die quasi jeder Zeit abrufbar sind, wären hier effektive Kontrollparameter.
->   Deutsche Sporthochschule Köln, Institut für Biochemie
Nachweise derzeit nicht justiziabel
Inwiefern aber gegen potenzielle gen-gedopte Athleten vorgegangen werden kann, ist umstritten. Nach Ansicht Klaus Müllers gebe es große rechtliche Probleme, weil weder ein "gläserner Athlet" noch die Entnahme von Muskelgewebe im Moment justiziabel sei.
Überarbeitung der Antidoping-Bestimmungen
Nötig sei eine "Vorwärtsverteidigung", um Methoden der Kontrolle und des Nachweises in der Hand zu haben, wenn das Problem akut wird, so Müller. Das gelte auch für eine Überarbeitung des Antidoping-Codes des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), in dem mögliche Arten der Gen-Manipulation nicht aufgeführt und erfasst sind.

(Reuters/APA/AFP/red)
->   Hintergrund-Artikel "Muskel, Gene, Leistungssport" (pdf-Datei)
->   Mehr zu "Muskeln und Gelenken"
 
 
 
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01.01.2010