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Die vergessenen Volkserzählungen  
  Die ''Neuen Volksmärchen der Deutschen'' erschienen erstmals 1789-1792. Obwohl diese erste deutschsprachige Märchensammlung von Wilhelm Grimm sehr geschätzt wurde und Friedrich Schiller stark beeinflusste, wusste kaum jemand, dass der vermeintliche Autor eine Frau war.  
Benedikte Naubert schrieb anonym über achtzig historische Romane, Gedichte, Erzählungen und Märchenbücher und gilt damit als eine der produktivsten Schriftstellerin des 18. Jahrhunderts. Jetzt liegen erstmalig seit der Erstauflage von 1789-1792 die ''Neuen Volksmärchen der Deutschen'' wieder in vollständigem Nachdruck vor.
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Benedikte Naubert und Neffe
Benedikte Naubert
Als Tochter eines gelehrten Arztes und Afrikareisenden 1756 in Leipzig geboren, erhielt Benedikte Naubert eine für Mädchen der damaligen Zeit erstaunlich breit gefächerte Erziehung. Von klein auf begeisterten sie die griechische und römische Mythologie, aber auch die mittelalterliche Geschichte. 1797 geht sie eine kurze Ehe mit einem Rittergutsbesitzer ein. 1802 heiratet sie einen angesehenen Naumburger Kaufmann, erlebt die Folgen der Napoleonischen Befreiungskriege und kümmert sich um ihren Neffen. In den späteren Lebensjahren macht ihr ein Augenleiden mehr und mehr zu schaffen. Kurz vor einer geplanten Augenoperation stirbt Benedikte Naubert im Alter von 62 Jahren in Leipzig.
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Ein vestalischer Schleier
Die Anonymität bedeutet für Benedikte Naubert einen ''vestalischen Schleier vor Lob und Tadel''. Im Gegensatz zu anderen Schriftstellerinnen hält sie beharrlich an ihrer Anonymität fest, wohl auch, um sich nicht den Anschein zu geben, zu ''gelehrig'' für eine Frau der damaligen Zeit zu sein.

Als 1817 die ''Zeitung für die elegante Welt'' ihre Identität aufdeckt fühlt sie: ''Das Weyrauchfaß so unbarmherzig an den Kopf geworfen, dass ich es wohl noch eine Weile fühlen werde''.
Märchen, Träume und Visionen
Die ''Neuen Volksmärchen der Deutschen'' enthalten erstmals in großem Umfang Nacherzählungen bekannter Volksstoffe, wie z. B. Rübezahlsagen, die Rattenfänger- und Nibelungensage oder die Sage von der weißen Frau. Die Schriftstellerin kombinierte dabei diese Stoffe auf eigenwillige Weise. Eine wichtige Rolle spielten dabei Träume und Visionen.

Durch diese bewusst gewählte Erweiterung ihrer erzählerischen Möglichkeiten schaffte sie einen ganz neuen Blick auf die Entwicklung der Volkserzählungen im 18. Jahrhundert.
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Die geschaffene Verbindung von familiärem Alltag und wunderbaren Ereignissen kann man sowohl in den Grimm'schen ''Kinder- und Hausmärchen'' als auch in romantischen Kunstmärchen wieder entdecken.
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Der historische Roman
Benedikte Nauberts lebenslange Begeisterung für Geschichte und Sagen prädestinierten sie auch für den historischen Roman. Dabei gibt es fast kein Jahrhundert, das sie in ihren Romanen nicht behandelt. Das 18. Jahrhundert unterschied jedoch noch nicht zwischen Legende, Geschichte und Sage.

Naubert vertrat dabei die Auffassung, dass die ''wahre Geschichte nie entstellt'' werden dürfte, vielmehr setze der historische Roman eine gründliche Kenntnis der Geschichte voraus. Damit wurde Benedikte Naubert zur ''Vorläuferin des realistischen Geschichtsromans des 19. Jahrhunderts''.
Behutsam modernisiert
In der Neuauflage der ''Neuen Volksmärchen der Deutschen'' wurde der Text unter Beibehaltung des Laut- und Wortbestandes orthographisch behutsam modernisiert und durch einen Stellen- und Quellenkommentar erschlossen.

(red)
 
 
 
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01.01.2010