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Medizinische Irrtümer  
  Bei der Erstversorgung von schwer verletzten Patienten
werden rund 20 Prozent der Krankheiten und Verletzungen nicht sofort festgestellt. ''Qualitätsmanagement'' soll die Zahl der Behandlungsfehler senken.
 
Die an der unfallchirurgischen Universitätsklinik in Bonn durchgeführte Qualitätsanalyse brachte für alle Beteiligten ein verblüffendes Ergebnis. ''Wir waren überrascht, wie viele Erkrankungen wir übersehen haben'', sagt der Unfallchirurg Christian Paul.

Nach Pauls Statistik wurden 600 von 3000 Patienten mangelhaft diagnostiziert. Zwar sei keine der übersehenen Erkrankungen lebensbedrohlich gewesen, in 500 Fällen mussten die Patienten jedoch nachträglich operiert werden.
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Einige Verletzungen der Nerven und der inneren Organe beispielsweise wurden nicht gleich erkannt oder Knochenbrüche nicht bemerkt. Mit verschiedenen Richtlinien soll jetzt in Bonn die Fehlerquote bei der Erstversorgung auf weniger als zehn Prozent gesenkt werden, kündigte Paul an. Dazu gehöre, dass auch in der größten Hektik nur vollständig korrekte Röntgenbilder akzeptabel seien.
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Exaktere Analysen der Risken des Behandlungsverlaufes
Mit ''Qualitätsmanagement'', wie es die Wirtschaft praktiziert, sollten nach Pauls Überzeugung mehr Mediziner die Zahl der Behandlungsfehler senken. Das Prinzip heiße Vorbeugung. Fehler sollen durch Analyse der Risiken im Behandlungsverlauf und entsprechende Gegenmaßnahmen verhindert werden.

Davor stehe für viele Ärzte aber noch ein anderer Schritt: ''Die Unfehlbarkeit - auch beim Chefarzt - muss abgeschafft werden'', forderte Paul. Auf allen Hierarchieebenen müssten Mediziner lernen, ihre Fehler zuzugeben.
Patienten werden immer kritischer
Zu den Ärzten kommen immer besser informierte Kranke. ''Patienten sind kritischer geworden und fragen enger nach'', berichtete der Unfallchirurg und Professor für Klinisches Qualitätsmanagement an der Universität Bonn, Martin Hansis.
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Die Zahl der von Patienten gemeldeten Behandlungsfehler habe sich bundesweit seit Anfang der 90er Jahre etwa verdoppelt. Rund 40 000 Beschwerden würden heute jährlich bei den Schlichtungsstellen der Ärztekammern, den Krankenkassen und den Zivilgerichten eingehen. Bis zu 15.000 Beanstandungen würden als tatsächliche Behandlungsfehler anerkannt.
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Informierter Patient erwünscht
Kritische Verbraucher, die möglicherweise mit einem Ausdruck der medizinischen Leitlinien aus dem Internet und einer fertigen Diagnose zum Arzt kommen, sieht Hansis nicht als Problem. ''Mediziner sollten sich darüber nicht aufregen; dass gesamte Dienstleistungssystem ist dadurch geprägt.''

(dpa)
 
 
 
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01.01.2010