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"Drittes Reich": Atomwaffentests vor Kriegsende?  
  Schon vor seiner Präsentation hat das Buch "Hitlers Bombe" für Aufsehen gesorgt: Der Berliner Historiker Rainer Karlsch hat neue Indizien dafür gesammelt, dass das Dritte Reich kurz vor Kriegsende Atomwaffen getestet hat. Am Wochenende wird sich die Historiker-Zunft in Wien treffen, um die neuen Beweise zu diskutieren. Und auch hier zu Lande könnte es laut einer jüngst erschienen Publikation ähnliche Experimente gegeben haben - bereits 1941, für eine Art Wasserstoffbombe.  
Geheime Tests auf Rügen
Das Buch von Karlsch stützt sich laut Deutscher Verlags-Anstalt auf die Auswertung bisher nicht veröffentlichter Quellen sowie auf physikalische Gutachten und Messungen.

Demnach sollen deutsche Wissenschaftler 1944/45 auf Rügen und in Thüringen nukleare Bomben getestet haben.
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Tagung in Wien
Internationale Tagung des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien: "Perspektiven einer Wissenschaftsgeschichte der Europäischen Kernforschung", 18.-19. März, Alte Kapelle am Universitätscampus, Spitalgasse 2-4, Hof 2; unter den Teilnehmern ist auch Rainer Karlsch.
->   Das Programm
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Patent und Atomreaktor entdeckt?
Dabei seien mehrere hundert Kriegsgefangene und Häftlinge ums Leben gekommen. Neben Belegen für die Kernwaffenversuche habe Karlsch auch einen Entwurf für ein Plutoniumbombenpatent aus dem Jahr 1941 gefunden und zudem im Umland von Berlin "den ersten funktionierenden deutschen Atomreaktor" entdeckt.
US-Experte glaubt an "Dirty Bombs"
Der US-Historiker Mark Walker, ein international anerkannter Experte für die Nuklearwaffenentwicklung in der Zeit des Nationalsozialismus, hält Karlschs Beweisführung für "sehr überzeugend".

Doch seiner Ansicht nach hätten Hitlers Nuklearwaffen nicht annähernd die Gewalt der Atombomben gehabt, die die USA über Hiroshima und Nagasaki abwarfen, sie dürften eher mit einer so genannten "Dirty Bomb" vergleichbar sein: Etwas nukleares Material von großen Mengen Sprengstoff umhüllt.
Tagungs-Organisatorin: "Überraschende Details"
Organisiert wird die Tagung von der Wiener Zeitgeschichte-Professorin Carola Sachse. Sie hält Karlschs Forschungsergebnisse für "in vielen Details überraschend".

Das Verdienst des Historikers sei es, dass er verstreutes Wissen zusammengeführt, neue Quellen vor allem in russischen Archiven erschlossen und daraus die Geschichte der deutschen Kernforschung zwischen 1943 und 1945 in einer bisher noch nicht erreichten Dichte rekonstruiert habe.

Sachse betont, dass es sich "nach wie vor um eine Indizienkette handelt, die allerdings durchaus dicht ist", aber an dieser oder jener Stelle noch zu diskutieren sei.
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Das Buch "Hitlers Bombe.Die geheime Geschichte der deutschen Kernwaffenversuche" ist bei der Deutschen Verlagsanstalt (DVA) erschienen.
->   Mehr über das Buch (DVA)
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Rolle der Wiener Institute zu erforschen
Noch nicht hinreichend erforscht wurde nach Ansicht Sachses auch die Rolle, welche die beiden Wiener Institute gespielt haben, die Teil des deutschen Uranvereins gewesen sind: das Radiuminstitut der Akademie der Wissenschaften und das Institut für Experimentalphysik mit dem überzeugten Nationalsozialisten Georg Stetter als Vorstand.

So stelle sich etwa die Frage, ob ein Fusionsexperiment, das 1941 angeblich im Rahmen eines Rüstungsauftrags im Hof der Wiener Physikalischen stattgefunden hat, einen rein anekdotischen Charakter hatte oder anders bewertet werden müsse, so Sachse.
Das Wiener "Wasserstoffbomben-Experiment"
In dem Anfang dieses Jahres präsentierten Buch "Österreichische Zentralbibliothek für Physik" wird dieses "merkwürdige Wasserstoffbomben-Experiment" aus dem Jahr 1941 im Kapitel "Experimente, die nicht gelingen wollten" beschrieben:

Nach Entdeckung der Kernspaltung sei man auf den Gedanken gekommen, dass man durch die Fusion von Deuterium-Kernen auch Energie erzeugen könnte, wird der Physiker Joseph Braunbeck in dem Buch mit seiner Beschreibung des Experiments zitiert.

Dabei ist von einem "Rüstungsauftrag" aus dem Jahr 1941 die Rede und davon, dass man "das elektrisch zünden" wollte.
"Gehn's lieber in den Hof"
Man habe dazu "Drähte explodieren lassen und Funken in die Deuteriumverbindung hineinknallen lassen".

Und Friedrich Hernegger, ehemaliger Chef-Chemiker am Wiener Radiuminstitut, der damals mit der Durchführung des Experiments betraut war, "hat mir noch erzählt, der Institutsvorstand hätte ihm gesagt: 'Gehen's mit die Sachen lieber in den Hof runter, weil wenn das losgeht, dann is' das ganze Labor hin.'"
Fast wie Herzmanovsky-Orlando
So habe Hernegger im Hof der Wiener Physikalischen Institute auf einer Kiste seine Versuche gemacht. "Es kam nichts dabei raus", wird in dem Buch Joseph Braunbeck weiter zitiert.

Und: "Das Groteske ist - und das ist wieder einmal ein Stück Herzmanovsky-Orlando: Wenn das wirklich 'hochgegangen' wär', dann wär' der ganze neunte Bezirk weg gewesen und man hätte erst nicht gewusst, wie die experimentelle Technik war."

[science.ORF.at/APA/dpa, 14.3.05]
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"Österreichische Zentralbibliothek für Physik - Geschichte, Dokumente, Dienste", Herausgeber: "Information Assistent", Verein für Informationsmanagement; Algoprint
->   Österreichische Zentralbibliothek für Physik
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01.01.2010