News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Kosmos 
 
Gibt es keine Schwarzen Löcher?  
  Schwarze Löcher sind aus der modernen Physik nicht wegzudenken. Nach Ansicht eines US-Forschers sollten wir uns aber langsam mit diesem Gedanken anfreunden. Seiner Theorie zufolge sind die kosmischen Allesverschlinger nämlich nicht nur unsichtbar, sondern existieren überhaupt nicht.  
Dafür präsentiert George Chapline vom Lawrence Livermore National Laboratory einen nicht minder attraktiven Ersatzkandidaten für die kosmische Menagerie: Bei den vermeintlichen Schwarzen Löchern könnte es sich in Wirklichkeit um so genannte Sterne Dunkler Energie handeln.
...
Zu diesem Thema hat George Chapline folgende Artikel veröffentlicht: Den Konferenzbericht "Dark Energy Stars" sowie die Studie "Quantum Phase Transitions and the Breakdown of Classical General Relativity" aus dem "International Journal of Modern Physics A" (Band 18, S. 3587-3590).
...
Unsichtbar und gefräßig
Sie gehören zu Drehbüchern von Science-Fiction-Serien wie das Amen zum Gebet und auch in den Lehrbüchern der Astronomie verfügen sie über einen Ehrenplatz:

Schwarze Löcher, deren Gravitationsfeld keine Materie, ja nicht einmal Licht entfliehen kann, verschlingen alles, was sich im Einflussbereich ihrer Schwerkraft befindet. Und haben sie sich einmal etwas einverleibt, dann bleibt es dort auch, bis in alle Ewigkeit.

Direkt beobachten konnte man diese absonderlichen Objekte - definitionsgemäß - nicht, indirekte Hinweise gibt es dafür zuhauf. Man geht davon aus, dass sie aus weißen Zwergen oder Neutronensternen hervorgehen, woraus folgt, dass sie in verschiedenen Gewichtsklassen auftreten:

Von einigen Sonnenmassen, wie etwa das mutmaßliche Schwarze Loch der Röntgenquelle Cygnus X-1, bis hin zu superschweren Versionen, die das Millionenfache der Sonnenmasse erreichen.
->   Mehr zu Schwarzen Löchern bei Wikipedia
Angriff auf die Allgemeine Relativitätstheorie
Wenn es nach dem Astrophysiker George Chapline vom Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien geht, gehört diese Sicht der Dinge schon bald der Vergangenheit an. Seiner Meinung nach sind Schwarze Löcher nicht real, sie existieren schlichtweg nicht.

Damit geht Chapline freilich auf Konfrontationskurs zur Allgemeinen Relativitätstheorie (ART). Denn nur durch deren Feldgleichungen kam man einst auf die Idee, dass Sterne ab einer gewissen Masse so stark kollabieren könnten, dass Raumzeitkrümmung und Massendichte den Wert Unendlich erreichen.

Solche Zustände, auch Singularitäten genannt, zeichnen sich dadurch aus, dass sie immer von einem so genannten Ereignishorizont umgeben sind: Im Fall von Schwarzen Löchern eben der berühmte "point of no return" - jene territoriale Grenze, ab der Licht und Materie auf Nimmerwiedersehen verschwinden.
->   Anatomy of a Black Hole
Widerspruch zwischen dem Großen und Kleinen
Allerdings gibt es einen fundamentalen Widerspruch zwischen der ART und dem zweiten wichtigen Konzept der modernen Physik, der Quantentheorie. Laut ersterer kann es keine universelle Zeit geben, letztere macht hingegen nur Sinn, wenn sie doch existiert.

Chapline weist in seinem jüngsten Artikel darauf hin, dass sich Fachleute 1957 in einer Konferenz in Chapel Hill pragmatisch darauf geeinigt hätten, in kosmologischen Fragen eher der ART zu vertrauen und somit die Gültigkeit der Quantentheorie auf die Welt des Kleinen zu beschränken.
...
Konflikt am Ereignishorizont
Diese - quasi durch Verordnung erreichte - Auflösung des grundlegenden Widerspruchs der Physik sei falsch gewesen, betont Chapline. Denn der Konflikt zwischen beiden Theorien trete nirgends so klar zutage wie beim Konzept des Ereignishorizonts. Denn an diesem steht die Zeit für einen Beobachter gewissermaßen still - was aus der Sicht der Quantentheorie ein Ding der Unmöglichkeit ist.
...
Schwarzes Loch neu: Gefüllt mit Dunkler Energie
Der US-amerikanische Astrophysiker ersetzt nun den ohne Zweifel eigenartigen Ereignishorizont durch eine nicht minder bizarre Vorstellung:

Seiner Ansicht nach durchläuft die Raumzeit in kollabierenden Sternen einen Quanten-Phasenübergang, der unter anderem dazu führt, dass sich der Stern von außen betrachtet zwar wie ein Schwarzes Loch verhält, im Inneren jedoch völlig anders aussieht, als man vermutet hat.

Dort soll nämlich die berüchtigte Dunkle Energie ihr Unwesen treiben - eine Art Antigravitation, deren Existenz bislang angenommen wurde, um die beschleunigte Ausdehnung des Universums erklären zu können.
Phasenübergang der Raumzeit
Die Idee des Phasenübergangs hat Chaplin aus der Tieftemperaturphysik entliehen. So konnte etwa gezeigt werden, dass Schallwellen unter gewissen Bedingungen in Materie ebenso gefangen werden, wie etwa Licht in einem Schwarzen Loch.

Nach Chaplines Ansicht gleicht die Raumzeit selbst einem Fluidum, das - bei extremer Gravitation - das Verhalten einer Supraflüssigkeit annimmt:

"Wenn man die Raumzeit als Supraflüssigkeit ansieht, dann muss der klassische Ereignishorizont durch einen Phasenübergang ersetzt werden", erklärte der Astrophysiker gegenüber der Zeitschrift "Scientific American".
Dunkle Sterne geben Strahlung ab
Chaplines Berechnungen zufolge sollten große kollabierte Sterne Positronen ausspucken, die jedoch sogleich durch vorhandene Elektronen vernichtet werden müssten. Dieser Vorgang sollte wiederum energiereiche Strahlung abgeben.

Dies könne etwa erklären, so Chaplines, warum im Zentrum unserer Galaxie Strahlung gemessen wurde. Bislang interpretierte man das allerdings als "Fingerabdruck" eines Schwarzen Loches.
Neue Sonderlinge im Universum
Eine Interpretation, die nach Ansicht des Astrophysikers durch seine Theorie abgelöst werden wird. Sollte das tatsächlich der Falls sein, dann erleiden Singularitäten und Schwarze Löcher das selbe Schicksal wie etwa das Phlogiston und der Äther: Sie werden ins physikalische Ausgedinge geschickt.

Science-Fiction-Fans könnten aber dennoch aufatmen, denn für Ersatz im physikalischen Kuriositätenkabinett wäre jedenfalls gesorgt. Die neuen Stars des Universums wären dann die "dark energy stars".

[science.ORF.at, 1.4.05]
->   Lawrence Livermore National Laboratory
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Tausende Schwarze Löcher in Milchstraßen-Zentrum (11.1.05)
->   Zweites Schwarzes Loch in unserer Galaxie entdeckt (10.11.04)
->   Hawking: Schwarze Löcher zerstören nicht alles (22.7.04)
->   Winzige Schwarze Löcher in der Erdatmosphäre? (4.12.03)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Kosmos 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010