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Fachleute kritisieren Österreich  
  2,3 Millionen Österreicher rauchen. Fast 1,3 Millionen von ihnen wollen die Glimmstängel beiseite legen. Doch während in vielen Ländern entschiedene Maßnahmen gegen den Tabakkonsum ergriffen werden, bemängeln österreichische Fachleute die Passivität der heimischen Politik.  
"Traurig, aber wahr: In der gesundheitspolitischen Kontrolle des Tabakproblems ist Österreich eines der Schlusslichter - und das, obwohl die wissenschaftliche Forschung und die Therapie weltweit beispielgebend sind", heißt es in einem Positionspapier des österreichischen "Nikotin-Instituts" anlässlich des Welt-Nichtrauchertags (31.Mai) der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
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Welt-Nichtrauchertag
Am 31.Mai wird der Welt-Nichtrauchertag begangen. Er soll weltweit das öffentliche Bewusstsein für die durch das Rauchen bedingten Gesundheitsschäden schärfen.
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Forschung erstklassig
Michael Kunze, Vorstand des Instituts für Sozialmedizin der Universität Wien, und federführender Proponent des
Nikotin-Instituts in Wien, gegenüber der APA: "Der US-Experte Prof. John Hughes und der schwedische Fachmann Prof. Karl Fagerström haben beide nach einer Evaluation unsere Einrichtungen als 'Nummer 1' in Kontinentaleuropa bezeichnet."

Doch Kunze will nicht nur Wissenschaft rund
um das Rauchen betreiben, sondern fordert vor allem gesundheitspolitische Maßnahmen zur Zurückdrängung des Tabakproblems.

Bereits vor vielen Jahren hat Kunze nachgewiesen, dass jede Zigarettenpreiserhöhung eine Verringerung des Tabakkonsums bringt. Er fordert auch harte Maßnahmen gegen die Tabakwerbung.
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Nikotinvergiftung
Nikotin ist ein starkes Gift. Es greift das gesamte Gefäß- und Nervensystem an. Durch den Nikotinkonsum wird unter anderem die Herztätigkeit beschleunigt, die Blutgefäße verengen sich und somit wird das Durchblutungssystem gestört. Viele Organe werden ungenügend mit Sauerstoff versorgt. Die schwer wiegendsten gesundheitlichen Folgen für starke Raucher sind chronische Bronchitis, Raucherbein und Lungenkrebs.
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Politik versagt bei Kampf gegen Tabak
Deshalb formulierten die Spezialisten des "Nikotin-Instituts" in ihrem Positionspapier: "Umso bedauerlicher stimmt es, dass gerade in Österreich kein gesellschaftlicher und politischer Konsens zur Bekämpfung des Tabakkonsums herbeizuführen ist.

Auf jeden kleinsten diesbezüglichen Versuch (Stichwort Werbeverbot für Zigaretten, Hinweise auf die Gesundheitsgefährdung durch Rauchen) folgt die aggressive Antwort der dadurch vermeintlich 'gefährdeten' Wirtschaftsbetriebe."
Tabakmonopol bringt Geld
Kunze ergänzte dazu im Gespräch mit der APA: "Im Grunde steckt dahinter, dass man den Verkauf der ATW (Austria Tabak, Anm.) nicht gefährden will." Das sei derzeit das Hauptmotiv, warum die Politik nicht härter gegen den Tabakkonsum in Österreich vorgehe.
Immer jüngere Lungenkrebs-Tote
Die Konsequenzen sind für den Sozialmediziner erschütternd: "Am besten sieht man das am Lungenkarzinom. Die Betroffenen erkranken in einem immer jüngeren Alter. Das Sterbealter der Männer, die diese Krankheit in Österreich bekommen, sinkt."

Längere "Rauchkarrieren" - das gilt zunehmend auch für Frauen - bewirken eine Veränderung bei den Folgeerkrankungen des Zigarettenrauchens: chronisch obstruktive Lungenerkrankung und Lungenkrebs treten früher auf und führen früher zu Invalidität bzw. Tod.
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Tabakrauch, ein giftiges Gemisch
Im Tabakrauch finden sich neben Nikotin und Teerstoffen noch Kohlenmonoxide und über 1000 weitere chemische Substanzen. 20 bis 80 Prozent dieser Stoffe dringen tief in die Lungen ein und werden unterschiedlich vom Menschen eingelagert oder abgebaut. Im Laufe eines Raucherlebens bekommt die Lunge durch die Teerstoffe die typisch schwarzen Flecke. Bei täglich 20 Zigaretten legen sich pro Jahr etwa eine Tasse Teerstoffe in der Lunge ab.
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Reine Aufklärung zu wenig
Aufklärungsarbeit über die Gefahren des Rauchens allein ist den Fachleuten vom österreichischen Nikotin-Institut jedenfalls zu wenig.

Die Fachleute in ihrem Positionspapier: "Allgemeine Maßnahmen wie gesundheitliche Aufklärung erreichen in erster Linie diejenigen Tabakkonsumenten, die wenig abhängig und wenig schadstoffbelastet sind - gerade diejenigen also, die auch ohne fremde Hilfe aufhören können."
''Man kann jedem Raucher helfen''
Stattdessen sollte laut den Experten eine andere Strategie gewählt werden: "Es geht um die Behandlung der extrem abhängigen Raucher, und zwar mit allen medikamentösen und nicht-medikamentösen Methoden. Die eigenen Forschungsergebnisse lassen erkennen: Man kann grundsätzlich jedem Raucher helfen, der mitarbeiten will."
Ausreichende Finanzierung essentiell
Dazu sei laut den Medizinern auch eine Finanzierung ausreichender Diagnose- und Behandlungskapazitäten notwendig: "Die Finanzierung der diagnostischen und therapeutischen Leistungen wird in Zukunft durch die entsprechenden Versicherungsträger erfolgen müssen.
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Was ist Lungenkrebs?
Lungenkrebs ist weltweit der häufigste Tumor beim Menschen und kann sich aus allen Gewebsbestandteilen der Bronchien und des Lungengewebes entwickeln. Rauchen ist in zirka 85 Prozent der Fälle die Ursache für die Entstehung dieser Erkrankung, die in den letzten 50 Jahren rasant zugenommen hat. Lungenkrebs tritt am häufigsten zwischen dem 65. und 70. Lebensjahr auf. Rund fünf Prozent der Betroffenen sind unter 40 Jahre alt. Das Bronchialkarzinom ist die häufigste Krebsform bei Männern. Da immer mehr Frauen rauchen, steigt die Anzahl der weiblichen Erkrankten auch hier schnell.
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''Betreuung muss individuell sein''
In den vergangenen Jahren haben sich allerdings die medizinischen Betreuungsmöglichkeiten für Nikotinabhängie verbessert. Der Sozialmediziner: "Die Betreuung sollte individuell geschehen. Mit dem so genannten Fagerström-Test (Fragebogen, Anm.) lässt sich leicht der Grad der Abhängigkeit bestimmen.

Durch die Messung des Kohlenmonoxids in der ausgeatmeten Luft bekommt man einen Hinweis auf das Ausmaß des Zigarettenkonsums." An Hand dieser Informationen lässt sich dann die richtige Therapie wählen.
Rückfälle immer möglich
"Wir werden in Zukunft die Nikotinersatzmittel wahrscheinlich höher dosieren müssen. Im Bedarfsfall verwenden wir in Kombination damit Bupropion ("Pille" gegen Nikotin-Gier, Anm.)", so Kunze. Hinzu kommt psychologische Hilfe. Auch bei Rückfällen sollte nicht aufgegeben werden. Die sind nämlich bei Abhängigkeitserkrankungen jederzeit möglich.

(APA/red)
->   Mehr zum Nikotininstitut in Wien
->   Nikotin-Institut Wien
 
 
 
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01.01.2010